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"Der Kampf gegen TTIP und CETA ist noch lange nicht vorbei"

Mehr Demokratie e.V. fürchtet tiefe Einschnitte in Demokratie

Bundesweite Berichterstattung: Im Februar erklären die im BVDA (Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter) zusammenarbeitenden Verlage ihren Lesern die TTIP-Debatte. Im BVDA sind 216 Verlage mit über 860 Titeln vertreten, darunter die Münchner Wochenanzeiger mit Werbe-Spiegel, Sendlinger Anzeiger und Samstagsblatt. (Bild: BVDA)

Der Verein Mehr Demokratie (Bayern) sieht in TTIP einen Angriff auf demokratische Strukturen. Simon Strohmenger erklärt, warum:

"Nie wurde ein Freihandelsabkommen derart in der Öffentlichkeit diskutiert wie es bei TTIP und CETA der Fall ist. Und das, obwohl bisher kaum etwas bekannt ist. Die Verhandlungen erfolgten bis jetzt hinter verschlossenen Türen. Wichtige Dokumente sind weder für die Öffentlichkeit noch für die Abgeordneten des Bundestages einzusehen Wir befürchten dabei tiefe Einschnitte in die Demokratie. Zwei Punkte sind aus unserer Sicht besonders hervorzuheben: die regulatorische Kooperation und die privaten Schiedsgerichte.

Regulatorischer Sprengstoff

Hinter diesem sperrigen Wort verbirgt sich einiges an Sprengkraft. Es regelt eine deutlich engere Verbindung zwischen nationalen Gesetzgebern und Konzernen, die schon bei der Entstehung der Gesetze das Recht haben sollen, mit am Tisch zu sitzen. Desweiteren ist ein Regulatorischer Rat geplant, der voraussichtlich alle Gesetze auf Handelshemmnisse überprüfen wird. Was aber sind Handelshemmnisse? Bei TTIP werden dazu nicht nur Zölle oder Subventionen gezählt, sondern auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie die Umwelt- und Sozialgesetzgebung, Arbeitnehmerrechte und der Verbraucherschutz. Die Folgen sind heute schon in den USA zu beobachten. Dort besteht bereits eine Art Regulierungsrat: Das Office on Information and Regulatory Affairs (OIRA). Das demokratisch nicht legitimierte OIRA verändert 65 Prozent der Vorschläge aller Bundesagenturen, meist schwächt es sie ab. Bei Regulierungen der Umweltagentur EPA sind es sogar 84 Prozent.

Goldene Nase mit Klagen

Eine weitere Gefahr für die Demokratie sehen wir in den privaten Schiedsgerichten. Dieses Verfahren ermöglicht es Konzernen, einen Staat zu verklagen, sobald diese ihre Investitions- und Eigentumsrechte verletzt sehen. Diese Verfahren laufen dabei nicht über nationale Gerichte, sondern werden von privaten Anwaltskanzleien abgewickelt. In der Regel bestehen die Schiedsgerichte aus drei privaten Richtern, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Private Schiedsgerichtverfahren sind zwar schon seit Jahrzehnten Teil internationaler Verträge, jedoch ist seit Mitte der 1990er Jahre die Anzahl der Klagen von Konzernen gegen Staaten sprunghaft gestiegen. Während die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, verdienen sich eine Reihe spezialisierte Anwaltskanzleien eine goldene Nase. Zusätzlich besteht keine Möglichkeit der Revision. Ein gefälltes Urteil steht fest – egal wie absurd es auch sein mag. Die Bundesregierung rühmt sich zwar mit einem halbgaren Verbesserungsvorschlag, dieser greift die eigentlichen Übel jedoch kaum an. Weiterhin könnten weder Personen noch Organisationen Konzerne verklagen, wenn diese gegen Menschenrechte oder Arbeitsstandards verstoßen, oder die Gesundheit der Bevölkerung gefährden und Ökosysteme zerstören.

Mehr Bürger steigen ein

Wenn man etwas Positives aus den bisherigen TTIP-Verhandlungen ziehen will, dann die gesteigerte Partizipation. Beste Beispiele hierfür sind die Anti-TTIP Demo in Berlin, die mit 250.000 Menschen größte Demo seit dem Irakkrieg 2003. Und die Europäische Bürgerinitiative, die von insgesamt 3,3 Millionen Personen unterschrieben wurde - davon alleine 1,6 Millionen aus Deutschland. Und der Kampf gegen TTIP und CETA ist noch lange nicht vorbei. Er geht gerade in die zweite Runde."

Vortrag in der Hochschule

Mehr Demokratie lädt zum Abend "Frei handeln? Die TTIP-Kontroverse" am Montag, 29. Februar, 19- 21 Uhr in der Hochschule für Politik, Hörsaal 2, Ludwigstraße 8, ein. Referenten sind Roman Huber, Bundesvorstand Mehr Demokraite e.V., und Prof. Gabriel Felbermayr, Leiter ifo-Zentrum für Außenwirtschaft.


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