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"Den Veränderungen nicht alleine begegnen müssen"

Leonhard Wagner über das neue Tagesangebot "Tandem" des Christophorus Hospiz Vereins

"Ohne das Tagesangebot hätte meine Woche wenig Abwechslung", erzählt eine der Teilnehmerinnen. "Ich freue mich darauf, weil ich nette Menschen treffe, gute Gespräche führe und zuhause genug alleine bin. Das Haus hat eine gemütliche Atmosphäre, hier fühle ich mich gut aufgehoben und kann Dinge machen, die ich gerne tue: in meinem Fall kreativ gestalten." (Bild: Mario Fichtner)

Seit August gibt es im Christophorus-Haus zweimal wöchentlich ein Tagesangebot für schwerkranke Menschen. Neben Unterstützung in dieser Zeit, Austausch und gemeinsamen Mahlzeiten umfasst es verschiedene Beratungs- und Therapieangebote. Leonhard Wagner ist der Vorsitzender des Vorstands des Christophorus Hospiz Vereins und erläutert den neuen Baustein:

"Frühzeitiger ansetzen"

Schwerkranke Menschen und Menschen am Ende ihres Lebens können auf eine engmaschige Versorgung zurückgreifen. Sie haben jetzt ein neues Angebot auf die Beine gestellt. Welche Lücke konnten Sie damit schließen? Welche Angebote ergänzt es? Hilft es Kranken, in ihrem eigenen häuslichen Umfeld zu bleiben?

Leonhard Wagner: Mit den bereits bestehenden ambulanten und stationären Angeboten der Hospiz- und Palliativversorgung können wir nur einem Teil der schwerkranken Menschen ein Hilfsangebot machen. Es fehlt bisher ein Angebot, das frühzeitiger im Krankheitsverlauf ansetzt und den Kranken als Orientierungshilfe auf ihrem Weg der Krankheit dienen kann. Insofern hat sich der Christophorus Hospiz Verein (CHV) entschieden, das neue Tagesangebot "Tandem" aufzubauen, welches spendenfinanziert ist.

Der Name Tandem soll symbolisieren, dass wir mit der Tageseinrichtung Lebensbegleitung anbieten wollen. Auf einem Tandem ist man nie allein unterwegs. Gleichzeitig bedeutet Tandem auch "Gespann" und steht für Gemeinschaft, welche wir auch im übertragenen Sinn auf das Nebeneinander von Onkologie und Palliative Care, Ehren- und Hauptamt, Leben und Sterben beziehen. Natürlich kann dabei der Besuch der Tageseinrichtung mit unseren ambulanten oder stationären Versorgungsangeboten ergänzt werden. Wir sehen es als eine sinnvolle Ergänzung, durch die Menschen z.B. länger in ihrem eigenen häuslichen Umfeld leben können.

"Die Lebensqualität erhöhen"

Für welche Personen ist das Tagesangebot gedacht? Wer kann es wahrnehmen? Richtet es sich auch an Angehörige?

Leonhard Wagner: Mit dem Tagesangebot Tandem richten wir uns an Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen, die sich Beratung, Austausch und Kontakt zu anderen Betroffenen sowie ein Kennenlernen von Angeboten der Hospiz- und Palliativversorgung wünschen. Es kann auch in frühen Phasen einer palliativen Erkrankung in Anspruch genommen werden. Denn: Eine frühzeitige Inanspruchnahme palliativer Angebote kann die Lebensqualität der Betroffenen im Krankheitsverlauf deutlich erhöhen bzw. erhalten.

Für Angehörige möchte das Tandem Freiräume und Auszeiten schaffen, die sie sonst nicht zur Verfügung hätten.

"Einstieg ist jederzeit möglich"

Wie oft findet das Tagesangebot statt? Wieviele Personen nehmen daran teil? Gibt es feste Gruppen? Ist ein Einstieg jederzeit möglich?

Leonhard Wagner: Das Tagesangebot Tandem findet seit August 2020 jeden Dienstag und Freitag (außer an Feiertagen) von 9 bis 16 Uhr in verschiedenen, teils neu gestalteten Räumlichkeiten im Christophorus-Haus statt. Coronabedingt steht das Tandem derzeit bis zu vier Besuchern parallel offen. Dabei kann das Tagesangebot stunden- oder tageweise besucht werden. Phasenweise entstehen feste Gruppen, wenn eine regelmäßige Teilnahme derselben Besucher erfolgt. Grundsätzlich ist ein Einstieg jederzeit möglich, natürlich unter Berücksichtigung der Gesamtbesucherzahl und bereits bestehenden Gruppenkonstellation.

"Tapetenwechsel" zum Alltag

Gibt es im Tagesangebot ein festes Programm? Wie können sich Teilnehmer selbst einbringen?

Leonhard Wagner: Das Programm orientiert sich an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der jeweiligen Besucher und ist dementsprechend individuell. Das Tagesangebot bietet einen "Tapetenwechsel" zum Alltag. Erkrankte Menschen können Gemeinschaft erleben, miteinander ins Gespräch kommen, sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen, eine unterstützte Auseinandersetzung mit der eigenen Situation erfahren sowie kreative Angebote nutzen. Die Mahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Nachmittagskaffee) werden gemeinsam eingenommen. Das Tagesangebot lebt von der Gemeinschaft, in die sich jeder einbringen kann, aber nicht muss.

Beratung, Therapien und Sprechstunde

Welche Fachkräfte betreuen und begleiten das Tagesangebot? Welche Beratungen und Therapien sind dabei machbar?

Leonhard Wagner: Es finden neben Beratungsangeboten stundenweise Kunst-, Physio-, Atem- und Körpertherapie sowie eine Sprechstunde durch einen Palliativmediziner statt. Die Grundbetreuung der Besucher erfolgt hauptsächlich durch qualifizierte ehrenamtliche Hospizhelfer, die von einer pflegerischen Palliativfachkraft sowie einer sozialpädagogischen Palliativfachkraft angeleitet und unterstützt werden. Die Fachkräfte beraten zudem zu Fragestellungen im psychosozialen, sozialrechtlichen, palliativmedizinischen oder palliativpflegerischen Bereich und bieten in begrenztem Umfang eine pflegerische Unterstützung an.

"Krankheit bringt große Veränderungen"

Palliativbetreuung ist und will bzw. kann etwas anderes als Palliativmedizin. Wo ist der Unterschied zwischen beiden?

Leonhard Wagner: Palliativmedizin ist (nur) ein Teil von Palliativbetreuung. Schwerkranke Menschen haben nicht nur medizinische Probleme, denn Krankheit bringt in vielen Lebensbereichen große Veränderungen mit sich. Insofern bedürfen diese Menschen neben der medizinischen Versorgung auch einer psychosozialen, pflegerischen oder auch spirituellen Betreuung, damit sie den Veränderungen nicht alleine begegnen müssen. Wir verstehen unter Palliativbetreuung das umfassende und interdisziplinär ausgerichtete Versorgungskonzept Palliative Care. Die Palliativmedizin ist dabei ein wichtiger, unerlässlicher Baustein. Jedoch sollte Palliative Care nicht nur Menschen mit schweren oder komplexen Symptomen offenstehen. Vielmehr kann nach unserem Verständnis bereits die Tatsache, mit einer lebenslimitierenden Erkrankung konfrontiert zu sein, einen Bedarf an hospizlichem und palliativem Beistand und Begleitung begründen. Das ist auch unser Anliegen und Ansatz im Tandem.

Einfache Anmeldung

Mit welchen Kosten müssen Teilnehmer rechnen? Wie ist die Anmeldung möglich?

Leonhard Wagner: Inklusive Verpflegung, Beratungs- und Therapieangeboten ist lediglich ein Unkostenbeitrag von 10 Euro pro Besuchstag zu bezahlen. Eine Anmeldung ist telefonisch unter 089 / 130787-800 oder unter tagesangebot@chv.org möglich.

"Gerade jetzt ist es wichtig"

Sind in der Coronazeit Einschränkungen zu berücksichtigen? Wie setzen Sie die nötigen Coronamaßnahmen im Tagesangebot um?

Leonhard Wagner: Für das Tagesangebot wurde ein eigenes Hygienekonzept erstellt. Wir haben die maximale Besucherzahl auf vier Personen reduziert, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Neben Alltagshygienemaßnahmen wie Hände- und Flächenhygiene sowie regelmäßigem Lüften, gilt eine Maskenpflicht sowohl für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter als auch für Besucher im ganzen Christophorus-Haus. Für den Christophorus Hospiz Verein stand in den Vorüberlegungen schnell fest, dass dieses Projekt trotz der krisenbehafteten Zeit mit der gebotenen Vorsicht an den Start gehen soll. Gerade jetzt finden wir es wichtig, mit diesem Angebot der drohenden Vereinsamung von Kranken entgegenzuwirken.


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