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„Ein zwischenmenschlicher Beruf“

Hebammen begleiten Frauen und ihre Familien vom Anfang der Schwangerschaft bis zum ersten Lebensjahr des Kinde

Birgit Gollor, Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Hebammenwissenschaft an der Katholische Stiftungshochschule (KSH), und Studentin Rose Schulz üben an einem sogenannten geburtshilflichen Phantom. (Bild: sb)

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett gehören zu den intensivsten Lebensphasen von Frauen. Allumfassende Unterstützung sowohl im medizinischen als auch psychosozialen Bereich finden die Familien dabei bei Hebammen. Im Jahr 2019 wurde der Wechsel der Ausbildung von Hebammenschulen an Hochschulen vollzogen. In einem dualen Studium bereiten sich die Studentinnen nun bestmöglich auf die vielfältigen Anforderungen ihres abwechslungsreichen Berufsalltages vor. Hebammen stehen den Frauen und ihren Familien vom Anfang der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit Hebammen und darüber hinaus im gesamten ersten Lebensjahr des Kindes zur Seite. Sie begleiten als Spezialistinnen kompetent und umfassend medizinisch und psychosozial.

„Für mich persönlich der richtige Weg"

„Ich hatte schon immer eine unglaubliche Faszination für den menschlichen Körper“, erzählt Rose Schulz, die im dritten Semester an der Katholische Stiftungshochschule (KSH) in München Hebammenkunde studiert. „Eine Schwangerschaft und die Geburt sind dabei etwas ganz Besonderes. Als Hebamme kann ich helfen und mein Wissen einbringen. Es ist ein sehr zwischenmenschlicher Beruf.“ Bereut hat sie ihre Entscheidung für das Studium nicht. „Für mich persönlich ist das der richtige Weg. Hebammenkunde ist ein sehr breites Feld, das fachlich sehr interessant ist.“ Es gehe vor allem um die Bereitschaft zu „Geben“, meint sie.

Hebammen fördern durch ihre individuelle Betreuung das Selbstvertrauen von Frauen und deren Angehörigen, den anstehenden Lebensabschnitt aus eigener Kraft zu meistern und mit positiven Gefühlen zu erleben. Hebammen können regelrecht verlaufende Schwangerschaften und Geburten selbstständig betreuen – erst bei Abweichungen von einem normalen Verlauf sind sie verpflichtet einen Arzt hinzuziehen. Um an diesem Beruf lange Freude zu haben braucht es neben Interesse an medizinischen Abläufen und Verantwortungsbewusstsein sowie „Einfühlungsvermögen, Anpassungsfähigkeit, Geduld, eine respektvolle Kommunikation und Flexibilität“, wie Katja Schindlbeck betont. Sie arbeitet seit 25 Jahren als Hebamme und ist Referentin für Hebammenkunde an der KSH.

„Ein Praktikum im Vorfeld ist gut“

Wer sich für den Studiengang der Hebammenkunde interessiert, für den hat Rose Schulz einen Tipp parat: „Es schadet sicher nicht, im Vorfeld ein Praktikum zu machen, um die Abläufe im Hebammenalltag mitzubekommen. So lässt sich auch schneller feststellen, ob einem der Beruf liegt.“ Hebammen haben grundsätzlich die Chance, in vielen verschiedenen Bereichen zu arbeiten: angestellt oder als Beleghebamme in Kliniken oder Arztpraxen, freiberuflich (gegebenenfalls mit Praxis) sowie im Praxisteam oder in einem Geburtshaus. Sie sind dabei auch in interdisziplinären Teams oder Netzwerken tätig. Auch angrenzende Bereich der Hebammenarbeit wie verschiedene Aufgabenfelder im Jugendamt, bei Beratungsstellen oder im öffentlichen Gesundheitsdienst sind vorstellbare Einsatzbereiche. Und auch teamfähig müsse man sein, weiß Birgit Gollor, die als Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Hebammenwissenschaft an der KSH arbeitet. „Das fängt schon im Studium an. Grundsätzlich ist es so, dass man im Laufe der Zeit an seinen Aufgaben wächst und Erfahrungen sammelt, dennoch sollten die betreuten Familien im Mittelpunkt stehen und den Takt angeben.“

Bachelorstudium

Grundsätzlich gilt seit 1. Januar 2020: Wer Hebamme werden möchte, muss ein Bachelorstudium absolvieren. Studieren können Interessierte an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland einschreiben. In den kommenden Jahren werden in ganz Deutschland viele weitere Studiengänge aufgebaut. Das Studium, etwa an der KSH in München, umfasst jeweils einzelne Module zu unterschiedlichen Studienbereichen, wie unter anderem Hebammenkunde, professionelles Arbeiten und Handeln, medizinische und naturwissenschaftliche Grundlagen, Gesundheit, Natalität und Ethik, frühe Hilfen und familiäre Unterstützungsoptionen sowie Recht, Gesundheits- und Sozialpolitik.

Übergangsregelungen für Hebammenschulen

Damit es kurzfristig keinen Engpass bei der Hebammenausbildung gibt, hat der Gesetzgeber Übergangsregelungen für die Ausbildung an Schulen beschlossen: Die Ausbildung an den Schulen kann bis 31. Dezember 2022 begonnen werden und muss bis 31. Dezember 2027 beendet werden. Die Studienzeit kann theoretisch in Vollzeit zwischen drei und vier Jahren liegen. Derzeit sind jedoch alle angebotenen Studiengänge auf mindestens dreieinhalb Jahre geplant und ausgerichtet. Das Hebammenstudium umfasst mindestens 2.200 Stunden Theorie und mindestens 2.200 Stunden Praxis in Kliniken und im außerklinischen Bereich bei freiberuflichen Hebammen. Die außerklinische Praxis nimmt einen hohen Stundenanteil ein und wird bei freiberuflichen Hebammen und in hebammengeleiteten Einrichtungen sowie in weiteren ambulanten Einrichtungen, in denen Hebammen tätig sind, absolviert.

An der KSH finden die klinischen Praxisphasen in der Frauenklinik am Klinikum der LMU München unter Anleitung erfahrener Hebammen, Ärzt*innen und Praxisanleiter*innen statt. „Wir haben den Vorteil, dass wir den klinischen Anteil des Studiums vor Ort mit nur einen Kooperationspartner haben“, betont Birgit Gollor. „Wir können an diesem Standort nicht nur auf schon vorhandene Strukturen, sondern auch auf die Expertise aus den letzten 100 Jahren Hebammen-Ausbildung zurückgreifen.“ Da das Hebammenstudium ein duales Studium ist, gibt es im Übrigen eine Studien-Vergütung während des gesamten Studiums.

Mit dem erfolgreichen Abschluss wird der akademische Grad eines Bachelor of Science (B.SC.) verliehen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich in Masterstudiengängen und in einem Promotionsverfahren weiter zu qualifizieren.


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