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"Es ist der Verbraucher, der am längeren Hebel sitzt"

Internet-Riesen verzerren den Wettbewerb. Was sagen unsere Abgeordneten dazu?

MdB Hans-Peter Uhl (CSU). (Bild: pi)

Die Münchner Wochenanzeiger unterstützen den stationären Einzelhandel vor Ort. Diese lokalen Unternehmen tragen durch ihre Steuern zum Gemeinwohl bei, sie bilden die dringend benötigten Fachkräfte aus, sie schaffen wohnortnahe Arbeitsplätze.

Internetgiganten wie Zalando und Amazon machen dem stationären Einzelhandel das Überleben schwer, weil sie Kaufkraft vor Ort abschöpfen. Zugleich profitieren sie vom Geld der Steuerzahler (Zalando ist laut Frontal 21 der größte Subventionsempfänger im deutschen Einzelhandel und kassierte 35 Millionen Euro) bzw. tragen nichts zum Gemeinwohl bei (Amazon umgeht Steuerzahlungen durch Gewinnverlagerungen ins Ausland, sprich Steueroasen).

Wir fragten unsere Bundes- und Landtagsabgeordneten:

- Wie bewerten Sie die Wettbewerbsverzerrung durch Amazon / Zalando u.a.?

- Welche politische Lösungen gibt es für den stationären Einzelhandel vor Ort?

"Der Verbraucher muss entscheiden!"

MdB Hans-Peter Uhl (CSU), Wahlkreisabgeordneter München West / Mitte:

Ich begrüße sehr, dass die Münchner Wochenanzeiger den Einzelhandel vor Ort unterstützen. Unsere Gesellschaft lebt in besonderem Maße von unternehmerisch denkenden und handelnden Menschen. Unsere Stadtviertel brauchen Läden, in denen mit Inhabern und Verkäufern gesprochen werden kann. Dies ist auch für die Begegnung der Bürger untereinander von großer Bedeutung.

Die zunehmende Verdrängung des Einzelhandels durch Internetanbieter macht mir große Sorgen, wenn ich auch einsehe, dass Menschen in verschiedenen Lebensphasen sehr wohl auf diese Angebote angewiesen sind.

Die Politik kann eine übermäßige Verschiebung in Richtung Internethandel jedoch nicht lösen. Jeder Verbraucher muss durch sein Einkaufverhalten selbst entscheiden, wie wichtig ihm ein lebendiges, kommunikatives Warenangebot vor Ort ist. Ich hoffe, dass die Aktion der Münchner Wochenanzeiger dieses Bewusstsein stärkt.

"Die Geschäftsräume im Netz erweitern"

MdB Julia Obermeier (CSU), Aubing:

Egal ob Kleidung, Elektrogeräte oder Bücher – jenseits der Ladenöffnungszeiten kauft fast jeder gerne mal online von zu Hause aus ein. Dementsprechend stark wächst der Markt für Online-Handel in Deutschland. Diesen Trend sollte sich der stationäre Einzelhandel nicht entgehen lassen, sondern Möglichkeiten finden, auch online für seine Stammkunden präsent zu sein. Ein Weg könnte zum Beispiel eine "Münchner-Einkaufsmeile im Netz" sein. Auf die Idee bin ich während einer Sitzungswoche in Berlin gekommen. Denn Zeit für einen Einkaufsbummel durch meine Münchner Lieblingsläden habe ich selten. Es wäre schön, wenn ich online von unterwegs aus sehen könnte, wann mein Lieblingsschuhladen die neue Frühjahrskollektion bekommen hat. Mit einem Klick wären die schönsten Modelle in meiner Größe reserviert und mein Einkaufsbummel am Samstag erfolgreich. Warum also schließen sich unsere Münchner Einzelhändler nicht zusammen und erweitern ihre Geschäftsräume durch eine "Münchner-Einkaufsmeile im Netz"?

"Think global, buy local"

MdB Florian Hahn (CSU), Wahlkreisabgeordneter München Land:

"Think global, buy local" ist meine Devise. Das spiegelt sich bei uns zuhause im Einkaufsverhalten wieder. Wir kaufen auch online ein, aber wir schätzen es, gerade regionale Produkte beim Bäcker, Metzger oder dem kleinen Laden nebenan zu kaufen – einen kurz Tratsch mit der freundlichen Fachverkäuferin gibt es noch dazu. Für mich ist es wichtig, meinen persönlichen Ansprechpartner zu haben, mit ihm vielleicht im gleichen Verein zu sein und in privater Atmosphäre Tipps einholen zu können. Das kann für mich der Onlinehandel in keiner Weise ersetzen. Doch schon heute kaufen 45 Prozent der europäischen Verbraucher im Internet ein. Ein Patentrezept, diesem Trend entgegenzuwirken, gibt es nicht. Einheitliches werbliches Auftreten, attraktive Ortskerne sowie die Verbesserung der Aufenthaltsqualität, gute verkehrliche Anbindung und ausreichend Parkmöglichkeiten sind Faktoren, die eine Entscheidung für "offline shoppen", also das Einkaufen vor der Haustür, leichter machen. Im Landkreis München haben viele Gemeinden mit der Belebung ihrer Ortskerne vorbildlich reagiert, unser Landrat setzt sich zudem für gemeindeübergreifende Verkehrsverbindungen im öffentlichen Nahverkehr ein und auch die Gewerbeverbände leisten hervorragende Arbeit.

"Die Freude ist viel größer"

MdB Claudia Tausend (SPD), Vorsitzende der SPD München:

Nach Möglichkeit kaufe ich in den Läden und Geschäften bei mir ums Eck ein. Für mich ist das ein ganz anderes Einkaufserlebnis. Hier kann ich die Ware selbst in Händen halten, mir die Qualität direkt näher anschauen und verschiedenes durchprobieren. Da ist die Freude über ein neues Kleidungsstück oder ein Buch, das ich beim Stöbern entdeckt habe, gleich viel größer. Ich schätze die persönliche Beratung und finde Schaufensterbummel ist einfach etwas Schönes. Aber auch die Einkäufe im Alltag erledige ich vor Ort. Für mich sind der lokale Einzelhandel und ein vielfältiges Angebot vor Ort das Rückgrat für lebendige Innenstädte. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass Sigmar Gabriel das Thema in der "Dialogplattform Einzelhandel" anpackt. Hier werden praxisnahe Lösungsansätze für den Strukturwandel und Strategien für lebendige Innenstädte gesucht.

"Steuerschlupflöcher schließen!"

MdB Doris Wagner (Bündnis 90 / Die Grünen), München Nord:

Die kleinen und mittelständischen Einzelhändler in München zu unterstützen, halte ich für eine äußerst wichtige Initiative. Die Bedeutung des örtlichen Einzelhandels für Wirtschaft und Gesellschaft sollten wir noch stärker schätzen: als Arbeitgeber dauerhafter und ordentlich bezahlter Arbeit, als Ausbilder hochqualifizierter FacharbeiterInnen, als Sicherer wohnortnaher und hochwertiger Versorgung und als nachhaltiger Akteur der Wirtschaft und Gesellschaft. Diesen gesellschaftlichen Beitrag des Münchner Einzelhandels können alle Bürgerinnen und Bürger honorieren: durch den alltäglichen Einkauf vor Ort statt im Internet.

Die Aufgabe der Politik sehe ich darin, Steuerschlupflöcher zu schließen statt einseitig Internetgiganten zu unterstützen, z.B. durch Ansiedlungsprämien. Gerade im Bereich der Verbraucherbildung und des Verbraucherschutzes sehe ich weitere Handlungsfelder, in denen wir die Vorzüge des örtlichen Einzelhandels noch stärker herausstellen und unterstützen sollten.

"Die Regierung lässt die Kleinen im Stich"

MdB Anton Hofreiter (Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen), München Land:

Lokal Einkaufen, am besten zu Fuß oder mit dem Rad, das ist Lebensqualität. Doch so einfach ist es oft nicht, auch Einkaufen übers Internet hat manchmal Vorzüge. Der Gegensatz besteht eher zwischen großen und kleinen Unternehmen. Es kann beides nebeneinander geben, den lokalen Einzelhandel und den Online-Handel. Zum Beispiel den örtlichen Fachhändler, der zusätzlich zu seinem Ladengeschäft erfolgreich über das Internet verkauft. Andererseits haben wir auch Konzerne in den Einkaufszentren und in den Gewerbegebieten auf der grünen Wiese. Hier spielt das Internet keine Rolle und trotzdem machen gerade diese den kleinen Einzelhändlern das Leben schwer. Die Regierung öffnet oft den Großen die Tür und lässt die Kleinen im Stich. Hier muss man politisch ansetzen und mit gerechter Gewerbe- und Steuerpolitik für fairen Wettbewerb sorgen. Alle Unternehmen müssen ihrer Stärke nach einen angemessenen Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten. Die Geschäfte in der Stadt haben eine besondere Chance: Ein freundliches 'Grüß Gott' bekommt man im Internet nicht.

"Gefährliche Monopolstrukturen entstehen"

MdB Dieter Janecek (Bündnis 90 / Die Grünen):

Der Online-Handel wird weiter wachsen. Man kann das gut oder schlecht finden, verhindern kann man diese Entwicklung nicht. Worauf wir aber politisch achten müssen: Entstehen in der Online-Welt gefährliche Monopolstrukturen? Gegen Google eröffnet die EU-Kommission gerade ein Verfahren. Auch bei Amazon müssen wir genau hinsehen, was die Machtstellung, aber auch den Umgang mit Mitarbeitern betrifft. Der Mindestlohn zieht jetzt zumindest eine gewisse Schutzgrenze gegen Dumping-Löhne ein. Was die Zukunft des stationären Handels betrifft, sage ich als Grüner: Der Handel profitiert von attraktiven Vierteln – und umgekehrt. Mehr Grün, eine höhere Aufenthaltsqualität, Fußgängerfreundlichkeit, gute Erreichbarkeit für alle, nicht nur für den Autoverkehr, das hilft auch dem Einzelhandel. Gesichtslose Gewerbegebiete am Stadtrand setzen dem lokalen Handel mindestens so stark zu wie der Online-Handel.

"Die Subventionen lasse ich gerade prüfen"

MdB Wolfgang Stefinger (CSU), Wahlkreisabgeordneter München Ost:

Online-Anbieter erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, weil sich Verbraucher möglichst einfach und schnell über Produkte informieren möchten und oft die Zeit fehlt, sich vor Ort im Geschäft zu erkundigen. Auch der Preis spielt eine Rolle. Ein Radlgeschäft aus meinem Wahlkreis berichtet mir, dass es inzwischen weit mehr als 50 % des Umsatzes online erzielt. Ich denke, der Trend zum Online-Shopping ist nicht aufzuhalten und es gibt bereits Plattformen für den Einzelhandel, die es ermöglichen das gewünschte Produkt online zu finden, zu reservieren, direkt zu bezahlen und im Geschäft in der Nachbarschaft abzuholen. Verknüpft der Einzelhandel solche Online-Angebote mit seiner fachkundigen Beratung und seinem Serviceangebot wird er profitieren. Die Politik kann durch städtebauliche Veränderungen Stadtteilzentren mit Läden attraktiver machen. Am Ende entscheidet jedoch immer der Verbraucher. Die angesprochenen Subventionen für große Internetversandhändler lasse ich gerade vom zuständigen Bundesministerium prüfen.

"Gleiche Chancen einräumen"

MdB Johannes Singhammer (CSU), Wahlkreisabgeordneter München Nord, Vizepräsident des Deutschen Bundestages:

Den stationären Einzelhandel vor Ort in unseren Stadtbezirken halte ich für unverzichtbar. Lebensqualität, Einkaufen in der Nachbarschaft, Fachberatung sowie ortsnahe Wertschöpfung braucht jede Stadt und jeder Stadtteil, auch in einer Großstadt wie München.

Ein schnell wachsender Internethandel ist aber ebenso Realität wie ein verändertes Verbraucherverhalten. Was wir nicht brauchen sind Wettbewerbsverzerrungen, sondern dem Einzelhandel müssen die gleichen Chancen und Möglichkeiten eingeräumt werden wie Amazon oder Zalando. Die große Koalition will mit Unternehmen und Verbänden, den Kommunen und Gewerkschaften die Dialogplattform Einzelhandel ins Leben rufen, um neue Perspektiven für den Einzelhandel aufzuzeigen sowohl um die Verödung unserer Innenstädte zu verhindern als auch um die Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten.

"Alle müssen Rechte einhalten"

MdL Diana Stachowitz (SPD):

Gerade durch die Vielzahl der Einkaufsangebote im Netz wächst bei den Verbrauchern der Wunsch nach persönlicher Beratung. Diese Kundennähe ist der uneinholbare Vorteil des Einzelhandels vor Ort, und das wird immer so bleiben. Gleichzeitig bietet das digitale "Shoppen" aber auch Vorteile. Die können sich die Händler zu nutze machen, z.B., indem sie Showroom und Beratung "zum Anfassen" mit der Möglichkeit kombinieren, online unbegrenzt zu bestellen. Ein Beispiel, wie das geht, gibt es übrigens im Mona in Moosach. Hier kann man Waren anschauen und ausprobieren und dann gleich vor Ort oder daheim bequem bestellen.

Für die Internet-Unternehmen gilt: Auch sie müssen Arbeitnehmer- und Wettbewerbsrechte einhalten. Gegen die Steuerschlupflöcher geht die EU übrigens gerade massiv vor, z.B.  durch einen automatischen Informationsaustausch unter den Mitgliedsländern.  Und das ist gut so, denn nur, wenn europaweit die gleichen Regeln gelten, müssen sich auch digitale "Riesen" wie Amazon, Zalando & Co. beugen - das wird die Konkurrenzsituation verändern, zum Vorteil der Verbraucher.

"Stationär hat Zukunft"

MdL Otmar Bernhard (CSU), Stimmkreisabgeordneter Pasing:

Internethandel ist ein neues Geschäftsmodell, das von den Bürgern zunehmend in Anspruch genommen wird. Für 2015 erwartet man für den Einzelhandel Zuwachsraten von 1,5%, für den Online-Handel 12%. Viele Einzelhändler haben deshalb reagiert und bieten ihre Waren auch online an. Unternehmen sollten ihre Steuern dort zahlen, wo sie Kaufkraft schöpfen, was bei großen Internethändlern nicht gegeben ist. Der stationäre Einzelhandel muss durch Kundenfreundlichkeit, gute Beratung und ein attraktives Angebot überzeugen. Dass dies Zukunft hat, zeigt der Umstand, dass Online-Händler jetzt auch Einzelhandelsgeschäfte eröffnen, weil dies dem Bedürfnis vieler Kunden entspricht.

"Den Herausforderungen stellen!"

MdL Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU), Stimmkreisabgeordnete München Land:

Dass Konzerne wie Amazon hierzulande Umsätze machen und im Ausland versteuern, ist ein europäisches Problem, das sich meinem Einfluss als Landtagsabgeordnete entzieht. Hier ist die EU gefordert. Doch auch vor Ort lässt sich was tun: Damit lokale Geschäfte nicht aussterben, müssen alle zusammenwirken: Politik, Händler und Verbraucher. Der Einzelhandel vor Ort hat wichtige gesellschaftliche Funktionen. Die Betriebe beleben die Innenstädte, sind Gewerbesteuerzahler und schaffen Arbeitsplätze. Hier müssen Lokalpolitiker die notwendige Infrastruktur schaffen, damit Städte mit einer Mischung aus Kultur, Gastronomie und Handel ein angenehmes Einkaufsklima bieten können. Aber: Die Politik allein kann den Strukturwandel nicht steuern. Wettbewerb ist ein Prozess, der Kreativität und Innovationskraft hervorbringt. Der Handel muss sich den Herausforderungen durch das Internet mit guter Beratung und Service stellen. Letztlich ist der Kunde gefragt. Wer Wert auf Beratung, Qualität und regionale Produkte legt, kann sich für das Geschäft vor Ort entscheiden.

"Der Verbraucher entscheidet"

MdL Bernhard Seidenath (CSU), Stimmkreisabgeordneter Dachau:

Online-Shopping-Portale sind in der Tat eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Einzelhändler vor Ort. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft – das Online-Shopping gehört hier dazu. Gerade Menschen, für die der Einzelhändler vor Ort so wichtig ist, können auch vom Online-Einkauf profitieren, etwa in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen. Trotzdem brauchen wir weiterhin die Einzelhändler vor Ort, weil sie Dinge können, die der Online-Handel nicht kann: die Kunden individuell beraten etwa, oder sie die Ware in die Hand nehmen, befühlen oder auch anprobieren lassen. Diese Stärken sollten die Einzelhändler vor Ort künftig noch deutlicher betonen. Die Politik vor Ort kann sie dabei durch eine attraktive Gestaltung der Umgebung oder auch ein ausreichendes Parkplatzangebot unterstützen. Zudem müssen die Händler selbst mit der Zeit gehen, etwa indem sie ihrerseits online gehen und so online-affine Kunden zurückgewinnen. Letztlich ist es der Verbraucher, der am längeren Hebel sitzt: denn je mehr beim lokalen Händler eingekauft wird, desto sicherer ist sein Überleben. Dies muss allen klar sein: wenn wir wollen, dass unsere Geschäfte vor Ort bleiben, müssen wir auch in ihnen einkaufen.

"Existentielles Bürgerrecht"

MdL Joachim Unterländer (CSU), Stimmkreisabgeordneter Moosach:

Lokal, das heißt in der Wohnumgebung einkaufen, ist gerade für ältere Menschen, Mitbürger mit Behinderung, für Familien mit kleinen Kindern und pflegenden Angehörigen von nahezu existenzieller Bedeutung. Dass wir auch in einer Großstadt wie München schon Probleme haben, dieses „Recht des Bürgers“ leben zu können, ist eine geradezu bedrohliche Entwicklung. Wer ist schuld daran? Die großen Ketten, die mit Billigangeboten den Markt zupflastern, unser Verbraucherverhalten, weil wir uns Qualität nicht leisten wollen (oder können) und der Internethandel sind Ursachen dafür. Ich unterhalte mich übrigens lieber mit Mitarbeitern in den Geschäften und Mitkunden als mit meinem iPad. Auch wenn Politik diese Entwicklung nur begrenzt beeinflussen kann, so ist für mich die Erfüllung von drei Aufgaben besonders wichtig:

1. Stützung der kleinen und mittleren Geschäfte vor Ort durch eine entsprechende Netzwerkbildung;

2. Bau- und planungsrechtliche Schranken für die Errichtung neuer Märkte auf der grünen Wiese;

3. Konzept der Stadt, dass in jedem Wohnquartier ausreichend Lebensmittelversorger vorhanden sind (erreichbar auf dem Verhandlungswege).

"Erspare mir nerviges Zurücksenden"

MdL Andreas Lotte (SPD):

Wie alles hat auch das Internet mindestens zwei Seiten: globaler Informationsmarkt und unentbehrliche Wissensbörse einerseits, pseudosoziale Vereinsamung und reizüberflutende Desinformation auf der anderen Seite. Das gleiche gilt für den Handel im Internet. Wer stets nur im weltweiten Netz seinen Einkaufszettel abarbeitet, der verliert die sinnliche Qualität des Einkaufs. Die Erfahrung des persönlichen Austauschs – und sei es nur ein Schwätzchen mit dem Verkäufer.

Ich kaufe gern bei den Händlern vor Ort ein. Dort genieße ich ein Einkaufserlebnis, die fachlich kompetente Beratung, das Prüfen der Ware und erspare mir dadurch Umtausch und nerviges Zurücksenden. Und jedem Händler rate ich auf genau das zu setzen: auf fachkundiges und freundliches Verkaufspersonal. Wer der Internetkonkurrenz hinterherläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er auch seine Kunden nur von hinten sieht.

"Mit Infrastruktur unterstützen"

MdL Mechthilde Wittmann (CSU):

Auch der Einzelhandel erfährt durch die zunehmende Digitalisierung einen Strukturwandel: für das laufende Jahr erwartet man im Online-Handel ein Umsatzplus von 12%, für den stationären Einzelhandel lediglich 1,5%. Viele Händler vor Ort bieten daher ihre Waren längst auch im Internet an. Und grundsätzlich gilt: Steuern werden dort bezahlt, wo die Waren umgesetzt werden. Das Online-Shopping ist sicherlich auch eine Reaktion auf die sehr schnelllebige Zeit und die Flexibilisierung in Arbeitszeit und -ort. Aber mit fachkundiger Beratung, kundenfreundlichem Service und einem breitgefächerten Sortiment können stationäre Einzelhändler bei den Käufern punkten.

Das hat auch mancher Internet-Händler erkannt und mittlerweile Ladengeschäfte eröffnet. Wir Politiker müssen den stationären Einzelhandel vor Ort mit einer guten Erreichbarkeit und Infrastruktur unterstützen. Und wir Bürger sollten eben nicht nur am PC sondern einfach gerne dort einkaufen, wo die Einzelhändler vor Ort uns mit ihrem persönlichen Service und ihrer Orts- und Fachkenntnis zum freundlichen Nachbarn geworden sind.

"Den Mittelstand stärken"

MdL Ute Eiling-Hütig (CSU), Stimmkreisabgeordnete Starnberg:

Der Onlinehandel hat das Einkaufsverhalten von uns allen fundamental verändert. Diese Entwicklung lässt sich auch nicht mehr aufhalten. Ich bin aber sicher, dass auch in Zukunft die Kunden die vielen Vorteile des Einzelhandels nutzen werden: Das Einkaufserlebnis in einem realen Geschäft, persönliche Beratung, Nähe zum Kunden und vieles mehr. Gleichzeitig müssen sich aber auch die Einzelhändler mit der Frage beschäftigen, in welcher Form es für sie sinnvoll ist, ihre Produkte auch über das Internet anzubieten. Das Internet wird aber auch in Zukunft weder das reale Einkaufserlebnis noch ein anderes reales Erlebnis ersetzen können.

Die CSU setzt sich seit langem wie keine andere Partei für die Stärkung des Mittelstands ein. Auch deshalb haben wir einen so vielfältigen und leistungsstarken Einzelhandel. Aktuell kämpfen wir dafür, die Übergabe von Betrieben nicht durch eine hohe Erbschaftssteuer zu gefährden oder gar vollkommen unattraktiv zu machen. Die zu Jahresbeginn von Bundesarbeitsministerin Nahles von der SPD eingeführten Dokumentationspflichten beim Mindestlohn bedeuten gerade für kleinere und mittlere Unternehmen zusätzliche Bürokratie. Die dadurch entstehenden Kosten sind  für sie ein Wettbewerbsnachteil gegenüber großen Unternehmen.

"Wir brauchen einen Bewusstseinswandel"

MdL Natascha Kohnen (SPD), Generalsekretärin der Bayern-SPD:

Meine beruflichen Wurzeln stammen aus dem Verlagswesen und ich bin auch privat ein Buchmensch. Die Wettbewerbsverzerrung allein schon auf dem Buchmarkt sehe ich daher sehr kritisch - insbesondere mit Blick auf Amazon und dem Umgang mit der Verlagswelt. Allerdings bestimmt bei der Entwicklung des Online-Handels auch die Nachfrage durch den Kunden die Situation. Wir brauchen daher generell einen Bewusstseinswandel der Menschen zu ihrer Macht als Verbraucher, um die von Ihnen genannten Wettbewerbsverzerrungen tatsächlich zu bewegen.

Die Politik kann nur gemeinsam mit den Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften Strategien für lebendige Innenstädte und somit für den Einzelhandel vor Ort entwickeln - und nicht abstrakt am Reißbrett.

Ebenso muss der Frage nachgegangen werden, ob die Digitalisierung nicht auch für den Einzelhandel genutzt werden kann. Deswegen führt derzeit das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium mit den genannten Akteuren als Partner einen Dialog durch, um anschließend praxisnahe Handlungsempfehlungen für alle Beteiligten zu entwickeln.

Zweifellos muss eine optimale Erreichbarkeit der Innenstdte auch in der Zukunft für deren Attraktivität gewährleistet werden. Die Förderung des ÖPNV spielt hier für mich eine Schlüsselrolle.

"Lokaler Jobmotor"

MdL Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler Bayern:

Der lokale Einzelhandel ist gegenüber großen Onlinehändlern derzeit klar benachteiligt. Neben dem internationalen Steuerwettbewerb, der multinationale Großunternehmen wie Amazon einseitig begünstigt, der Praxis der Vergabe von staatlichen Subventionen und Lohnkostendumping tragen aber vor allem der Strukturwandel hin zum E-Commerce / Internethandel und die damit verbundenen, geänderten Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten zu einem sich verschiebenden Wettbewerb bei.

Der lokale Handel hat nicht nur eine enorme Bedeutung als Job- und Ausbildungsmotor sondern hat oftmals auch im Service, und bei Kundenberatung und Generationenfreundlichkeit die Nase vorn. Die Kommunen können und müssen daher durch eine gezielte Wirtschaftsförderung und ein innovatives Standortmarketing ihren Einzelhandel stützen.

Eine entscheidende Rolle spielen aus meiner Sicht aber vor allem die Sensibilisierung der Konsumenten und die Innovationskraft des lokalen Einzelhandels. "Buy local"-Initiativen, die für den lokalen Handel, dessen Bedeutung, Angebot und Service werben, bieten die Chance, Kunden zurückzugewinnen und zu binden. Darüber hinaus müssen stationäre Einzelhändler aber auch den Onlinehandel als zweites Standbein und zusätzliche Chance wahrnehmen. Dieser Marktplatz und dessen Werbemöglichkeiten dürfen nicht nur den "Großen" überlassen werden!

"Die EU ist gefordert"

MdL Andreas Lorenz (CSU), Stimmkreisabgeordneter Giesing:

Zur Stärkung des Einzelhandels kann jeder einzelne Bürger beitragen, indem er die Möglichkeit nutzt, vor Ort einzukaufen. Auch ich schätze bei meinem Einkauf die fachliche und persönliche Kompetenz in den lokalen Geschäften, die zur Belebung unseres Viertels beitragen und auch Arbeitsplätze vor Ort sichern.  Aus politischer Sicht ist vor allem die EU gefordert, um den Standortvorteil zu relativieren, den sich die Online-Riesen durch Firmensitze im Ausland sichern. Hier muss für eine  gerechtere Besteuerung für alle gesorgt werden, der internationale Unterbietungswettbewerb bei Steuerdumping gestoppt werden.  Aber auch für uns Politiker vor Ort gilt es weiter an der Standortstärkung zu arbeiten, zusammen mit den Geschäften weitere Ideen zu entwickeln. Und für manche  Unternehmen bieten die Internet-Riesen auch Chancen, ihre Produkte im größeren Maße auf Online-Plattformen zu vertreiben. Diese Möglichkeiten sollte man, bei aller Kritik, positiv bewerten.

"Steuerflucht verhindern"

MdL Florian Ritter (SPD):

Die massive Subventionierung eigentlich gesunder Unternehmen sind vor allem das Ergebnis eines harten Standortwettbewerbs zwischen den Regionen. Natürlich ist das Wettbewerbsverzerrung. Aber nur zu lamentieren wird nicht helfen. Der örtliche Einzelhandel braucht Konzepte gegen die Konkurrenz auf der Grünen Wiese und aus dem Internet. Über den Bayerischen Landesentwicklungsplan kann die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsangebote gesteuert werden. Hier müssen die Interessen des  kleinen und mittleren Einzelhandels in den Ortskernen noch viel stärker berücksichtigt werden.

Wir brauchen wirksame Maßnahmen, um Steuerflucht und Verschiebung von Gewinnen durch Unternehmen verhindern zu können. Dazu gehören wirksame Sanktionen gegen sogenannte "Steuerparadiese" sowie die europäische Harmonisierung sowie Mindestsätze bei der Unternehmensbesteuerung. Mit diesen Maßnahmen kann man die Wettbewerbssituation des traditionellen Einzelhandels nachhaltig verbessern.

"Gleiche Bedingungen müssen herrschen"

MdL Florian von Brunn (SPD):

Jeder kauft gerne online. Es ist so bequem und häufig auch günstig. Gleichzeitig jammern wir alle darüber, dass immer mehr Fachgeschäfte in unserer Umgebung schließen. Natürlich gibt es da einen Zusammenhang. Ich finde, man kann es den Menschen nicht verdenken, wenn sie preisgünstig einkaufen wollen oder sogar müssen. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Im Internet wird man nicht beraten wird, es gibt Ärger mit defekten Artikeln hat und die Reklamation klappt oft nicht. Deswegen sind Fachhändler vor Ort so wichtig. Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Wenn Amazon & Co. in Deutschland nicht versteuern, ist das unanständig und darf nicht toleriert werden. Das Gleiche gilt für das Unterlaufen von Tarifverträgen und sozialen Standards. In München kommt noch ein Problem dazu: die hohen Gewerbemieten. Auch das Problem muss angegangen werden.

 

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- Der Online-Handel wächst - aber die Viertel und Gemeinden stützen sich auf den lokalen Einzelhandel. Jeder entscheidet durch sein Einkaufsverhalten, wie es weitergeht.

- Warum lieben Leser ihre Viertel und welche netten Erlebnisse freuen Kunden und Geschäftsleute?


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