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"Eine Kommunikationsbrücke zum Patienten"

Ärzte berichten, wie die Patientenverfügung Medizinern weiterhilft

Matthias Blaschke. (Bild: Barmherzige Schwestern)

Und plötzlich ist sie da, die Situation, die sich niemand vorstellen wollte, die immer nur die anderen trifft: Ein Familienmitglied kann nicht mehr selbst über seine weiteren Behandlungsmaßnahmen entscheiden, weil das beispielsweise eine Erkrankung oder ein Unfall unmöglich machen. Was nun? "Gibt es eine Patientenverfügung?", lautet dann die Frage der Ärzte. Wir wollten wissen, was ein Mediziner mit diesen Angaben macht. Wobei helfen sie ihm? Patientenverfügung mal andersrum. Tanja Beetz fragte nach.

"Im Sinne des Patienten entscheiden"

Matthias Blaschke, Oberarzt auf der Intensivstation im Krankenhaus Neuwittelsbach: Die Gedanken an eine schwere Erkrankung, einen plötzlichen Unfall oder gar den eigenen Tod sind für viele Menschen oft nicht greifbar und nicht selten beängstigend. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Patientenverfügungen – welche Themen wie schwere Erkrankungen und die eigene Sterblichkeit zum Inhalt haben – nur rudimentär oder gar nicht vorliegen. Eine Patientenverfügung bildet den Rahmen für verschiedene Behandlungssituationen und darauf abgestimmte Behandlungswünsche für den Fall, dass der Verfasser diese nicht mehr selbst darlegen kann. Hilfestellungen bieten Textbausteine und Druckvorlagen, welche auch Freiraum für eigene Gedanken lassen. Der Verfasser entscheidet selbst anhand eigener Wertvorstellungen, wie er im Falle von Wiederbelebungsmaßnahmen und "künstlicher" Beatmung sowie Ernährung, Schmerztherapie, dem Einsatz von Antibiotikatherapien und Dialyseverfahren behandelt werden möchte. Eine aktuelle Patientenverfügung hilft dem Mediziner, seine zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten in Einklang mit dem Patientenwillen anzuwenden. Um medizinischen Verständnisproblemen vorzubeugen und Familienangehörige einzubinden, ist es ratsam, die Verfügung zusammen mit Angehörigen und dem Hausarzt auszufüllen. In vielen Fällen liegt keine gültige Patientenverfügung vor, diese ist nicht auffindbar oder entspricht womöglich nicht mehr den aktuellen Wünschen des Patienten. Dann versucht das Betreuungsteam, anhand des mutmaßlichen Patientenwillens im kollegialen Gespräch und anhand von ethischen Grundsätzen und persönlichen Erfahrungen im Sinne des Patienten zu entscheiden.

"Eine große Entlastung"

Prof. Dr. Dr. Fuat Oduncu, Chefarzt für Onkologie am Helios Klinikum München West, Medizinethiker und Buchautor zum Thema Patientenverfügung: Die Patientenverfügung legt fest, welche medizinischen Maßnahmen gewünscht oder nicht gewünscht sind. Das ist von großer Bedeutung, wenn Patienten sich nicht mehr selbst dazu äußern können, zum Beispiel infolge einer irreversiblen Bewusstlosigkeit. Für uns als Ärzte ist dieser explizit formulierte Wille bindend. An ihm richten wir unser Handeln aus. Damit können wir zugleich dem Wohl und den Wertvorstellungen unserer Patienten besser gerecht werden. Auch für Angehörige, die als Betreuer oder Bevollmächtigte eingesetzt sind, ist eine Patientenverfügung eine große Entlastung. Sie bietet Orientierung bei schweren Entscheidungen wie etwa der Frage nach lebensverlängernden Maßnahmen. Patientenverfügungen sind eine Kommunikationsbrücke zum Patienten. Ohne sie wäre es nicht möglich, selbstbestimmte Entscheidungen bis zuletzt einzubeziehen. Doch gerade dadurch zeichnet sich gute Medizin aus – für ein würdevolles Leben und Sterben.


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