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"Für meine Heimatstadt werde ich immer die beste Lösung anstreben"

OB-Kandidatin Kristina Frank über gesundes Wachstum und Gespenster, unnötige Rekorde und Vernunft, Anreize u

Kristina Frank im Gespräch mit Bürgern: "Es braucht endlich eine Bürgerbeteiligung, die ihren Namen verdient." (Bild: CSU)

München steht vor einer spannenden Richtungsentscheidung: Wer wird die Stadt in den nächsten sechs Jahren führen? Mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) tritt ein Amtsinhaber an, der nach dem Ende der Ude-Ära keinen schlechten Job gemacht hat. Herausgefordert wird er u.a. von einer Frau, die kommunalpolitisch ebenfalls höchst erfahren ist: Kristina Frank (CSU). Als "Stadtministerin" leitet sie das Kommunalreferat, eine der großen Behörden der Stadt mit vielfältigen Aufgaben und mehr als 2.600 Mitarbeitern. Sie beantwortete die Fragen von Johannes Beetz.

"Es fehlt ein Gesamtkonzept"

Beim Verkehr ist es wie beim Fußball: Jeder ist ein Experte und weiß genau, wie's besser ginge. Die SPD ist stolz, die Verkehrswende eingeleitet zu haben und will die Prioritäten an ein sich veränderndes Mobilitätsverhalten anpassen. Die CSU warnt davor, Fußgänger, Radler, Autofahrer und ÖPNV gegeneinander auszuspielen, und will alle glücklich machen. Die Flächen für Straßen und Wege kann man nun nicht einfach vergrößern. Man kann dem Einen nur geben, was man dem Anderen wegnimmt. Wie wollen Sie für uns Bürger den Weg von A nach B leichter machen?

Kristina Frank: Derzeit fährt die rot-grüne Mobilitätswende sehenden Auges gegen die Wand, denn: Alle Maßnahmen zur Stärkung des Radlverkehrs, die derzeit insbesondere von Grünen und deren politischen Imitat, der SPD samt ihrem OB, mit der Peitsche durch den Stadtrat getrieben werden, sind aktionistische Einzelmaßnahmen. Sie bremsen sogar Busse und Tram aus und sorgen dafür, dass sich der Autoverkehr in die Wohnviertel verlagert.

Was fehlt, ist ein verkehrliches Gesamtkonzept, das gründlich ALLE Münchner Verkehrsmittel einbezieht und bewertet. Ob Bus, U-Bahn, Radl, Tram, zu Fuß oder eben mit dem Auto: Der Verkehr in München muss fließen. Dazu müssen wir verstärkt Anreize setzen, das Auto lieber stehen zu lassen. Durch massive Investitionen in den ÖPNV - insbesondere in den Ausbau des U-Bahnnetzes und eine Busoffensive. Gleichzeitig brauchen wir unbedingt eine Taktverdichtung sowie U-Bahnen rund um die Uhr plus ein 365-Euro-Ticket für alle Münchnerinnen und Münchner. Und wir müssen durch einen Park-&-Ride-Ring rund um München endlich den Pendelverkehr schon an der Stadtgrenze abfangen.

"Wir müssen weiter bauen"

Noch nie wurden in München so viele Wohnungen gebaut wie in den letzten Jahren. Trotzdem bleibt der Bedarf riesig. Neubauten werden den Wohnungsmangel nicht in einer überschaubaren Zeit lösen. Wie schaffen Sie zügig bezahlbaren Wohnraum für junge Leute, für Familien, für die Alten?

Kristina Frank: Nach wie vor gibt es ungeheuer viel Bedarf. Das liegt zum einen daran, dass unter Rot-Grün viel zu wenig gebaut und München nicht gut auf die Zukunft vorbereitet wurde. Das liegt aber auch am ungebremsten Zuzug in unsere wunderschöne Stadt. Deshalb müssen wir als Stadt weiter Wohnungen bauen – aber dabei nicht die letzten Grünflächen zubetonieren. Gerade innerhalb des Mittleren Rings könnten wir durch Aufstockung um zwei Stockwerke Platz für 100.000 Menschen schaffen. Und so unsere Gartenstädte schützen.

Gleichzeitig müssen wir verstärkt mit den Umlandgemeinden über kooperative Lösungen reden und vor allem: Handeln. Hier ist in den vergangenen Jahrzehnten außer wortreichen Absichtserklärungen des OB viel zu wenig passiert.

Und: Wir müssen verstärkt, dort, wo es passt, in die Höhe bauen und kreativ Bauland schaffen, wie z.B. durch Einhausung der A96 oder über Parkplätzen.

"Wir brauchen keine neuen Rekorde"

München ist aus guten Gründen eine attraktive Stadt. Der Fluch dieser Attraktivität sind die Herausforderungen, die der anhaltende Zuzug mit sich bringt. München kann sich weder einmauern noch abkoppeln, kommt aber auch nicht mit dem Ausbau der Infrastruktur nach. Wie lange kann eine Stadt diesen Druck aushalten, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten? Wie halten Sie die Balance?

Kristina Frank: Es ist in der Tat richtig, dass derzeit vieles ins Rutschen zu geraten droht in München. Die Hypothek der Attraktivität Münchens hätte die damalige rot-grüne Stadtregierung schon in den 2000er Jahren erkennen müssen, als klar wurde, mit welchem Zuzug die Stadt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu rechnen hat. Es ist nicht weniger als ein politischer Scherbenhaufen, den uns rot-grün bis 2014 hinterlassen hat.

Aus meiner Sicht brauchen wir keine Jagd nach neuen Rekorden: Wir brauchen vielmehr ein gesundes Wachstum, was auch ökologische Notwendigkeiten mit einbezieht. Wir brauchen eine vorausschauende politische Kultur in der Stadt, die eben nicht nur an heute, sondern auch an morgen und insbesondere an übermorgen denkt.

Dabei gilt es, den Infrastrukturstau endlich abzubauen. Beim Sport, bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege, in München gibt es allerhand zu tun. Deswegen möchte ich der Stadt und ihren Menschen durch kluge Politik mit Augenmaß ihre Ruhe zurück geben: ihre „city-life-balance“.

"Endlich mal in 3D denken"

Ein Gespenst geht um in München: Es ist das Gespenst der Nachverdichtung. Die CSU will mit „Augenmaß“ nachverdichten. „Augenmaß“ heißt für die Bürger in der Regel nichts anderes als „überall, bloß nicht in meiner Nachbarschaft“. Eine wachsende Stadt mit begrenzter Fläche wird um Nachverdichtung nicht herumkommen.

Wohin soll die Stadt wachsen und wie machen Sie den Bürgern die Nachverdichtung erträglich?

Kristina Frank: In der Innenstadt gibt es reichlich Flächenpotentiale, wenn wir endlich mal in 3D denken: nämlich nach oben. Wenn wir innerhalb des Mittleren Rings jeweils um zwei Stockwerke erhöhen, wo es baulich möglich ist, gäbe es neuen Wohnraum für bis zu 100.000 Menschen. Dieses Potential sollten wir nutzen und entsprechende Anreize setzen, dieses umzusetzen. Gleichzeitig sage ich aber auch ganz deutlich: Hände weg von unseren Gartenstädten. Dort, wo Nachverdichtung den Charakter des Stadtviertels nachhaltig verändern würde, wird es mit der CSU keine Nachverdichtung geben.
Grundsätzlich müssen wir uns in München den einzigartigen Mix aus Wohnen, Gewerbe und Grünflächen erhalten. Deswegen dürfen wir nicht bedingungslos nachverdichten. Dafür brauchen wir viel mehr eine Stadt der kurzen Wege, die auch die Möglichkeiten der Digitalisierung clever ausnutzt.

"Anreize schaffen und entlasten"

In den meisten Familien müssen beide Elternteile verdienen, um sich München leisten zu können. Hohe Mieten kosten damit auch Lebenszeit – Zeit, die Eltern nicht für ihre Kinder haben.

Wie wollen Sie die Mietspirale bremsen?

Kristina Frank: Nach marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten ist der Preis ein Ergebnis aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Entsprechend gibt es drei mögliche Hebel, diesen Mechanismus zu beeinflussen: Entweder man setzt beim Angebot oder bei der Nachfrage an - oder hebelt die soziale Marktwirtschaft durch Regulierungen als öffentliche Hand aus. Letzteres ist mit unserem Grundverständnis nicht vereinbar. Deswegen müssen wir die Angebotsschraube nach oben drehen, als Stadt selbst Wohnungen bauen und Anreize für Grundeigentümer setzen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Gleichzeitig müssen wir als Stadt dort für Entlastung sorgen, wo es uns möglich ist. Beispielsweise bei der sogenannten „2. Miete“: Gerade die Nebenkostenabrechnung ist neben den hohen Mieten im Allgemeinen jedes Jahr eine enorme Belastung – gerade für junge Familien.

Für individuell nicht leistbare Mieten planen wir zudem ein kommunales Wohngeld. Dieses soll jedem ermöglichen, in der Stadt bleiben zu könne, aus der er sonst wegen der immer steigenden Lebenshaltungskosten herauskatapultiert würde.

"Das darf nicht angetastet werden"

München ist in der glücklichen Lage, eine ziemlich grüne Stadt zu sein: Wir haben Gartenstädte, Grünzüge, eine – für eine europäische Großstadt einzigartig – wild fließende Isar mitten in der Stadt, große Parks.

Wie schützen Sie diese Freiflächen vor den Zugriffen anderer Interessen?

Kristina Frank: Bei aller Flächenkonkurrenz in einer engen Stadt wie München ist für mich vollkommen klar: Unsere prägenden Grün- und Erholungsflächen dürfen nicht angetastet werden. Gleichzeitig wünsche ich mir aber gerade für den innerstädtischen Isarraum eine punktuelle, maßvolle Belebung im Einklang mit der Natur. Und für unsere Gebäude deutlich mehr Grün an der Fassade und mehr nutzbare Dachflächen.

Mehr Platz an der Oberfläche können wir z.B. schaffen, indem wir auch beim Verkehr in 3D denken: in die Tiefe. Durch mehr Tunnel am Mittleren Ring oder eine Einhausung der A96 oder der Stammstrecke könnten auf der Oberfläche neue Flächen erschlossen werden. Am Petuelpark sieht man, wie das gut gelingen kann.

"Häufig zu kompliziert"

Münchens Bürger können sich auf vielfältige Weise an planerischen und politischen Prozessen in ihrer Stadt beteiligen. Aber „den“ Bürgerwillen gibt es ja nicht. Blicken wir auf das Beispiel Tram-Westtangente: Die Bürgerversammlung im Viertel A ist dafür, jene im Nachbarviertel B dagegen. Kommunalpolitik heißt nicht, zwischen der „richtigen Lösung“ und dem „falschen Weg“ zu entscheiden, sondern unter einer ganzen Reihe sinnvoller Optionen eine zu finden, die möglichst viele mittragen können und deren Schwachstellen nicht allzu gravierend sind. Am Ende jeder noch so offenen Debatte muss also einer "hopp" oder "top" sagen und eine Entscheidung fällen.

Wie gelingt das, ohne dass sich zu viele Bürger übergangen fühlen?

Kristina Frank: Die Beteiligungsmöglichkeiten in der Münchner Stadtpolitik sind zahlreich – aber häufig zu kompliziert. Und zu häufig nicht effizient und durch Präsenzkultur einiger weniger geprägt. Bei Bürgerbeteiligung geht es nicht nur um die Beteiligung in den Stadtvierteln, sondern auch um Elemente direkter Demokratie. Die Bürgerbegehren der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, inwieweit direkte Einflussnahme auf Entscheidungen des Münchner Stadtrats möglich sind. Es ist eine grundsätzliche Herausforderung eines demokratischen Gemeinwesens, Mehrheitsentscheidungen auf einen möglichst breiten Konsens zu stellen. Das ist Aufgabe der Politik, die aber im Zweifel auch dann entscheiden muss, wenn ein breiter Konsens nicht möglich ist.

Dazu braucht es endlich Bürgerbeteiligung, die ihren Namen verdient. Und insbesondere digitale Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, ohne dass immer nur in Schulturnhallen abends Versammlungen stattfinden.

"Wir müssen mehr tun"

Noch ein Gespenst geht um in München: das Gespenst des Fachkräftemangels. Werfen wir einen exemplarischen Blick auf die Sozialberufe, auf Pflegekräfte und Erzieher. In München wurden in den letzten zehn Jahren in allen Stadtteilen Kitas aus dem Boden gestampft. Jetzt haben wir endlich die Gebäude, aber oft keine Erzieher. Gruppen und ganze Kitas schließen deswegen – ein echtes Problem für die betroffenen Familien. In Kliniken und Pflegeheimen ist die Situation zumindest zeitweise ähnlich: Weil Personal fehlt, können vorhandene Intensivbetten nicht belegt werden.

Müssen wir uns darauf einstellen, dass hier nicht zu schließende Lücken in der Grundversorgung aufreißen?

Kristina Frank: Eine Stadt, in der sich Polizisten, Kindergärtner oder Pfleger keine Wohnung mehr leisten können, ist keine Stadt, die funktioniert. Und keine, die ich mir wünsche. Deswegen müssen wir als Stadt natürlich gerade bei diesen Berufen, die die Stadt in gesellschaftlicher Balance halten, mehr tun – beispielsweise durch die Bereitstellung von bezahlbarem städtischem Wohnraum. Gleichzeitig müssen wir diejenigen, die sich um uns, um unsere Kinder oder unsere pflegebedürftigen Eltern und Großeltern kümmern, seitens der städtischen Einrichtungen auch besser bezahlen und hier alle Möglichkeiten der Stadt ausschöpfen. Als CSU-Stadtratfraktion haben wir dazu eine Pfege-Offensive angestoßen, die vorsieht, ein Kontingent an Wohnraum und Kita-Plätzen an Pfleger bereitzustellen ebenso wie ein kostenloses ÖPNV-Ticket.

"Stabile Kooperation"

Uns Münchnern geht es gut - zumindest den allermeisten von uns: Es gibt keine Ghettos, keine No-Go-Areas. Wir leben in der sichersten Großstadt der ganzen Republik. Wir haben das Tafelsilber (Stadtwerke, kommunale Wohnungen, städtische Kliniken, …) nicht verscherbelt und trotzdem Schulden abgebaut: genug Gründe für einen verantwortlichen Politiker, sich selbst mal auf die Schulter zu klopfen.

Machen wir es stattdessen anders herum: Was haben „die Anderen“ ordentlich hinbekommen? Frau Frank, was haben Herr Reiter und die SPD für München richtig gut gemacht?

Kristina Frank: Der SPD ist seit 2014 anzurechnen, dass sie mit uns eine stabile Kooperation für das Regieren gesucht hat. Hier hat sich die stadtpolitische Verantwortung der SPD gezeigt und ich hoffe, dass das derzeitige Abdriften der SPD nach links diese nicht ganz verschwinden lässt, denn: Das schlechteste für unsere erfolgreiche Stadt wären Berliner Verhältnisse, also ein rot-grünes Bündnis mit den Kommunisten der Linkspartei.

"Die beste Lösung anstreben"

SPD und CSU haben in München immer recht gelassen und pragmatisch miteinander gearbeitet. Auch das ist ein Grund für den Erfolg und die Stabilität dieser Stadt. Nun könnten sich die Münchner eine(n) OB der Partei A wählen und zugleich einen Stadtrat, in dem Partei B die Mehrheit stellt.

Schwächt das den Mann oder die Frau an der Spitze oder spielt das – siehe Pragmatismus – keine Rolle?

Kristina Frank: Der Stadtrat ist nach der Gemeindeordnung ein Kollegialorgan. Das spiegelt sich auch zu einem großen Teil in der politischen Wirklichkeit wider, denn weit über die Hälfte aller Entscheidungen im Stadtrat werden einstimmig oder fast einstimmig gefällt. Darüber hinaus kommt es zu immer mal wieder wechselnden Mehrheiten bei bestimmten Themenbereichen. Das tut der Dynamik des parlamentarischen Betriebs und auch der Frische an inhaltlichen Lösungen nur gut. Deswegen steht der Pragmatismus im Münchner Rathaus seit jeher im Vordergrund. Als Oberbürgermeisterin werde ich für meine Heimatstadt dabei immer die beste Lösung anstreben. Eine Politik der Vernunft.

 

Und Reiter?

Selbstverständlich haben wir zeitgleich mit Kristina Frank auch den Amtsinhaber Dieter Reiter zum Interview eingeladen. Vier Wochen vor der Wahl ließ Reiter mitteilen, es sei ihm aus terminlichen Gründen nicht möglich, unsere Fragen rechtzeitig zu beantworten.


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