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Frühe Besiedlung in Untermenzing und Allach

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1: Pfarramt Maria Trost, Untermenzing (Bild: Demmel)

Wer, wie ich, vor einigen Wochen vor der riesigen Baugrube, die der Bagger Ecke Rueß-Lina-Hähnle-Straße geschaufelt hatte, stand, wird sich Gedanken um das entstehende Gebäude gemacht haben. Es wird vermutlich einigen Familien ein neues Zuhause bieten, die Gedanken des Betrachtenden aber werden sich kurz das Bild des früheren Hauses an diesem Platz in Erinnerung rufen. Sicher, niemand wird daran denken, dass hier und vor allem unter dem Pfarramt (Bild 1) vor Jahrzehnten Gräber aus der Urnen-Bronzezeit gefunden wurden. Hier begegnet die Vergangenheit der Gegenwart in eindrucksvoller und unerwarteter Weise.

Eine verkürzte Zeittafel soll einen Überblick über die für unsere Betrachtung wichtigsten Zeiten geben: Jüngere Steinzeit 4000-2000 v. Chr.; Bronzezeit 2000-1000 v. Chr.; Urnenfelderzeit um 1000 v. Chr., Hallstattzeit 1000-500 v. Chr.; Latènezeit 500-Chr. Geb.; Römerzeit Chr. Geb.-500 n. Chr., Baiuwarenzeit seit ca. 500.

Den Zeichen einer frühen Besiedlung in Untermenzing und Allach, die auch Rudolph leider nur in seinem ersten Stadtteilbuch (1997) darstellen konnte, wollen wir nun nachgehen. Die Gegend um München ist nach Funden von Steinwerkzeugen im Westen und Osten der Stadt nachweisbar mindestens seit ca. 3000 v. Chr., d.h. seit der jüngeren Steinzeit besiedelt. In unserem Stadtbezirk Allach-Untermenzing reichen die Funde nur in die Zeit um 1750 v. Chr., die sogenannte Hügelgräber-Bronzezeit, zurück. So wurde aus dieser Zeit am Rand der westlichen Angerlohe eine Grabhügelgruppe gefunden, die schon von den Baiuwaren durch die Anlage eines weitreichenden Reihengräberfelds zerstört wurde. Besser bekannt ist, weil fast schon in unsere Tage reichend, dass die restlichen Grabhügel ab 1860 dem Eisenbahnbau der Linie München-Ingolstadt und noch später dem Industriebau von Krauss-Maffei und dem Wohnbau zum Opfer fielen.

Auch im Bereich der jetzigen Siedlung Neulustheim wurde eine Gruppe dieser bronzezeitlichen Grabhügel entdeckt. Auf dem Grundstück Niethammerstr. 13 (Bild 2) – das Haus, ein Bau des bekannten Kirchenarchitekten Gustav Gsaenger (1900-1989), steht unter Denkmalschutz – befindet sich ein etwa 1,50 m hoher bronzezeitlicher Grabhügel, der bereits als Bodendenkmal in die Denkmalliste eingetragen ist. Gsaenger schuf 1931 in Allach auch die Evangelisch-lutherische Epiphaniaskirche.

Auch in der heutigen Willstätterstraße 1 (ehemals Kirchenstraße) wurden, wie F. Wagner berichtet, 1844 zusammen mit Skelettresten ein Bronzedolch und eine Bronzenadel gefunden, die wohl aus einem verschleiften Grabhügel stammen. Auch nahe dem ehemaligen Bahnübergang der Menzinger Straße, bei dem heutigen S-Bahnhof Untermenzing, stieß man 1909 auf zwei Hügelgräber, die jeweils eine bronzezeitliche Skelett- und Brandbestattung enthielten (in einem Hügel die Bestattung eines etwa 10-jährigen Kindes). Schon um 1250 v. Chr. begann man, die Toten zu verbrennen und setzte dann die Asche der Verstorbenen in Urnenfriedhöfen bei.

Diese Gräber, die man der Urnen-Bronzezeit zuordnet, fand man 1948 in der Rueßstr. 47, neben der oben erwähnten Baustelle. Bei den damaligen Bauarbeiten wurden Gräber dieser Zeit leider zerstört, aber mehrere Bronzegegenstände konnten geborgen werden (Bild 3). Die Gegenwart ist über diese Tatsachen unbewußt hinweggegangen, die Erinnerung daran soll aber hiermit festgehalten werden: Das Pfarramt und die Kirche Maria Trost stehen also auf frühem und vorchristlichem Boden.

Um etwa 750 v. Chr. wurde die Urnenfelder-Bronzezeit von der Hallstattzeit – die ältere und noch vorrömische Eisenzeit und nach dem Fundort Hallstatt im Salzkammergut benannt – abgelöst, wobei wieder das Hügelgrab an die Stelle des Flachgrabes trat und Leichenbestattung und Leichenverbrennung üblich waren.

Um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert (jetzt n. Chr)., als die Römer wegen der Bedrohung ihres Reiches durch den Ostgotenkönig Theoderich zum Abzug ihrer Truppen aus dem Gebiet nördlich der Alpen gezwungen waren, wanderten aus verschiedenen Teilen Europas die Baiuwaren ein und besiedelten den Großteil Altbayerns, Österreichs und Südtirols (Bild 4: Baiuwarendorf in Kirchheim). Ihre Häuser waren als Wohn- und Stallbauten in Pfostenbauweise erstellt und von mehreren Nebengebäuden als in den Boden versenkte Grubenhäuser umgeben.

Diese Baiuwaren könnten ein suebisch-markomanischer Germanenstamm gewesen sein, der in das frei gewordenen Gebiet einzog. Vermutlich aber waren sie ein Volk aus verschiedenen Völkern. Noch einen Schritt weiter geht die neuere Forschung: Sie geht nicht mehr von einer geschlossenen Einwanderung und Landnahme aus und spricht nicht mehr von einem geschlossenen Volksstamm. Historiker und Archäologen sind sich einig, dass die Wanderwege der Baiuwaren durch Siedlungen erkennbar sind, die wie Menzing, Pasing, Gräfelfing, Krailling und Gauting auf –ing endigen. Namengebend für diese Orte waren jeweils die Sippenältesten wie Manzo für Menzing, Paoso für Pasing und Grewolf für Gräfelfing.

Das ca. 300 m südlich des Allacher Bahnhofs beim Bau der Bahnlinie entdeckte baiuwarische Gräberfeld (Bild 5) beweist, dass bereits damals bei uns eine baiuwarische Siedlung bestanden haben muß. Die Baiuwaren überbauten bei der Anlage ihres Gräberfeldes offensichtlich mit Absicht den vorhandenen Hügelgräberfriedhof aus der Bronzezeit. Man ist sich inzwischen einig, dass die dortigen Bestattungen von der Zeit der Landnahme um ca. 580 bis ca. 730 reichten, eine Zeit, in der etwas später Allach (774) und noch später Untermenzing (817) auftauchten.

Reste von Hochäckern, auch Wölbacker oder Ackerhochbeete genannt, am Allacher Lochholz, wo ein Feldkreuz steht, und in der Untermenziger Angerlohe erhärten die Thesen von der frühen Besiedlung. Wenn man vermutlich zu Recht davon ausgeht, dass in diesen Gräbern die Toten naher Siedlungen bestattet wurden und Allach und Menzing gleichweit entfernte Dorfgemeinschaften waren, kann man das Gräberfeld einem der beiden Orte oder einem nicht mehr bekannten Ort zuschreiben.

Neben dem bajuwarischen Gräberfeld von Aubing ist unser Allacher/ Menzinger Gräberfeld das zweitgrößte im Münchner Umfeld. Johannes Ranke (1836-1916), Professor und Gründer der Prähistorischen und heutigen Archäologischen Staatssammlung in München, ließ die Gräberfelder systematisch untersuchen und die Funde der Staatssammlung zuführen, wo sie heute zu besichtigen sind (Bild 3).

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