"Das nehmen wir nicht hin!"
Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann erläutern, wie der Staat Kommunalpolitiker und Bürger vor Hasskriminalität schützt
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann haben ein gemeinsames Schutzkonzept für Kommunalpolitiker vorgestellt. "Hass und Hetze im Netz haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen", erklärte Eisenreich. " Immer wieder schlagen auch Amts- und Mandatsträgern Beleidigungen und Bedrohungen entgegen, in Einzelfällen wird aus Worten Gewalt." Gerade auf der kommunalen Ebene gebe es vermehrt die Situation, dass Bürger nicht mehr bereit sind, für politische Ämter zu kandidieren. Das habe man bei der vergangenen Kommunalwahl deutlich wahrgenommen. "Das nehmen wir als Bayerische Staatsregierung nicht hin. Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und -politiker sind auch Angriffe auf unsere Demokratie", so der Justizminister. "Wir stehen unseren Kommunalpolitikern zur Seite."
"Opfer schützen und Täter verfolgen"
Laut Innenminister Herrmann steigt die Zahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in Bayern seit Jahren. Waren es 2017 194 Fälle, wurden 2019 272 angezeigt - in der Mehrzahl handelt es sich dabei um Verleumdungen und Beleidigungen. Bis Ende Mai dieses Jahres gab es bereits 158 gemeldete einschlägige Straftaten. "Die Staatsregierung unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um Angriffe auf Amts- und Mandatsträger konsequent zu bekämpfen und Betroffene bestmöglich zu unterstützen", machte Herrmann deutlich. "Dazu arbeiten Polizei und Justiz sehr eng und engagiert zusammen." Der Innenminister appellierte an alle Betroffenen, bei entsprechenden Vorfällen unbedingt schnellstmöglich die Polizei einzubinden. "Nur dann können wir eingreifen, Opfer schützen und Täter verfolgen."
In den vergangenen Monaten haben ihre Ministerien weitreichende Maßnahmen-Pakete erarbeitet, die sich ergänzen und miteinander vernetzt sind. Ziel ist, gemeinsam konsequent gegen Hass und Hetze vorzugehen.
Was tut die Justiz?
Bayerns Justizminister hat die Kommunalen Spitzenverbände Anfang des Jahres zu einem Runden Tisch in das Justizministerium eingeladen, bei dem Maßnahmen zum Schutz von Kommunalpolitikern erörtert wurden. Das gemeinsame Schutzkonzept der Staatsregierung sieht im Bereich der Justiz vor:
• Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten: Bislang mussten Kommunalpolitiker Anzeigen schriftlich formulieren und Datenträger beifügen. Künftig können sie Straftaten oder Prüfbitten online an die Justiz melden. Geprüft werden sie von Bayerns Hate-Speech-Beauftragtem, Oberstaatsanwalt Klaus Dieter Hartleb. Eisenreich hatte diese Funktion zum Jahresanfang neu installiert.
• Insbesondere für "analog" begangene Straftaten gibt es bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften feste Ansprechpartner, an die sich Kommunalpolitiker wenden können.
• Nachdrückliche Strafverfolgung: Verweisungen auf den Privatklageweg kommen in aller Regel nicht in Betracht, die Staatsanwälte übernehmen!
"Wir wollen härter bestrafen können"
Eisenreich macht sich zudem für eine umfassende Modernisierung des 150 Jahre alten Beleidigungsstrafrechts stark - auch auf Bundesebene: Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sollen in schwererwiegenden Fällen härter bestraft werden können. Die teils aus dem Jahr 1871 stammende Gesetzgebung "hinkt der Realität hinterher", so Eisenreich. "Wir wollen härter bestrafen können", meinte er zu Hass-Straftaten.
"Soziale" Netzwerke schützen Straftäter
Auch die Arbeit der Strafverfolger muss nach dem Willen des Justizministers erleichtert werden: "Wir können die Urheber von Straftaten nur effektiv verfolgen und bestrafen, wenn wir sie identifizieren können. Auskunftsersuchen unserer Behörden müssen daher von den Betreibern sozialer Netzwerke ohne Wenn und Aber beantwortet werden - egal, wo sie ihren Sitz haben."
Die, die mit diesen Netzwerken ihr Geld verdienen, zieren sich indes und machen es Polizei und Justiz schwer, Straftaten zu verfolgen: "Die Kooperation der sozialen Netzwerken ist unzureichend", bedauerte Eisenreich. Er forderte die "sozialen" Netzwerke auf, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen.
Was tut das Innenministerium?
Laut Innenminister Herrmann hat die bayerische Polizei ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit folgenden Kernpunkten geschnürt:
• Gegen Amts- und Mandatsträger werden von besonders geschulten Experten des Polizeilichen Staatsschutzes bearbeitet. Miteingebunden sind Cybercrime-Spezialisten zur Sicherung digitaler Spuren.
• Die Bayerische Polizei wird Plattformbetreiber systematisch auffordern, strafbare Inhalte zu löschen. Soweit eine fristgerechte Löschung nicht erfolgt, ist eine Meldung an das Bundesamt für Justiz vorgesehen, das über die Verhängung von Bußgeldern entscheiden wird.
• Bei einer konkreten Gefährdung prüft die Bayerische Polizei in einem jeden Einzelfall sehr sorgfältig notwendige Personen- und Objektschutzmaßnahmen.
• Experten der Kriminalpolizei bieten individuelle Beratungen an, beispielsweise zu Schutzvorkehrungen für Wohnung und Büro.
• Die "Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer" stehen allen Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite, beispielsweise bei der Vermittlung weiterführender Angebote wie einer psychologischen Unterstützung.
"Zugriff auf IP-Adressen ist unverzichtbar"
Ganz besonders wichtig ist dem Innenminister, dass die Sicherheitsbehörden auch im Internet Straftaten und Hetze wirksam bekämpfen können: "Insbesondere der Zugriff auf IP-Adressen ist unverzichtbar, um Täter aufzuspüren und Taten zu verhindern. Wir brauchen deshalb in diesem Bereich umgehend eine praxisgerechte Vorratsdatenspeicherung." Dabei gehe es nicht um die Überwachung von Kommunikation. Während z.B. beim Abhören von Telefonaten auch die Gesprächsinhalte mitgehört werden, verrate eine IP-Adresse über derartige Inhalte nichts.
"Unser Schutzkonzept ist eine klare Botschaft im Kampf gegen Hass und Hetze", so Eisenreich und Herrmann, "Bayern steht hinter seinen Kommunalpolitikern. Wer sie mit Worten oder Taten angreift, muss mit Konsequenzen rechnen." Der Rechtsstaat werde sich vehement wehren. Demokratie lebe von Diskussion und Meinungsstreit, betonte Eisenreich. Hasskriminalität verhindere aber beides. "Wer die Meinungsfreiheit schützen wil, muss Hasskriminalität bekämpfen", so der Justizminister, "weil sich sonst niemand traut, seine Meinung zu sagen."
Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ergänzte Herrmann, da müssen sich alle Bürger engagieren: "Hass richtet sich letztlich nicht gegen einen Einzelnen, sondern gegen unsere Freiheit - gegen uns alle!"
Konsequent gegen Hass
Hate Speech aus Medien und "sozialen" Netzwerken nur zu löschen, kann nicht die Lösung sein. Eine nachdrückliche strafrechtliche Verfolgung dagegen schon. Damit strafbarer Inhalte leichter angezeigt werden können, haben die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) und das Bayerische Justizministerium die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ ins Leben gerufen. Die Münchner Wochenanzeiger und die 5-Seen-Wochenanzeiger sind Unterstützer dieser Initiative.
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