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Geht's "normal" weiter?

Schulen bereiten sich auf Regulärbetrieb vor

"Schule ist mehr als Mathe und Englisch - es geht um das soziale Miteinander" - das ist für Kultusminister Michael Piazolo ein wichtiger Grund, den Regulärbetrieb in den Schulen ins Auge zu fassen. Dieses entscheidende Miteinander hatten die Kinder der Münchner "Eidechsen-Schule" mit ihrem "Porträtpuzzle" gezeigt. (Bild: job / Archiv)

Die ersten beiden Ferienwochen sind zwar vorüber, aber noch vier schulfreie Sommerwochen liegen vor Eltern, Schülern, Lehrern. Viele wünschen sich dennoch möglichst bald Klarheit, wie der Schulbetrieb am 8. September weitergeht. Mit welchen Corona-Einschränkungen müssen sie rechnen?

Während die Kinder und Jugendlichen die freie Zeit genießen, arbeitet das Kultusministerium daran, die Schulen auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Das große Ziel ist "Regelunterricht", also endlich wieder "ganz normal Schule" wie vor Corona. "Darauf arbeiten wir hin", erklärte Bayerns Kultusminister Michael Piazolo bei einem Gespräch in den Ferien. Schule sei schließlich mehr als Mathe und Englisch; es gehe auch um das soziale Miteinander der Kinder. Deswegen wolle man Zurück zu möglichst viel Normalität. Im neuen Schuljahr werde daher auf den 1,5-m-Abstand verzichten und wieder in den zuvor üblichen Gruppengrößen unterrichten.

Maske wird Pflicht statt nur Gebot

Gleichwohl müsse man auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet sein, falls die Infektionszahlen wieder steigen. "Wir sollten kein Häkchen hinter Corona machen", warnt Piazolo. Gesundheit behalte ihre Priorität, darum werde man auch beim Schulbeginn vor allem Vorsicht (unter anderem in Form von Hygieneregeln) walten lassen.

Die wichtigste dieser Regeln: Es wird eine Maskenpflicht für Schüler und Lehrer im "Begegnungsverkehr" geben - jeder muss also seine Maske tragen, bis er seinen Platz im Unterricht erreicht hat. Bislang galt nur ein Maskengebot.

Die Schüler sollen in möglichst konstanten Lerngruppen bleiben und die Klassenräume möglichst wenig gewechselt werden müssen. Klassenzimmer werden intensiv gelüftet und auf Klassenfahrten wird zunächst verzichtet. Neben diesen organisatorischen Dingen empfiehlt Piazolo allen die Nutzung der Corona-App.

Lehrern wird eine freiwillige Corona-Testung angeboten, ebenso ist - insbesondere in der herbstlichen Erkältungszeit - die rasche Testung für Schüler geplant, die Krankheitssymptome zeigen.

Piazolo sieht bei aller Unsicherheit weiteren Herausforderungen zuversichtlich entgegen. In den vergangenen Monaten habe man vieles im Umgang mit Corona gelernt: "Jetzt ist nicht mehr alles neu. Vieles wurde schon durchgedacht", meinte er.

Plan A, B, C und D in der Schublade

Bleiben die Infektionszahlen niedrig (so wie sie es zum Ferienbeginn in 90 Prozent der bayerischen Landkreise waren), beginnt im September an allen Schulen der Regelbetrieb. Neben diesem Plan hat der Kultusminister Plan B, C und D in der Schublade: Man bereitet die Schulen auf drei weitere Szenarien vor, die von der dann aktuellen "7-Tage-Inzidenz" abhängen. Diese Zahl entspricht der Anzahl der in den jeweils letzten sieben Tagen neu gemeldeten Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner. Jeden Tag ermittelt das Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit diesen Wert bayernweit (in München liegt er aktuell bei 5,8).

Steigt der Wert der 7-Tage-Inzidenz auf über 20, wird es auch im Unterricht eine Maskenpflicht geben. Klettert er über 35, wird der Mindestabstand von 1,5 m im Unterricht wieder eingeführt. Überspringt er 50, wird es wieder Distanzunterricht geben.

Anfang September soll entschieden werden, mit welchem Szenario die Schulen starten. "Eine Woche Vorlauf sollten alle haben", so Piazolo.

Kriterienkatalog soll Eltern helfen

Zu Eigenverantwortlichkeit rief Piazolo Schüler, Eltern und Lehrer bei Ferienreisen auf. Ein freiheitlicher Staat werde das Reisen nicht verbieten. Wer jedoch in Risikogebieten war, müsse die zweiwöchige Quarantäne nach der Rückkehr einhalten. Dieser Konsequenzen müsse sich jeder bewusst sein.

Bis zum Ferienende will das Ministerium zusammen mit dem RKI und dem Gesundheitsministerium einen Kriterienkatalog vorlegen, um Eltern Richtlinien bei der Einschätzung von Krankheitssymptomen an die Hand zu geben: Hat ein Kind nur Schnupfen oder könnte es Corona sein? "Da sind wir dran", so Piazolo. Es werde aber immer Fälle geben, die Eltern oder Lehrer nicht exakt einordnen können. Grundsätzliche gelte ohnehin: "Ein krankes Kind gehört nicht in die Schule!" Eltern sollten Kinder bei Symptomen daheim lassen und schnell testen lassen.

"Große Leistung der Schulfamilie"

Die vergangenen Corona-Monate schreibt Piazolo mitnichten als "verlorenes Schuljahr" ab. Im Gegenteil: Man habe keine Leistungseinbußen festgestellt. "Wir sind auch beim Abi nicht zurückgefallen", nennt der Minister als Beispiel, "Wir haben vieles auffangen können." Am Schuljahresende habe man in den Schulen Lernstandserhebungen durchgeführt, um zu sehen, was die Lehrer und Schüler nicht geschafft haben. Mit den Ergebnissen haben auch die Lehrer des kommenden Schuljahres einen guten Anhaltspunkt, wo ihre Schüler tatsächlich stehen.

Mit der Bewältigung der Zeit der Schulschließung ist Piazolo zufrieden. Er wertete es als eine große Leistung der gesamten Schulfamilie, wie sie das zweite Halbjahr gemeistert habe. "Natürlich gibt es immer auch ein Ruckeln", meinte er, schließlich sei die Situation für alle ganz neu gewesen. Das zeigt auch die Zahl der kultusministeriellen Schreiben in diesen Wochen: Gut 1.500 Seiten gingen an die Schulen, um ihnen Hilfestellungen und Anweisungen zu geben. Vieles liege aber in der Verantwortung der Menschen vor Ort: "Wir schreiben aber nicht jedem Lehrer vor, wie er jede Stunde zu halten hat."

Auch das Lernen zuhause sei gut gelaufen. Mittlerweile seien zudem 10.000 Leihgeräte wie Drucker oder Computer aus bayerischen Beständen dafür abberufen worden. Am Schuljahresende sei eine ausreichende Zahl an Geräten verfügbar gewesen.

"Nichts geht über den Präsenzunterricht"

"Lernen zuhause" wurde auch zum großen Praxistest für die Digitalisierung der Schulen. Hatte man zuvor dabei vor allem an die Digitalisierung im Präsenzunterricht gedacht, sei jetzt viel neues Wissen dazu da. "Wir haben viel getestet, es haben sich neue Perspektiven geöffnet", so Piazolo. Bayern werde bis 2024 zum Beispiel bis zu 500 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen ausgeben, u.a. für Fortbildung, die "Bayern-Cloud" (diese ermöglicht Videokonferenzen von Schülern und Lehrern) sowie die IT-Wartung. Diese sei Sache der Sachwandsaufträger (also in der Regel der Kommunen). Weil sich gerade kleinere Gemeinden mit der IT-Administration aber schwer tun, kann diese Aufgabe künftig an externe Systemadministratoren abgegeben werden.

Piazolo sagt aber auch: "Wir machen keinen Schnellschuss!" Digital sei nicht automatisch besser und "nichts geht über den klassischen Präsenzunterricht." Wichtig seien Kommunikation und Feedback im Unterricht, Interaktion und persönlicher Austausch. "Schule ist mehr als über digitale Speichermedien Stoff zu vermitteln", unterstreicht der Minister.


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