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"Frauenfußball muss in der Gesellschaft ankommen"

"mission equal"-Gründerin Svenja Grundl im Gespräch

Vereinsgründerin Svenja Grundl (1. Vorstand), Gründer-Partnerin Dagmar Specht und Matthias Schönleben-Kübel (Kommunikationsleiter) setzen sich mit mission equal dafür ein, Fußballerinnen in Deutschland auf und neben dem Platz zu stärken. (Bild: Alistair Taylor Photography)

Es heißt “mit Fußball kann man die Welt erklären”. Das stimmt in vielerlei Hinsicht. Vor allem auch dann, wenn es um die Stellung von Frauen geht. Wie in zu vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen finden sich auch im Fußball Ungleichheiten: Unfaire Bedingungen, Trainer(innen)mangel, Gehaltsunterschiede, zu wenig Medienpräsenz, Beleidigungen während und nach den Spielen. All dies prangert der Verein "mission equal" an und setzt sich mit Herzblut dafür ein, Fußballerinnen in Deutschland auf und neben dem Platz zu stärken und und ihnen die Anerkennung und Wertschätzung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Elisabeth Schönberger hat mit Vereinsgründerin Svenja Grundl über ihre persönliche Motivation, die Ziele von "mission equal" und über die Umsetzung gesprochen.

"In mir ist der Wunsch gewachsen, das zu verändern"

Hinter jeder Vereinsgründung steckt eine persönliche Motivation. In welcher Beziehung stehen Sie selbst zum Fußball und was hat Sie dazu bewegt, sich für gleiche Chancen und Anerkennung für Frauenfußball in Sport und Gesellschaft einzusetzen?

Svenja Grundl: Ich bin durch meine Tochter auf die Idee von mission equal gekommen. Sie spielt Fußball seitdem sie acht Jahre alt ist und musste so schon als Kind erfahren, dass sie in dieser Sportart als Mädchen nicht so akzeptiert wird wie als Junge. Später hat sie im Nachwuchs eines Bundesligavereins gespielt. Die Strukturen und Bedingungen für die Mädchen waren dort sehr gut, keine Frage. Aber trotzdem gibt es auffällige und bemerkenswerte Unterschiede, je nachdem ob man bei den Mädchen oder den Jungen spielt. Das haben mir auch viele Spielerinnen in anderen größeren Vereinen erzählt und so ist in mir der Wunsch gewachsen, das zu verändern.

Ich habe mit meiner Freundin und jetzigen Gründungs-Partnerin Dagmar Specht über dieses Problem gesprochen und sie schnell davon begeistern können, uns dafür starkzumachen. Außerdem konnten wir noch Matthias Schönleben-Kübel für unsere Idee gewinnen, der uns in der Kommunikation unterstützt. Nach vielen gemeinsamen Stunden stand fest, dass wir mission equal gründen.

"Es gibt unglaublich viele Facetten der Ungleichheit"

Wo sehen Sie bislang die größten Ungleichheiten zwischen Männer- und Frauenfußball?

Svenja Grundl: Man kann die Ungleichheiten hier nicht klassifizieren, da für die unterschiedlichen Spielerinnen unterschiedliche Themen wichtig sind. Für die Profispielerin, deren Rahmen- und Trainingsbedingungen möglicherweise gut sind, mag zum Beispiel das Thema Gehalt eine Rolle spielen. Vor allen Dingen in den Vereinen ab der Mitte der Tabelle in der Flyeralarm Frauen Bundesliga, in denen es Spielerinnen gibt die lediglich eine Aufwandsentschädigung erhalten. Jugendspielerinnen oder Frauenmannschaften in niedrigeren Klassen wiederum begegnen häufig Herausforderungen bezüglich Trainingszeiten und/oder Platzbelegungen (z.B. auf abgelegenen oder schlechteren Plätzen).

Und dann gibt es natürlich noch die offensichtliche Ungleichheit in den Medien, der Bekanntheit etc. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Personen bei einer Befragung zum Beispiel in der Fußgängerzone die Namen von zwei Nationalspielerinnen nennen könnten im Unterschied zu den Nationalspielern. Zur Zeit läuft ja die Europameisterschaft der Frauen (Interview war am 22. Juli, Anm. der Redaktion), aber man sieht leider keine Fahnen an den Autos. Es gibt unglaublich viele Facetten der Ungleichheit, eine Qualifizierung kann und sollte man jedoch nicht vornehmen.

"Finanzielle Mittel möglichst gerecht verteilen"

Wie sieht Ihr Einsatz für mehr Anerkennung des Frauenfußballs konkret aus?

Svenja Grundl: Unser Verein steht auf drei Säulen:

- Umdenken und Gerechtigkeit,

- Inszenierung und Vermarktung sowie

- Networking und Support.

Wir arbeiten mit unseren Mitgliedern und Partnervereinen daran, ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken. Gerne möchten wir es mit der Unterstützung von Premium-Mitgliedern schaffen, die mediale Präsenz zu erhöhen, Vorbilder für die jüngere Generation in die Öffentlichkeit zu rücken und die Inszenierung rund um die Spiele zu verbessern. Wir sind uns sicher, durch diese Veränderungen auch mehr Geld für den Frauenfußball zu generieren, wovon dann Spielerinnen, Vereine, Sponsoren und Fans vom Breitensport bis zum Profisport profitieren können. Ein Fokus ist definitiv die Unterstützung der Vereine, die selbst Partner unseres Vereins werden können. Auf der einen Seite setzen sie sich als Ziel, unsere Commitments umzusetzen, auf der anderen Seite können wir im Bedarfsfall mit Hilfe unserer Mitglieder finanziell unterstützen und bei strukturellen Themen rund um den Mädchen- und Frauenfußball helfen.

Unsere Commitments enthalten Rahmenbedingungen, an die sich die Vereine halten sollen oder sich als Ziel setzen. Es geht dabei darum, dass Fußball eine geschlechtsunabhängige Sportart ist, dass finanzielle Mittel möglichst gerecht verteilt werden sollen und Diskriminierungen jeglicher Art nicht geduldet werden. Und dass über all diese Themen entweder im Verein oder mit uns als mission equal offen kommuniziert wird. Wir wollen zum einen die Vereine ermutigen, selbst offen solche Themen anzusprechen und zum anderen wollen wir den Spielerinnen eine Anlaufstelle bieten.

"Nur mit Partnern werden wir erfolgreich sein"

Am 2. September 2021 ist www.missionequal.de online gegangen. Wie haben sich die ersten Monate nach dem Launch gestaltet? Welche Erfolge konnten Sie bislang verzeichnen?

Svenja Grundl: Die Frauenfußabteilung des FC Bayern war unser erster Partnerverein, der das Projekt unterstützt hat und unseren Launch begleitet hat. Wir hatten bei unserer Veranstaltung am 2. September 2021 unter anderem Karin Danner (FCB), Silke Raml (BFV) und Marina Hegering (Nationalspielerin) zu Gast, die in einer regen Diskussionsrunde die aktuelle Situation im deutschen Frauenfußball diskutierten. Allein durch die Presseaufmerksamkeit hatten wir sozusagen unseren ersten Schritt getan. Wir konnten in der Folgezeit mit dem FC Stern 1919, dem SV Blau-Weiß Aasee, dem TSV 1860 München und dem PSV München vier weitere Partnervereine neben der Frauenabteilung des FC Bayern München gewinnen. Mit vielen weiteren Vereinen, auch aus der Bundesliga, sind wir in Kontakt und hoffen, dass sie sich uns bald anschließen werden. Fördermitglieder konnten wir ebenfalls schon gewinnen, wollen diese aber stark ausbauen. Was wir uns auch wünschen: „Male Allies“. Männliche Sportler oder Personen des öffentlichen Lebens, die unsere Sache unterstützen und in die Öffentlichkeit tragen. Denn nur wenn wir gemeinsam die Mission nach außen tragen, werden wir damit erfolgreich sein.

Die Münchner Sportjugend hat uns dabei unterstützt, Mehrwegbecher mit unserem Logo für Münchener Vereine bereit zu stellen. Das Ziel ist nicht nur mission equal bekannter zu machen, sondern somit auch das Gespräch auf dem Platz unter den Fans und damit letztlich in der Gesellschaft anzuregen. Die Becher werden im Verein ja nicht nur bei Mädchen- und Frauenspielen verwendet, sondern auch bei den Männer- und Jungenspielen und so kann das Gespräch genau entstehen, wo es am wichtigsten ist: an der Basis. Vereine können sich gerne an uns wenden, wenn Bedarf besteht. Ganz nebenbei trägt der Verein so auch zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit bei, wenn – wie bereits geschehen – so die Einweg-Plastikbecher verschwinden.

Zudem konnten wir mit Hilfe der Frauenabteilung des FC Bayern München nach den pandemiebedingten Einschränkungen bislang über 300 fußballbegeisterten Personen Zutritt zu den Spielen der Flyeralarm Frauen Bundesliga am FC Bayern Campus ermöglichen. Partnervereine wurden eingeladen und auch Verlosungen für unsere Instagram-Follower haben mitunter auch neue Fans zu den Spielen gebracht. Wir hoffen diese Aktion weiter führen zu können.

Außerdem haben wir bereits drei Themenabende für unsere Follower organisiert, bei denen interessierte Fußballerinnen wirklich interessante Informationen zu gesundheitlichen frauen- bzw. mädchenspezifischen Themen erhalten haben. Weitere Abende sind in Planung.

"Frauen kommt es nicht darauf an, 'wie die Männer' zu sein"

Typische gesellschaftliche Klischees lauten nach wie vor „Frauen und Fußball passen nicht zusammen“ oder „Frauen, die Fußball spielen, sind Mannsweiber“. Wie kann man derlei Negativbewertungen und Vorurteile ihrer Meinung nach aus den Köpfen bekommen?

Svenja Grundl: Dieses Klischee ist leider immer noch der größte Gegner des Frauenfußballs. In anderen Sportarten gibt es diese rein geschlechterbezogene Unterscheidung nicht bzw. nicht so extrem. Der Grund ist, dass die Sportart Nummer in Deutschland als originär männlich angesehen wird. Vergleichbar vielleicht mit dem Tanzen. Fußball ist Männersache und Ballett etwas für Mädchen. Trotzdem gibt es einen Unterschied: Die nicht enden wollenden, unnötigen Vergleiche zwischen Männer- und Frauenfußball. Dies ist sicherlich einzigartig und es wird übersehen, dass es den Frauen gar nicht darauf ankommt „wie die Männer“ zu sein. Sie lieben Fußball und wollen spielen.

Wir befinden uns mitten im gender shift, der Auflösung überkommener Geschlechterrollen, und wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt die Vorurteile endgültig aus den gesellschaftlichen Denkmustern herauszunehmen? Der Fußball wird so oft als Spiegel der Gesellschaft bemüht – dann ist es Zeit, dass die Gleichstellung auch hier ankommt. Dies kann nur dadurch erreicht werden, dass Frauenfußball selbstverständlich und allgegenwärtig ist. Er muss in der Gesellschaft ankommen und nicht mehr als etwas Besonderes wahrgenommen werden. Dazu möchten wir unseren Beitrag leisten. Beispielsweise legen wir Wert darauf, dass zum Beispiel auch die Jungs zu den Fußballspielen der Frauen kommen, wenn wir die Karten verlosen, und eben nicht nur die Mädchenmannschaften. Sie sehen ein tolles Spiel und gewinnen eine ganz andere Sichtweise und Haltung gegenüber dem Frauenfußball.

"Der Wert des Frauensports wird enorm steigen"

Thema Profifußball: Während Männer in den höheren Ligen sehr bis außergewöhnlich gut verdienen, müssen sich Bundesliga-Spielerinnen teilweise mit nur 450 Euro pro Monat abgeben. Das macht den Profisport für Frauen unattraktiv, erst recht, wenn Familie(nplanung) hinzukommt. Wie lässt sich dieses Grundsatzproblem Ihrer Meinung nach lösen?

Svenja Grundl: Die equal pay-Diskussion wird ja aktuell wieder intensiv geführt. So hat jüngst selbst der Bundeskanzler die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen im Sport gefordert. Wir sehen natürlich, dass der Sport nicht reine Unterhaltung, sondern ein Wirtschaftssegment ist. Es geht ums Geld und daher gelten auch diese Spielregeln. Dessen muss man sich bewusst sein und genau da wollen wir ansetzen: What you put in, is what you get out. Es muss die Bereitschaft zur Investition in den Frauenfußball und in die Spielerinnen beim DFB, bei den großen Vereinen, bei Sponsoren und bei den Medien weiter aktiviert und ausgebaut werden. Der Wert des Frauensports wird in den kommenden Jahren enorm steigen und wir sehen in den USA und in England, dass große Banken und Unternehmen wirklich erheblich in den Frauenfußball investieren. Nur mit diesen Investitionen kann der Frauenfußball als Marke ausgebaut und lukrativ werden. Und nur so kann dem Argument, dass equal pay nicht möglich ist, da im Frauenfußball weniger Umsatz gemacht wird, mehr und mehr die Grundlage entzogen werden.

Hohe Einschaltquoten und Zuschauerzahlen sind somit der Ausgangspunkt für die Wertsteigerung des deutschen Frauenfußballs. An dieser Stelle muss gearbeitet werden und da müssen wir ran – denn der Frauenfußball ist reif für Investition und Vermarktung.

Auch hier sollte aber darauf geachtet werden, dass man nicht einfach den Männerfußball kopiert. Frauenfußball ist ein Familienevent, Frauenfußballfans sind zum Beispiel sehr loyal den Sponsoren gegenüber und viel aktiver in den sozialen Medien. Hierzu gibt es bereits sehr interessante Studien und Erhebungen. All dies muss zu denjenigen Stellen transportiert werden, die den Einfluss und das Kapital haben. Unser Motto lautet hier: Promoting the same game while championing the differences.

"Nicht am Männerfußball messen"

Was wünschen Sie sich von der Öffentlichkeit, um Frauenfußball einen angemessenen Stellenwert zu geben?

Svenja Grundl: Wir wünschen uns ganz einfach, dass der Vergleich zwischen Frauen- und Männerfußball aufhört. Dass der Frauenfußball – wie in anderen Sportarten auch – einfach als toller Sport wahrgenommen wird und eben nicht ständig am Männerfußball gemessen wird. Wenn das erreicht ist, dann ist viel gewonnen.

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