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Erfahrung trumpft auf

"Alles war auf Dauerhaftigkeit eingestellt"

Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern. (Bild: job)

Viele junge Leute zeigen - nicht nur bei den "Fridays for future" - ein Engagement in einer Dimension, die manchen überrascht. Manchmal werfen sie den Alten vor, die Zukunft der Jungen vertan zu haben.

Aber ist die junge Generation nicht auch die, die wie keine andere zuvor von all dem profitiert, was ihre Vorgänger aufgebaut und erwirtschaftet haben? Und ist es nicht auch der oft bequeme Lebensstil gerade der Jungen, die wie keine andere Generation Online-Handel, Handynutzung und globale Mobilität nutzt und dadurch auf ganz neuen Ebenen ökologische und soziale "Fußabdrücke" hinterlässt?

Handeln, das echte Ergebnisse bringen soll, braucht beide Seiten: Neue Ideen, neue Bewegung und frischen Input der Jungen; aber auch die Erfahrung der Alten, die ein Leben ohne Überfluss und den Wert von dauerhaften Dingen bestens kennen.

Unsere "Trümpfe" teilen ihre Gedanken dazu:

 

Winfried Bürzle: "Die Erde braucht den Menschen nicht"

„Worüber grübelst Du, Onkel“, fragt mich meine zehnjährige Großnichte, die gerade zu Besuch ist, als ich mich auf diesen Artikel vorbereite. „Ich schreibe über das Thema Nachhaltigkeit“, sage ich. „Nachhaltigkeit?“ Verwundert schaut mich die Kleine an und fragt zögerlich: „Was ist das denn, Onkel, diese Nachhaltigkeit“?

Ja, was meint das Wort denn eigentlich? Auch ich selbst suche nach einer kurzen Definition. Die aber gibt es gar nicht. Und die Recherche u.a. bei Wikipedia macht mir klar, dass diese Definition meiner Großnichte wohl kaum helfen würde. Nein, irgendwas von „Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung“ bei „Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit“ usw., das hilft auch nicht weiter.

Also tue ich das, was ich als Radiomensch und Rhetoriktrainer ja immer predige: Ich nehme Bilder, Bilder und nochmals Bilder!

„Wenn beim Auto von Papa absolut nichts mehr aus dem Auspuff käme, dann wäre das nachhaltig, weil die Umwelt nicht belastet wird“, sage ich. „Also ein Elektro-Auto zum Beispiel“, meint die Kleine. "Vielleicht in einigen Jahren. Aber im Moment ist auch das E-Auto noch nicht nachhaltig. Zwar kommt hinten kein Dreck raus. Dafür aber ist die Herstellung vor allem des Akkus noch so schmutzig, dass ihr mit Eurem Benzinauto jahrelang fahren könnt, bis ihr die Umwelt genauso stark belastet habt wie es das E-Auto bei der Herstellung tut“.

Ich zähle weiter auf: Stromerzeugung nicht aus Kohle, Öl, Gas oder Atom, die allesamt Dreck und giftige Abfälle hinterlassen. Besser aus Windkraft oder Sonnenenergie. Keine Plastikbeutel und andere Plastikerzeugnisse, die unsere Meere verschmutzen. Keine Abholzung von Wäldern, die wir nicht in gleichem Maße wieder aufforsten können. Keine neue Waschmaschine kaufen, nur weil bei der alten das Magnetventil kaputt ist. Besser reparieren. Besser …

"Besser, wir Menschen wären gar nicht auf der Erde“, unterbricht mich meine Großnichte. „Ihr würde es ohne uns viel besser gehen!“

Etwas verduzt ob der Schlagfertigkeit sage ich: „Richtig! Aber wir sind nun mal da. Und wir werden nicht in die Höhlen zurück wollen und können. Aber bei allem, was wir tun, sollten wir uns immer bewusst machen: Die Erde braucht den Menschen nicht, aber der Mensch die Erde. Und das mit aller Nachhaltigkeit!“

„Jetzt verstehe ich, Onkel“, sagt die Kleine.

 

Ingrid Appel: "Geputzt wurde mit Essig, Zitrone und Kernseife"

Das Engagement der streikenden Schüler hat uns das Thema Klimaschutz wieder ins Bewusstsein gebracht und nachdenklich gemacht.

Die Älteren haben sich früher, nicht bewusst, sondern weil es diese umweltschädlichen, chemischen Mittel nicht gab, mit einfachen Dingen beholfen, geputzt wurde mit Essig, Zitrone und Kernseife. Heute greifen auch wir Senioren meist zu chemischen Reinigern, weil es so einfach ist. Aber in vielen Zeitschriften werden diese Naturmittel auch wieder bekannt gemacht, so dass doch langsam ein Umdenken passiert.

Die meisten Handwerker sind heute verschwunden. Es gab Schuster, und viele Reparaturdienste. Sie mussten aufhören, weil man viele Sachen gar nicht mehr reparieren kann. Haushaltsgeräte müssen, wenn sie ihren Dienst aufgeben, weggeworfen werden, dies meist schon nach 5 Jahren, früher hatte man Waschmaschinen und Kühlschränke 20 Jahre, dies allerdings liegt an der Industrie. Hier wäre Protest auch mal nötig. Dinge, die man reparieren könnte, werden lieber weggeworfen und Neues, Moderneres gekauft. Zumal wenn etwas als einfacher, schneller oder höher und weiter angepriesen wird, greifen wir zu. Aber auch hier entstehen "Reparaturwerkstätten", wo Ältere, handwerklich geschulte oder Begabte, Geräte oft kostenlos, oder gegen geringes Entgelt reparieren.

Einige Umweltsünden werden nicht von uns Älteren gemacht. Man sieht keine Senioren, die sich "Cafe to go" kaufen und die Becher wegwerfen. Man hat das Gefühl, junge Leute schmeißen alles auf die Straße, was sie nicht mehr brauchen. Wenn man sich die Parks und Wiesen nach einem sonnigen Wochenende anschaut, oder nach Silvester oder nach Umzügen, ist man über die Hinterlassenschaften fassungslos.

Manchmal denke ich, ist der Überfluss, den wir haben, schuld, dass wir mit der Umwelt so sorglos umgehen? Wenn Vieles rar wäre, würde man achtsamer, respektvoller mit den Dingen umgehen.

Aber sind wir Älteren nicht schuld, dass wir unsere Kinder nicht den Wert der Dinge gelehrt haben, weil wir immer der Meinung waren, unsere Kinder sollen es mal besser haben, und dadurch die Kontrolle verloren haben?

Natürlich muss man abwägen, ob eine Einsparung Sinn macht. Zum Beispiel ist elektrische Straßenbeleuchtung sicher umweltschädlich durch die viele Energie, sie schadet Vögeln und Insekten, aber sie bedeutet auch Sicherheit und wer möchte durch eine dunkle Straße gehen?

Ja, ich habe Respekt vor den streikenden jungen Leuten, aber es wäre Aufgabe der Eltern und der Schule, mit den Schülern über das "Für" und "Wider" des Schutzes unserer Umwelt zu sprechen und gut zuzuhören, was sie uns zu sagen haben. Nur auf die Straße zu gehen, ohne dass etwas folgt, wäre verlorene Zeit.

Nein, ich habe die Politik nicht vergessen, wir müssen sie zwingen, auf die Industrie einzuwirken, dass Geräte "nachhaltig" hergestellt werden. Vor allem aber, dass sie im eigenen Lande Gesetze schafft und in Europa und international auf die Staaten einwirkt, um unsere Welt lebenswert für Menschen, Tiere und Pflanzen zu erhalten.

 

Dr. Walter G. Demmel: "Ein Blick über drei Generationen"

Dass es Nachhaltigkeit auch im traditionellen Volksmusikbereich gibt, habe ich vor einigen Tagen in der Sendung des BR „Musikantentreffen im Werdenfelser Land“ erfahren. Von der Nachhaltigkeit im familiären Bereich soll, ausgehend vom Leben auf dem Lande, die Rede sein. Dieses Handeln in Nachhaltigkeit geht über den Moment hinaus und bringt bewusst, aber auch unbewust, eine gewisse Zukunftsfähigkeit.

Meine Mutter (Jg. 1910) war eine wahrhaft sparsame Hausfrau, die in ihrer Kindheit und Jugend zusammen mit sieben Geschwistern das Sparen auf dem kleinen Bauernhof ihrer Eltern im hinteren Bayerischen Wald von Kindesbeinen auf gelernt hatte, ohne den Begriff Nachhaltigkeit je gehört oder gedacht zu haben. Alles war auf Dauerhaftigkeit eingestellt: Das irdene Geschirr benutzte man solange, bis es ganz zu Bruch ging; die Pfannen und Töpfe hatten alle Dellen, waren aber zu gut, um weggeworfen zu werden; Hosen und Röcke wurden so lange mit Flicken besetzt, bis man sie nur noch als Lumpen verwenden konnte. Die Beispiele für Haus und Hof ließen sich beliebig fortsetzen.

Ähnlich, aber mit kleinen Zugeständnissen an die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, führte meine Mutter später den kleinen Beamtenhaushalt in der Münchner Großstadt. Es gab keine Lebensmittel, die in den Abfalleimer kamen. So wurde auch ich als Einzelkind (Jg. 1936) erzogen.

Die Zugeständnisse an die Zeitumstände wurden in unserem Haushalt wesentlich größer. Hier wirtschafteten die Jahrgänge 36 und 42. Man kaufte sich ein Auto, schöne Kleidung, auch für die Kinder, und dachte mit steigendem Einkommen immer weniger darüber nach, ob man alles so kaufen musste. Von Nachhaltigkeit redete damals niemand.

Unsere Tochter und unser Sohn, die neue Generation, wurden mit vielen teils wohlhabenden Freunden groß und bekam in dieser Umgebung das Gefühl der Unendlichkeit der Ressourcen mit. Mit ihren eigenen Familien kamen erste Überlegungen zu mehrfacher Verwendung von Kleidung bei den eigenen Kindern oder bei Spenden für Bedürftige. Die ersten Überlegungen zum nachhaltigen Leben wurden aktuell.

Die heutige Generation, die Jahrgänge 1998, 2000, 2003 und 2005, haben inzwischen den Begriff der Nachhaltigkeit bereits in der Schule kennen gelernt und versuchen manchmal, ihn auch umzusetzen. Aus der Warte von uns Alten gesehen: Öfters ein neues Handy: Ist das nachhaltig gedacht?


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