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"Es darf niemals Schluss sein!"

Neues Infoportal zur Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur vorgestellt

Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann, Dr. Markus Gruber (Max-Mannheimer-Haus), Dr. Thomas Rink vom NS-Dokumentationszentrum (von links) stellten das Forum Erinnern vor. (Bild: BLLV)

„Es darf niemals Schluss sein mit der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Wir dürfen nicht aufhören, ihrer in den Schulen und im öffentlichen Leben zu gedenken. Sie ermahnen uns, sensibel zu sein gegenüber Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten und Andersdenkenden", bekräftigt Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband). "Wir wollen dazu beitragen, dass Erinnerungskultur lebendig bleibt und Schulen neue Ideen und Impulse für den Unterricht zu diesem Thema erhalten." Der BLLV hat daher das neue Geschichtsportals www.forum-erinnern.de initiiert. Über 60 Bildungsorganisationen machen hier ihre Bildungsangebote zum Themenfeld Nationalsozialismus, Verfolgung und Holocaust allen zugänglich. Der BLLV finanziert dieses Portal auch weitgehend finanziert. Schirmherr der bayernweiten Initiative ist Kultusminister Michael Piazolo.

"Die Erinnerung wachhalten"

"Wir wollen die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wachhalten, um für das Gift der Gewalt und der Ausgrenzung von Minderheiten zu sensibilisieren", sagte Fleischmann. "Wir erleben doch alle, dass Radikalisierung und Ausgrenzung en vogue sind. Wir erleben eine nie gekannte gesellschaftliche Ausgrenzung, eine Verrohung der Sprache, eine Zunahme von Gewalt. Einstellungen wie Rassismus werden offen zur Schau gestellt."

Einsatz im Unterricht

Auf der neuen Plattform können alle Bildungseinrichtungen in Bayern ihre Angebote zur Geschichte des Nationalsozialismus kostenlos darstellen. Sie eröffnet Lehrerinnen und Lehrern, außerschulischen Bildungseinrichtungen und einem interessierten Publikum unterschiedliche Zugangsweisen zu diesem Themenfeld. Eine integrierte Suchfunktion macht es möglich, einfach und schnell nach Themen, Formaten und Regionen zu differenzieren und so ein passendes Bildungsangebot für den Einsatz im Unterricht zu finden. Weitere Träger des Portals sind neben dem BLLV das Bayerische Bündnis für Toleranz, das NS-Dokumentationszentrum München und das Max-Mannheimer-Studienzentrum. Sie konzipierten das „Forum Erinnern“ gemeinsam und werden auch die Weiterentwicklung des Portals begleiten.

"Wir müssen darüber sprechen"

Da es kaum noch Zeitzeugen gibt, müssen neue Wege des Erinnerns gefunden werden, erklärte Kultusminister Michael Piazolo den Hintergrund des Projekts: „Die schrecklichen Verbrechen der NS-Diktatur sind Teil der deutschen Geschichte. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen sich mit diesen auseinandersetzen und wir müssen mit ihnen darüber sprechen. Das ist wichtig, da es kaum noch Zeitzeugen gibt, die persönlich in den Schulen von ihren Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus erzählen können.“

"Schweigen ist keine Antwort"

Der Sprecher des Bayerischen Bündnisses für Toleranz, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, unterstrich die Bedeutung der Erinnerungskultur für die ganze Gesellschaft: „Wenn wir uns der Opfer und des Unrechts der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern, dann hat das auch klare Konsequenzen für heute. Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens, anderer ethnischer Herkunft, anderer politischer Überzeugung oder anderer sexueller Ausrichtung ist ein Angriff auf unsere demokratische Gesellschaft und die Grundorientierungen, aus denen sie lebt. Schweigen ist keine Antwort." Es gelte, für diese demokratischen Grundorientierungen aktiv einzustehen. Die Initiative des BLLV sei ein wichtiger Beitrag dazu, dass Erinnern an vergangenes Unrecht mit dem Einsatz gegen Ausgrenzung und Unrecht heute zusammengehen. "Als Bayerisches Bündnis für Toleranz sind wir für dieses neue Informationstool sehr dankbar", so Bedford-Strohm.

"Bildung ist der Schlüssel"

"Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ist Teil unser aller Geschichte. Dem müssen wir uns stellen. Wir dürfen dieses Kapitel unserer Geschichte nicht vergessen. Erinnern bedeutet: Die Schuld akzeptieren, die Deutschland in dieser Zeit auf sich geladen hat. Die Schulen müssen die nachfolgenden Generationen, die daran keine Schuld trifft, sensibilisieren", erklärte Simone Fleischmann. Das Bildungssystem könne nicht alles leisten, "aber Bildung ist der Schlüssel, dass wir gegen Ausgrenzung, Rassismus und Verfolgung agieren können." Sie verwies auch auf die Geschichte ihres Verbandes, der 1861 als BLV gegründet worden war und der zahlreiche jüdische Mitglieder hatte. "Es waren aber auch viele Lehrer Nationalsozialisten", erinnerte sie. "Julius Streicher, einer der übelsten antisemitischen Hetzer, war in unseren Reihen. Es gab zahlreiche Mitglieder, die sich an der Ausgrenzung von Lehrern und Schülern beteiligten. Der BLV hat Schuld auf sich geladen, indem er zur Verfolgung schwieg."

Aus der Vergangenheit lernen

Dr. Thomas Rink, wissenschaftlicher Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums München, betonte, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur für unsere Sicht auf Geschichte und Gegenwart ist: "In den 1960er und 70er Jahren waren es besonders die Geschichtswerkstätten, jene vielen kleineren und größeren lokalen Initiativen, die eine Beschäftigung mit der Vergangenheit, mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust auf breiter Basis bewirkt haben. Das Forum Erinnern bietet Institutionen, Initiativen und Projekten die Möglichkeit, sich zu vernetzen sowie Publikum und Partner zu finden. Schüler werden eingeladen, aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit Visionen für unser gegenwärtiges und zukünftiges gesellschaftliches Miteinander zu entwickeln."

"Die Monstrosität verständlich machen"

Dr. Markus Gruber, Amtschef des Bayerischen Sozialministeriums und Vertreter des Max Mannheimer Hauses, sieht dessen Beteiligung als Trägerorganisation als wichtige Möglichkeit, das Vermächtnis Max Mannheimers weiterzutragen: „Max Mannheimer war ein beeindruckender Zeitzeuge, der über Jahrzehnte hinweg in bayerischen Schulklassen über seine Verfolgung und seine Zeit im KZ gesprochen hat. Er hat Generationen von Schülerinnen und Schülern die Ungeheuerlichkeit und Monstrosität dieses menschenverachtenden Regimes am Beispiel seiner eigenen Lebensgeschichte verständlich machen können und damit auch einen ganz wesentlichen Beitrag zur Antisemitismus-Prävention geleistet.“

Austausch über forum-erinnern.de

Die Präsidentin des BLLV, Simone Fleischmann, äußerte ihre Hoffnung, dass www.forum-erinnern.de in Zukunft auch dem Austausch und der inhaltlichen und konzeptionellen Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in Bayern dient: „Schön wäre, wenn dieses Portal eine wichtige Plattform für alle interessierten Pädagoginnen und Pädagogen werden könnte für den Austausch zu wissenschaftlicher, museumspädagogischer und praktischer pädagogischer Arbeit in diesem Themenbereich.“

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