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„Fürchtet euch nicht!“

Respekt voreinander haben - geht das?

"Respekt" steht in Mittelpunkt dieser Ausgabe und ist unser Schwerpunkt im kommenden Jahr. (Bild: sbr)

„Fürchtet euch nicht!“ Mit diesen Worten der Engel beginnt für Betlehems Hirten die Weihnachtsgeschichte.

Furcht und existentielle Angst sind uns nichts Fremdes: Wer morgens ins Auto steigt, weiß nie, ob er abends gesund zurückkehrt. Wer Kinder hat, weiß ohnehin, was Angst bedeutet. Doch müssen wir jede Angst ernst nehmen? Machen wir uns nicht sogar gerne über jene lustig, die es nicht schaffen, die berechtigsten aller Ängste (die um die eigenen Kinder) in den Griff zu bekommen (wir nennen sie „Helikoptereltern“)?

Es spielt keine Rolle, ob Ängste berechtigt sind. Es zählt lediglich, wie wir mit ihnen umgehen. Wir tun das ständig mit großem Erfolg: Ängste bestimmen unser Zusammenleben nicht, so sehr es uns die Rattenfänger auch weismachen wollen.

Uns fehlt allenfalls die Perspektive – wie einem Bergsteiger, der nach einem langen Aufstieg den Gipfel erreicht hat. Der sich über die unvergleichliche Aussicht und das Erreichte freut – und zugleich erschöpft und müde ist.

Aber ist es nicht ein wunderbares Geschenk, das ständige „Noch schneller, noch höher, noch stärker“ hinter sich lassen zu können? Aus der Fülle schöpfen zu dürfen und das Erreichte bewahren zu können für die nächste Generation?

Ein Paradies?

Für genau diesen Zustand, der den größten Teil unserer Gegenwart treffend beschreibt, haben die Märchen eine eigene Bezeichnung gefunden: „Schlaraffenland“. Und zwei noch ältere Schriften nennen es schlicht „Paradies“.

Natürlich hat nicht jeder teil an dem, was für die Mehrheit selbstverständlich scheint. Viele Menschen tun sich schwer, mitzuhalten. In jeder reichen Stadt gibt es Armut, Krankheit, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit. Und ja: Auch eine Demokratie samt ihrer Bürokratie ist mitnichten makellos.

Wie aber gelingt Zusammenleben dauerhaft? Es ist wie in jeder Partnerschaft, wenn nach zwei oder drei Jahren die Augen nicht mehr ständig funkeln. Zwei, die in dieser Zeit ein Team geworden sind, werden kaum scheitern. Team sein heißt: Bei wichtigen Dingen an einem Strang ziehen. Nicht jeden Fehler ins Visier nehmen. Manchmal ein bisschen über den eigenen Schatten springen. Man sagt dazu auch: Respekt voreinander haben.

Ernst Jandl (das ist der mit „Ottos Mops“ und "schtzngrmm") brauchte nur einen Einzeiler, um diese Erkenntnis im Hinblick auf die Demokratie begreifbar zu machen: „Demokratie – unsere Ansichten gehen als Freunde – Auseinander.“

Unser Schwerpunkt

In unseren Wochenanzeigern haben wir im nun zu Ende gehenden Jahr viele Menschen begleitet, die in dieser Überzeugung handeln und sich in ihren Nachbarschaften einbringen. Sie sind das Fundament für unser Zusammenleben. Daher werden wir ihnen, ihrem Einsatz und ihrer Arbeit auch im kommenden Jahr ein Forum bieten. Wir stellen unseren Lesern Menschen und Einrichtungen, Berufe und Tätigkeiten, Ideen und Leistungen vor, die Respekt verdienen. "Respekt" wird unser redaktioneller Schwerpunkt 2019 sein. Wir starten damit mit dieser Ausgabe, in der Sie zahlreiche Beiträge und Ansichten dazu finden.

Guter Wille

Respekt meint nichts anderes als guten Willen: Aushalten, dass es andere Bewertungen und Erfahrungen neben den eigenen gibt. Die unmittelbare Folge daraus ist, Mitgefühl empfinden zu können. Jedes familiäre, jedes soziale und politische Problem lässt sich durch das Maß an Mitgefühl definieren, das wir füreinander aufbringen oder eben nicht.

Nur eine Spur weniger poetisch als Jandl erklärten seinerzeit die Engel den Hirten diesen Zusammenhang: Was wir heute Stabilität, Lebensqualität, Sicherheit oder Zukunftsperspektiven nennen, versprachen sie als „Frieden“ – allen Menschen, die guten Willens sind.

 

Mehr als 200 Menschen haben auf unsere Frage "Wovor haben Sie Respekt?" geantwortet. Ihre Äußerungen und alle unsere Respekt-Beiträge finden Sie hier.


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