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Fachkräftemangel verschärft sich

IHK sieht im sich zuspitzenden Engpass das größte Problem der bayerischen Wirtschaft

Peter Driessen: "Die Politik muss diesem Trend aktiv entgegensteuern." (Bild: süm)

Zu wenig Frauen in technischen Berufen, zu wenig beruflich Qualifizierte und zu wenig Zuwanderung von Fachpersonal - die Bilanz des aktuellen "IHK-Fachkräftemonitors" ist aufrüttelnd. Die Industrie- und Handelskammer in Bayern (BIHK) stellte die jährlichen Zahlen zum Fachkräftemangel in der Region vor. Dabei sind besonders Meister und Fachwirte, im Gegensatz zu  Akademikern, händeringend gesucht. "Viele Branchen leiden darunter, dass die Nachwuchskräfte an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts vorbei ein Studium und akademische Abschlüsse anstreben", erklärt BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen.

Stark betroffene Berufsgruppen

Am stärksten betroffen sind die Büro- und Industriekaufleute. Über 44.000 Fachkräfte fehlen hier, gefolgt von 23.000 mit einer Ausbildung in Maschinen- und Betriebstechnik. "Die Berufsausbildung darf deswegen niemals zum Auslaufmodell werden, sondern muss als unverzichtbare Säule für die künftige Fachkräftesicherung modernisiert werden", sagt Driessen. Bei den Akademikern sind die Betriebs- und Volkswirte mit rund 15.000 fehlenden Fachkräften am stärksten betroffen.

Gerade in Oberbayern werden gut ausgebildete Fachkräfte immer mehr zur Mangelware, obwohl sich allein in der Region München 65 Prozent des Fachkräfteangebots befindet. In diesem Jahr fehlen zugleich noch 60.000 Fachkräfte, aber in 13 Jahren sind es schon 105.000 nur in München.

Hohe wirtschaftliche Verluste

Insgesamt führt die Differenz von Angebot und Nachfrage an Fachkräften zu einem wirtschaftlichen Verlust von 17 Milliarden Euro im Freistaat. Dieser Engpass entsteht vor allem dadurch, dass viele Firmen inzwischen Aufträge nicht mehr annehmen können oder verschieben müssen. Die wirtschaftlichen Einbußen sind groß und die Betriebe sind durch den Mangel an Personalkapazitäten besorgt. Rund die Hälfte aller Betriebe gab die Personalengpässe als Risiko für ihr Geschäft an. So viele waren es laut BIHK noch nie. Das zeigt sich auch an den unbesetzten Fachkräftestellen. Hier werden bis Ende diesen Jahres fünf Prozent aller Arbeitsplätze im Freistaat unbesetzt bleiben. Driessen bewertet den  Fachkräftemangel aktuell als "das größte Problem der bayerischen Wirtschaft".

Zu wenig beschäftigte Frauen

Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist heuer insgesamt gestiegen, liegt aber mit 69 zu 78 Prozent trotzdem deutlich unter der der Männer. 55 Prozent der Frauen arbeiten zudem in Teilzeitstellen. Die Zahlen sprechen für sich. Immer noch sind Frauen hauptverantwortliche bei der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen. Mehr Ganztagsbetreuung, gerade zu Randzeiten vor 8Uhr und nach 17 Uhr, sind hier genauso wichtig wie die bessere Beurfsorientierung von jungen Frauen. Auch Driessen ist überzeugt: "Die Wirtschaft braucht ganz klar mehr Frauen als Fach- und Führungskräfte."

Ausländische Fachkräfte anwerben

Seit 2009 gibt es in der EU die sogenannte "Blue Card". Ähnlich wie die amerikanische Green Card regelt sie die gewerbliche Aufenthaltsberechtigung für Menschen aus nichteuropäischen Ländern. Sie dient quasi der Vereinfachung der Zuwanderung von Fachkräften. Ohne kontinuierlich angeworbene Fachkräfte aus dem Ausland werden die Zahlen der fehlenden Fachkräfte in die Höhe schießen. "Die aktuell zu uns kommenden Flüchtlinge können unser Fachkräfteproblem kurz- und mittelfristig nicht lösen", sagt Driessen. Von diesen würde aktuell nur ein kleiner Teil als Fachkräfte in Frage kommen.

Das hat auch mit der hohen Zahl an minderjährigen Flüchtlingen zutun, die allerdings mit der Möglichkeit einer Ausbildung einen großen Mehrwert für die deutsche Wirtschaft leisten können. Zentral sind dabei aber außreichend Deutschkenntnisse. Deswegen sei laut Driessen besonders das Anwerben von berufserfahrenen, älteren Fachkräften aus dem Ausland notwendig.

Demographischer Wandel

Der Rücklauf der Fachkräfte begründet sich laut BIHK auch durch die Alterung der deutschen Gesellschaft. Bis 2030 schrumpfen sogar die Kapazitäten von Fachpersonal, trotz berücksichtigter Einwanderung, um 20 Prozent und das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt von 43,3 auf 46,9 Jahre.

Notwendige Gegenmaßnahmen

Die BIHK empfiehlt, bereits im Kindergartenalter mit Bildungsmaßnahmen zu beginnen, um spätere Schulabbrüche (7.000 jährlich) zu vermeiden. "Wir wollen die Potenziale jedes Einzelnen langfristig und besser fördern", erklärt BIHK-Chef Driessen. Dabei setze man auf ein verpflichtendes Vorschuljahr, einem Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, der Förderung von digitaler Kompetenz und einer besseren Berufsorientierung an Schulen. Die älteren Erwerbstätigen hingegen, so die BIHK, sollten stetige Weiterbildungsmaßnahmen wahrnehmen.

Der IHK-Fachkräftemonitor misst seit 2011 gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut "WifOR", wie sich der jährliche Angebot und Nachfrage-Trend entwickelt und welche Berufe in welchen Regionen Bayerns gefragt sind. Zusätzlich trifft er Aussagen zur Entwicklung des Durchschnittsalters in den einzelnen Berufsgruppen. Der Fachkräftemonitor ist kostenlos und frei über die Website www.ihk-fachkraeftemonitor-bayern.de im Internet abrufbar.


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