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Gemeinsam Brücken bauen

Mit Hilfe des bfz sollen Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen

Es ist ein augenscheinliches Paradox, über das sich Wolfgang Möß beklagt: „Ganz Deutschland spricht vom Fachkräftemangel, aber trotzdem kann ich mir oft den Mund fusselig reden, wenn es darum geht, einen unserer Kursteilnehmer an den Mann zu bringen“, erklärt der Diplom-Psychologe, der im Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) an der Poccistraße zusammen mit seinen Kolleginnen Menschen aus anderen Ländern coacht und ihnen dabei hilft, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Es sind oft schlicht und einfach Berührungsängste auf Seiten der deutschen Arbeitgeber, die hier zum Tragen kommen“, berichtet Möß. Dagegen habe er sehr gute Erfahrungen gemacht, sobald sich Arbeitgeber und Bewerber einmal gegenüber säßen: Sympathie füreinander gepaart mit der Wahrnehmung von meist hoher emotionaler und sozialer Intelligenz sowie einer gewissen Bescheidenheit, würden dazu beitragen, die ersten Schwellen abzubauen. „Und wenn das Gespräch positiv verläuft, dann sind die Bewerber richtig dankbar. In erster Linie geht es ihnen einfach darum, endlich wieder eine Chance zu haben.“

Religiös und politisch verfolgt

Die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz), die es inzwischen seit rund 30 Jahren gibt, gehören zu den größten Anbietern für Bildung, Beratung und Integration im Freistaat. Hauptziel ist die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern, aber auch von Arbeitsuchenden. Neben einem breiten Angebot zum Beispiel für Unternehmer, Jugendliche und Berufsrückkehrerinnen kümmern sich die bfz auch um Migranten und Migrantinnen und bieten für diese Zielgruppe unter anderem Integrationskurse und berufsbezogene Deutschkurse an.

Rund 85 Prozent aller Teilnehmer an den Kursen für Migranten kommen aus Problemländern: „Sie wurden in ihrer Heimat religiös oder politisch verfolgt, sind aus Kriegsgebieten geflohen und mussten oft um Leib und Leben fürchten, bevor sie nach Deutschland kamen“, erklärt Wolfang Möß. Viele Teilnehmer stammen aus den Balkanländern sowie der ehemaligen Sowjetunion, aber auch aus Afghanistan, Pakistan und aus dem Iran und Irak oder aus Lateinamerika und Afrika. Rund 20 zielgruppenspezifische Kurse gibt es jährlich beim bfz.

„Eine Perspektive entwickeln“

Die berufsbezogenen Deutschkurse werden im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds durchgeführt. Das Team von Seminarleiterinnen und Seminarleitern ist für das persönliche Coaching der Teilnehmenden verantwortlich: „Wir erstellen ein Profil mit der bisherigen beruflichen Laufbahn und finden heraus, ob der Schul- oder Universitätsabschluss der Teilnehmer in Deutschland anerkannt ist“, so Möß. Dies sei häufig schwerer als gedacht: So werden beispielsweise im Iran die Hochschulzeugnisse zentral verwaltet, an eine Kopie zu kommen ist mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden. „Und wenn der Mensch noch dazu in seiner Heimat aus religiösen Gründen verfolgt wird, kann er natürlich nicht einfach so hinfahren, um sein Zeugnis abzuholen“, so der Psychologe.

In einer Reihe weiterer Termine versuchen Möß und seine Kolleginnen zudem zusammen mit dem Teilnehmer herauszufinden, was dieser in Deutschland beruflich machen will und kann. Dann geht es auf die Suche nach einem zunächst unbezahlten, rund fünfwöchigen Praktikum: „Primär geht einfach darum, für jeden dieser Menschen eine tragbare Perspektive zu entwickeln und gemeinsam mit den Arbeitgebern Brücken ins Berufsleben zu bauen“, sagt Möß.

„Wieder dazugehören“

Zu jedem berufsbegleitenden Deutschkurs, bei dem jeweils 380 Stunden berufsbezogenes Deutsch, 190 Stunden Fachtheorie und 160 Stunden Praktikum auf dem Programm stehen, gehören auch drei Betriebsbesichtigungen. So waren zum Beispiel zehn Kursteilnehmer vor wenigen Wochen auch im Werbe-Spiegel-Verlag und haben sich hier umgesehen. „Den Teilnehmern hat es hier wirklich sehr gut gefallen. Sie haben viel Aufmerksamkeit erfahren und konnten ganz verschiedene Bereiche des Verlagswesens kennenlernen“, erzählt Möß.

Da es sich um Teilnehmer eines bereits auf dem sehr hohen Sprachniveau C1 angesiedelten Deutschkurses handelte, konnten die Männer und Frauen bereits mit sehr guten allgemeinen Sprachkenntnissen aufwarten. Sie sind in der Regel gut ausgebildet, haben in ihrem Heimatland Abitur gemacht und oft sogar ein Studium abgeschlossen, das jedoch in Deutschland meist nicht anerkannt wird. „Es geht ihnen in erster Linie nicht darum, in Deutschland einen besonders guten Job zu bekommen und viel Geld zu verdienen“, erklärt Möß. „Vielmehr wollen sie zuallererst einfach wieder dazugehören.“

Weitere Informationen auch im Internet unter www.bfz.de.


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