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"Das Geld ist da!"

VdK fordert, Armut nicht zu ignorieren

VdK-Präsidentin Verena Bentele (Mitte) fordert mit Ulrike Mascher (VdK-Landesvorsitzende Bayern) und Michael Pausder (Geschäftsführer VdK Bayern) einen Neustart in der Rente. (Bild: job)

„Die Enttäuschung überwiegt“, bewertet VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher den Koalitionsvertrag der Staatsregierung. Sie kritisierte das mangelnde sozialpolitische Engagement der Regierung Söder-Aiwanger. Armut werde ignoriert: „Man kann hin- und herblättern, wie man will, das Wort ‚Armut‘ taucht nicht auf“, bemerkte Mascher. Dabei müsste Armutsbekämpfung im Freistaat eine der dringendsten Aufgaben sein: Die Armutsgefährdungsquote sei innerhalb von zehn Jahren um 1,3 Prozent auf 14,9 Prozent gestiegen. Überproportional zugenommen habe in diesem Zeitraum die Altersarmut. Bei Frauen steig die Altersarmut um 4 Prozent auf heute 24,5 Prozent, bei Männern um 3,3 Prozent auf 18,4 Prozent.

Die Voraussetzungen für ein sozialeres Bayern seien indes noch nie so gut gewesen wie gegenwärtig, meinte Mascher: „Die Probleme sind erkannt, das Geld ist da.“ Sie forderte die Staatsregierung dringend zu Nachbesserungen auf.

Krankheit führt in die Armutsfalle

Auch die Zahl der Grundsicherungsempfänger steigt kontinuierlich an. Eine Zahl sei dabei besonders alarmierend, sagte die VdK-Landesvorsitzende: „24 Prozent aller Erwerbsminderungsrentner müssen in Bayern von Grundsicherung leben, das ist fast jeder Vierte!“ Wer krank ist und deshalb vorzeitig in Rente gehen muss, laufe also direkt in die Armutsfalle. Armut muss viel energischer bekämpft werden, verlangt der VdK Bayern. Er fordert einen Freibetrag von 208 Euro im Monat für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Grundsicherungsempfänger, also beispielsweise für die Mütterrente oder die jährlichenRentenanpassungen. Einen solchen Freibetrag gebe es bereits für private und betriebliche Altersvorsorge In der pflegerischen Versorgung sieht Mascher noch „einen ganzen Berg Arbeit“ für die Staatsregierung. Ärgerlich bleibe die Situation bei den haushaltsnahen Dienstleistungen, die Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 für 125 Euro im Monat in Anspruch nehmen dürften.

In der Praxis ist das nur selten möglich: Von 76 zugelassenen Anbietern in ganz Bayern haben nur 28 in kleinerem Umfang freie Kapazitäten, ergab eine VdK-Abfrage. „So läuft diese Entlastung, auf die es einen gesetzlichen Anspruch gibt, ins Leere!“, warnte Mascher.

Gerechte Rente für alle

Ab April steht beim Sozialverband VdK alles im Zeichen einer bundesweiten Rentenkampagne, die VdK-Präsidentin Verena Bentele vorstellte: „Es geht uns um eine Rentenpolitik, die allen Generationen gerecht wird, ohne dass Jung gegen Alt ausgespielt werden.“ Sie plädierte für einen „Neustart in der Rentenpolitik“. Damit meint sie z.B. den Ausbau und die Stärkung der gesetzlichen Rente. „Wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen: Angestellte, Selbstständige, Beamtinnen und Beamte und Abgeordnete. Das schafft sozialen Ausgleich.“

Private Vorsorge nicht ausweiten

Bentele forderte u.a. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie eine Digitalsteuer. „Wenn Firmen wie Amazon in Deutschland Gewinne machen, aber nicht hier versteuern, liegt einiges im Argen!“ erklärte sie. Der Ausweitung der privaten Vorsorge erteilte die VdK-Präsidentin dagegen eine klare Absage: „Es darf nicht vom persönlichen Talent oder reinen Glück beim Geldanlegen abhängen, ob jemand später eine ausreichende Rente hat. Die gesetzliche Rentenversicherung ist die bessere Geldanlage.“

Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht

Nicht unter den Tisch fallen lassen will der VdK Seehofers Versprechen „Bayern barrierefrei 2023“. Es geht bei der Umsetzung der Barrierefreiheit nicht um eine hübsche Brücke, eine repräsentative Kavallerie oder ein eigenes Raumfahrtprogramm“, sagte Mascher, „das alles kann man haben, muss man aber nicht.“ Barrierefreiheit hingegen sei keine Option, sondern ein Menschenrecht - und in einem Land Bayern, das in Steuergeld „fast schwimme“ sei die Umsetzung auch finanzierbar. Mascher forderte konkrete Zahlen zur Umsetzung von Barrierefreiheit im Freistaat und zur Förderung der beruflichen Inklusion. Da Behinderungen oft im Arbeitsleben entstehen, geraten viele Betroffene in eine Abwärtsspirale: Dauerarbeitslosigkeit, erzwungene Frührente und schließlich Altersarmut, warnte Ulrike Mascher.

„Greenpeace des Sozialen“

„Wir sind Vorreiter für soziale Gerechtigkeit und für eine Gesellschaft, an der alle teilhaben können“, betonte VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder. Allein in Bayern sehen das 700.000 Mitglieder des Soziakverbandes ebenso. Im nun zu Ende gehenden Jahr ist der Verband nochmals um 19.000 Mitglieder gewachsen. „Von solch einer Mitgliederentwicklung können andere nur träumen“, freut sich Pausder. Immer mehr Junge treten dem Sozialverband bei. Im Ortsverband Maxvorstadt wurde heuer ein Vorstand gewählt, der im Schnitt erst 35 jahre alt ist. „Der Verband hat den Ruf als „Greenpeace des Sozialen“ und setzt sich für den Zusammenhalt der Gesellschaft ein.


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