"Es fehlt einfach an allem"
Unterricht mit Whatsapp & Co. ist nicht rechtssicher
Corona zeigt deutlich: Das bayerische Schulsystem ist weder technisch noch inhaltlich in der Lage, einen online-gestützten Fernunterricht anbieten zu können, so die Einschätzung der Bildungsgewerkschaft GEW Bayern.
Grundlegende Probleme in den ersten Wochen der Schulschließungen, mit denen so ziemlich jede Lehrkraft Erfahrungen machte, seien grundlegender Natur. Das beginne bereits mit der Kommunikation. Schüler stehen häufig keine geeigneten Geräte zur Verfügung, um die angebotenen Möglichkeiten des Fernunterrichts nutzen zu können. E-Mail sei kein Standard in der Kommunikation und wurde längst von Messenger-Diensten wie Whatsapp abgelöst – diese sind zwar für jeden zugänglich, aber aufgrund der Datenschutzbestimmungen im schulischen Kontext nicht praktikabel oder gar verboten.
Wer zum Beispiel WhatsApp nutzt, muss mindestens 16 Jahre alt sein. So verlangen es die Nutzungsbedingungen, die an die Datenschutzrichtlinie der EU-Kommission angepasst wurden.
"Diese Hoffnung trügt oft"
Fernunterricht läuft in der Realität meist zwischen „Arbeitsblätter per Post versenden“ und „Mails mit Anhängen verschicken“ ab - in der Hoffnung, dass den Lernenden zu Hause Drucker, Computer, ausreichend schnelles Internet und die notwendige Unterstützung innerhalb der Familie zur Verfügung stehen. Diese Hoffnung trügt sehr oft, verweist die GEW auf Studien.
Bildungsungerechtigkeit zementiere sich angesichts der unterschiedlichen technischen Ausstattungen der Haushalte. Auch die überlastete Lernplattform mebis mit ihren sperrigen Funktionen und der fehlenden, aber dringend benötigten Videokonferenz-Funktion, ringe Lehrkräften höchstens noch ein verzweifeltes Lächeln ab. Mebis täusche nicht darüber hinweg, dass es letztendlich einfach an allem fehlt: technischer Ausstattung, digitaler Infrastruktur und Know-how bei allen Beteiligten.
Notlösungen nicht gesetzeskonform
"Corona macht deutlich, woran es im bayerischen Bildungssystem fehlt – an notwendigen Endgeräten sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler und an gesetzeskonformen Software-Lösungen", sagt Martina Borgendale, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW. Eine durchdachte, aber kurzfristig realisierbare neue Digitalstrategie sei notwendig, um rechtssicher digital unterrichten zu können und gleiche Lernbedingungen zu schaffen.
Lehrkräfte und Schüler brauchen unbedingt und möglichst schnell Laptops oder noch besser 2-in-1-Tablets, mit denen sie von ihren Schulen ausgestattet werden. Geld aus dem Digitalpakt wäre vorhanden. "Anstatt nur Lerninhalte zu wiederholen, sollten in den spärlichen Präsenzzeiten in den nächsten Wochen in der Schule lieber wichtige digitale Kompetenzen erarbeitet werden, um die Lernzeiten zu Hause auch sinnvoll nutzen zu können", fordert Florian Kohl, GEW-Experte für digitale Bildung. Corona werde den Schulalltag noch lange begleiten.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH