Wochenanzeiger München Wir sind Ihr Wochenblatt für München und Umland

„Die Arbeit erfüllt mich”

Victor Agerer hat sich bewusst für eine Ausbildung als Erzieher entschieden

Victor Agerer arbeitet als staatlich anerkannter Erzieher in einer Heilpädagogischen Tagesstätten in Nymphenburg. (Bild: sb)

„Als Erzieher sitze ich nicht nur in der Ecke und spiele Lego“, sagt Victor Agerer. „Das ist vielen Menschen nicht klar. Unser Job ist extrem abwechslungsreich.“ Der 27-jährige Münchner arbeitet seit sechseinhalb Jahren in der Heilpädagogischen Tagesstätte der Caritas in der Ignaz-Perner Straße 12 in München und hat zuvor seine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher abgeschlossen. Als Mann in einem sogenannten Frauenberuf? Für Victor Agerer ist das kein Problem. „Damit habe ich mich noch nie beschäftigt. Es ist doch im Grunde wichtig, den Beruf mehr für Männer zu öffnen, damit die Kinder einen entsprechenden Ansprechpartner haben.“ Das sieht seine Chefin, Andrea Stötter, so: „Ich würde mich freuen, wenn mehr Männer den Beruf des Erziehers ergreifen. Das ist vor allem auch für die Diversität wichtig und weil die Geschlechter ihre eigene Ausgestaltung des Berufs haben. Die Kinder brauchen männliche Bezugspersonen“, betont die Einrichtungsleiterin.

Mehrere Praktika

Bevor sich Victor Agerer für eine Ausbildung als Erzieher entschieden hat, hat er mehrere Praktika gemacht – unter anderem in einer Kfz-Werkstatt sowie bei einem Garten- und Landschaftsbauer. „Durch meine ehrenamtliche Arbeit als Gruppenleiter und Ministrant in der katholischen Kirche habe ich viel mit Kindern und Jugendlichen zusammengearbeitet. So ist in mir auch die Idee entstanden, eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher zu machen“, sagt er.

Fünf Jahre Ausbildung

In der Regel dauert die Ausbildung fünf Jahre, das variiert von Bundesland zu Bundesland. „Beim ersten und zweiten Jahr der Ausbildung spricht man von einem sozialpädagogischen Seminar. Da ist man dann Kinderpfleger“, erklärt Victor Agerer. Im Anschluss daran folgen zwei Jahre mit Schule und Praktika, das fünfte Jahr ist das Anerkennungsjahr, das der 27-Jährige bereits in der Heilpädagogischen Tagesstätte in Nymphenburg-Gern absolviert hat. In der Einrichtung arbeiten neben Erziehern auch Sozialpädagoginnen, Heilerziehungspfleger, Heilpädagoginnen und Kindheitspädagoginnen. „Wir kümmern uns um Kinder mit globalen Entwicklungsstörungen, vor allem im kognitiven und sprachlichen Bereich aber auch was das Verhalten betrifft“, sagt Victor Agerer. „Unser Schwerpunkt liegt dabei auf Kindern mit frühkindlichem Autismus sowie mit Autismusspektrumsstörungen.“

„Interessant und abwechslungsreich“

54 Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren besuchen die Einrichtung in der Ignaz-Perner-Straße. „Pro Gruppe betreuen wir sieben bis acht Kinder“, erklärt der Erzieher, der sich schon während seiner Ausbildung mit dem integrativen und heilpädagogischen Gedanken auseinandergesetzt hat. „Die Arbeit ist sehr interessant und abwechslungsreich, weil jedes Kind seinen speziellen Förderbedarf hat. Darauf muss man sich immer speziell einstellen. Man arbeitet schließlich nicht an einem Produkt. Es geht darum, dass sich die Kinder in die Gesellschaft integrieren können und nicht an den Rand gedrängt werden. Wir möchten den Kindern einen sicheren Halt geben. Das ist das Besondere an meiner Arbeit.“

Entwicklungsschritte der Kinder begleiten

Dass er die jeweiligen Entwicklungsschritte der Kinder im Rahmen seiner Arbeit begleiten könne, bereite ihm viel Freude, sagt Victor Agerer. „Bisweilen ist es zwar auch anstrengend, aber zu sehen, wie die Kinder sich weiterentwickeln und vielleicht den Sprung auf eine Regelschule schaffen, ist sehr erfüllend. Dabei begleitend mitzuwirken, ist das, was die Arbeit unter anderem ausmacht.“ Wer sich für den Beruf des Erziehers entscheidet, sollte unter anderem viel Empathie, Geduld und Engagement mitbringen. „Und auch die Fähigkeit in einem wechselnden Team arbeiten zu können, ist wichtig“, weiß der 27-jährige Münchner. „Und es braucht natürlich Verantwortungsbewusstsein, gerade im Hinblick auf die Aufsichtspflicht.“

„Kinder können mitbestimmen“

In der Heilpädagogischen Tagesstätte der Caritas haben die Kinder eine feste, klare und familiäre Struktur. „Das ist oft das, was zu Hause fehlt. Natürlich gibt es auch Grenzen und Regeln in einem selbstbestimmten, demokratischen Rahmen. Wichtig ist, dass die Kinder mitbestimmen können“, erzählt Victor Agerer. „Die Kinder bringen mir sehr viel Dankbarkeit und Anerkennung entgegen. Ich habe hier im Grunde mein Ideal gefunden. Das erfüllt mich sehr.“

 

„Eine der wichtigsten Berufsgruppen“

Stadtrat Christian Müller, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Münchner Rathaus: „Erzieherinnen und Erzieher sind inzwischen mit eine der aus meiner Sicht wichtigsten Berufsgruppen: Es gibt nahezu kein Kind mehr, das nicht in seinen ersten Lebensjahren eine Kindertageseinrichtung besucht hat. Derzeit finden immer mehr – weit überwiegend Frauen, übrigens viele mit Migrationshintergrund – den Weg in die Kindertagesbetreuung, weil dort im Gegensatz zu anderen Branchen dauerhaft anständige Gehälter zu verdienen sind. Zwar werden insbesondere Leitungskräfte nach wie vor bei weitem nicht entsprechend bezahlt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gruppendienst verdienen aber im Vergleich aller Berufsgruppen gar nicht so schlecht. Der Beruf ist inzwischen davon gekennzeichnet, Kinder in auch schwierigen Lebenssituationen zu begleiten, Eltern zu unterstützen und immerhin den wesentlichen Teil des Wochentags eines Kleinkindes zu gestalten. Viele schöne und positive Erfahrungen, aber auch eine nicht zu unterschätzende auch körperliche Belastung kennzeichnen den Arbeitsalltag.“

„Hochgeschätzter und absolut erfüllender Beruf“

Verena Dietl, 3. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München: „Es gibt wenige Berufe, die so spannend, abwechslungsreich und endlich auch adäquat bezahlt sind, wie Erzieherinnen und Erzieher. Sie helfen Kindern auf dem Weg in die Sozialisation, sind ein echtes Vorbild und ein ganz wichtiger Teil der frühkindlichen Bildung. Ständige Fort- und Weiterbildung gehören zur Aufgabe, Psychologie, Organisationsgeschick und Freude am Umgang mit Menschen sowieso. Mit rund 450 Kindertagesstätten der Stadt gibt es eine große Auswahl an Altersgruppen und pädagogischen Konzepten. München bietet als Einstiegsgehalt rund 3.300 Euro brutto plus 270 Euro Münchenzulage, eine kostenlose IsarCard, reservierte Betreuungsplätze für die eigenen Kinder und städtische Dienstwohnungen. Eine zusätzliche Motivation, Erzieherin oder Erzieher zu werden, sind die leuchtenden Kinderaugen in einem sehr wichtigen, hochgeschätzten und absolut erfüllenden Beruf.“


Verwandte Artikel

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt