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"Es muss eine Berufung sein"

Stephanie Heintzeler ist Hebamme aus Leidenschaft

Am 5. Mai ist der Internationale Hebammentag, der seit 1991 in mittlerweile mehr als 50 Ländern begangen wird. Dieses Jahr steht er in Deutschland unter dem Motto: "Hebammen wissen Bescheid". Damit verweist der Deutsche Hebammenverband auf die Unverzichtbarkeit der rund 18.000 Hebammen im Land. Auf internationaler Ebene lautet die aktuelle Forderung, dass jeder Frau vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit eine Hebamme zur Seite gestellt werden muss. Die Hebamme betreut die Frau dann nicht nur während Schwangerschaft und Geburt, sondern kümmert sich auch um die Gesundheit von Mutter und Kind, begleitet die Eltern in ihrer neuen Lebenssituation und fördert das Zusammenwachsen als Familie. Damit leistet sie einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zur Frauen- und Familiengesundheit.

Beruf ist in Gefahr

Leider ist der Beruf aufgrund von geringem Stundenlohn und hohen Versicherungsbeiträgen, die die meist freiberuflichen Hebammen selbst leisten müssen, stark gefährdet. “Gelingt es nicht, die Versorgung mit Hebammenhilfe auf eine solide gesetzliche Grundlage zu stellen und angemessen zu vergüten, werden viele Hebammen den Beruf aufgeben. Das wäre ein großer Verlust für das deutsche Gesundheitssystem“, so Martina Klenk, die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands. "Es ist hart", meint auch Stephanie Heintzeler, freiberufliche Hebamme in der Frauenklinik München West. "Viele hören auf, und jede zweite Mutter findet keine Wochenbetthebamme mehr".

"Es ist ein Spitzenberuf, es erfüllt und es ist toll mit den Eltern zu arbeiten, aber es muss eine Berufung sein", so Heintzeler. Sie selbst entdeckte schon mit 13 Jahren ihre Begeisterung dafür. Seit Dezember 2010 ist sie im Kreißsaal der Frauenklinik München West als freiberufliche Hebamme tätig und arbeitet auch mit Akupunktur und Aku-Taping. Sie sieht die Hebamme als wichtige Vertrauensperson des Paares und hält es für wichtig, dass die Hebamme die Mutter von Anfang an begleiten und kennenlernen kann. Sie trägt eine große Verantwortung, da sie die Eltern bei einem der prägendsten Momente ihres Lebens begleitet. "Meine Eltern reden heute noch von meiner Hebamme", erzählt sie. Vor allem die ersten Worte, die eine Hebamme nach der Geburt eines Kindes sagt, bleiben oft bei den Eltern hängen.

Weniger ist mehr

Eine alte Weisheit aus der Geburtshilfe lautet: "Der beste Platz für die Hände des Geburtshelfers sind seine eigenen Hosentaschen". Je weniger in den natürlichen Prozess eingegriffen wird, desto besser ist es. Der Körper ist konzipiert zu gebären und die Hebamme sollte Ratschläge geben, Mut zusprechen und nur eingreifen, wenn etwas schief geht. Doch heutzutage ist das Problem, dass sich viele Frauen nicht mehr trauen und zu früh aufgeben. Selbstverständlich ist es ein großer Vorteil, dass man den Geburtsvorgang mit der heutigen Technik zur Sicherheit kontrollieren kann, aber immer mehr Frauen entscheiden sich aus Angst vor Schmerzen für einen Kaiserschnitt oder andere medizinische Maßnahmen. Die Natürlichkeit und das Vertrauen in die Natur gehen mit der Zeit verloren.

Inzwischen kommen etwa 30 Prozent der Kinder mit Kaiserschnitt zur Welt, obwohl es nur in zehn Prozent der Fälle medizinisch notwendig ist. Da Neugeborene über ein großes Potential an Selbstheilungskräften verfügen, zeigen nicht alle Kinder Beschwerden nach einem Kaiserschnitt. Doch die unnatürliche Form der Geburt kann auch schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Dem Kind fehlt der normale Übergang, und das kann sowohl zu physischen Problemen wie dem Atemnotsyndrom "Nasse Lunge" oder einer schlechten Immunabwehr, als auch zu psychischen Problemen im weiteren Leben führen. Bei der Mutter werden die normalen hormonellen Vorgänge, die während einer Geburt ablaufen sollten, gestört und es kann zu Wochenbettdepressionen und Stillproblemen kommen. Es wird befürchtet, dass es ohne ausreichende Versorgung mit Hebammenhilfe zu einer weiteren Pathologisierung der Geburt kommen wird, mit einem erneuten Anstieg von Kaiserschnitten und Interventionen, die ausschließlich dem Personalmangel geschuldet sind.

"Näher am Menschen geht's gar nicht"

"Das Urvertrauen aus der Mutter herausholen. Das ist die Aufgabe der Hebamme", erklärt Heintzeler. "Die schönsten Geburten sind die, bei denen die Mutter selbst aktiv gebärt". Einmal betreute sie eine in den Wehen liegende Frau aus Afrika. Dort gilt es in manchen Stämmen als Ideal, das Kind alleine ohne fremde Hilfe zur Welt zu bringen. Als sie wenige Minuten später nach der werdenden Mutter schauen wollte, lag diese auf dem Boden und hatte schon ohne Hilfe zu rufen völlig selbstständig ihr Kind auf die Welt gebracht.

Bei einer anderen Geburt kam es fast zum Kaiserschnitt, weil das Baby sehr unruhig und gestresst war, was an den schlechten Herztönen abzulesen war. Doch vorher bat die Mutter alle Anwesenden, sie allein zu lassen. Als Stephanie Heintzeler nach etwa zwanzig Minuten wieder in den Raum kam, waren die Herztöne des Kindes im Bauch wieder völlig normal. Die Mutter erzählte, sie habe ihrem Kind gut zugeredet und ihm gesagt, dass es keine Angst zu haben brauche, dass sich alle freuen und es ruhig rauskommen könne, weil es auf der Welt eigentlich doch ganz schön sei.

Als bei einer Geburt noch der Vater fehlte, der von einer Geschäftsreise aus London zurückkommen sollte, ging lange Zeit nichts vorwärts und das Kind wollte nicht heraus, egal wie sehr sich die Mutter auch anstrengte. Sobald der Vater dann durch die Tür getreten war, bewegte sich plötzlich wieder etwas und zehn Minuten später war das Kind geboren. An diesen und vielen ähnlichen Situationen sieht man, wie wichtig auch die psychische Komponente bei der Geburt ist. "Näher am Menschen geht's gar nicht und es macht Spaß", stellt Stephanie Heintzeler fest.


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