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"Geborgen im ordentlichen Reich der Oma"

Juliana Daum, Landesvorsitzende VerbraucherService Bayern im KDFB e.V.

Juliana Daum, Landesvorsitzende VerbraucherService Bayern im KDFB e.V. (Bild: pr)

Lange haben wir nicht getanzt. Der Sommer ist vorbei und die großen Feste waren nicht erlaubt. Jetzt ist es kalt geworden. Am Morgen waren die kahlen Äste vereist, es taut und die Bäume regnen glitzernde Tropfen. Über dem See wabern die Nebelschwaden und es ist eine Freude wie schön es überall ist. Doch wir sind traurig, weil unsere Oma nach schwerer Krankheit gestorben ist. Sie war für uns die beste Oma von allen. Oma hat stundenlang geduldig vorgelesen bis Arme und Kehle schmerzten, gemeinsam den schönsten Weihnachtsschmuck gebastelt, die beste Erdbeerrolle und zwölf verschiedene Sorten Weihnachtsplätzchen gebacken. Es war eine Freude wie sie uns verwöhnt hat. Verwöhnen und streng anspornen – zwei Eigenschaften die gut miteinander auskamen. Noch am Krankenbett mahnte sie: „Ihr hängt den Weihnachtsschmuck immer viel zu spät auf und viel zu spät ab“, „streitet euch nicht“ und „die Rechtschreibung deiner Nachrichten auf Whatsapp ist furchtbar – streng dich mehr an!“.

Sie selbst hat alles mit großer Leidenschaft und Perfektion gemacht: Gekocht, genäht, dekoriert, als Erzieherin gearbeitet, ihr blühendes Gartenparadies entworfen. Fleiß und Sparsamkeit, die Tugenden der Kinder der Nachkriegszeit, waren ihre Kernkompetenzen. Geruht wurde erst, wenn alles schön und ordentlich war. Das war Freude für sie und wir genossen das Ergebnis ihrer Arbeit: An dem festlich gedeckten Tisch sitzen, die feinsten Kuchen essen und gewürzten Kaffee trinken, das war jedes Mal eine große Freude für uns. Sogar im Lockdown gelang das stilvoll im Garten an getrennt gedeckten Tischen. Es war immer alles so lecker und so schön. Wir waren geborgen im ordentlichen Reich der Oma. Die Oma hielt den Schirm der Sicherheit und des Gelingens über uns. So eine Oma ist eine Freude. Zum Glück wussten wir das schon zu ihren Lebzeiten. Aber mit jeder Stunde weniger wurde es klarer und die Traurigkeit größer. Alles hat sie genau geregelt und geplant für ihren Abschied. Was der Opa in den Koffer packt und was mit ins Seniorenheim muss. Selbst das ist eine Freude, denn mit ihrer Tapferkeit und Bestimmtheit machte sie es uns allen leichter.


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