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"Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust"

Fürs Klima Schule schwänzen: Darf man das?

Frida, Chayenne, Grete, Alena und ihre Mitschülerinnen kamen aus Weilheim nach München, um für den Klimaschutz zu demonstrieren: "Wenn die Politiker nichts machen, müssen wir etwas tun!", sagen die Gymnasiastinnen. (Bild: job)

Der gegenwärtige Klimawandel ist eine reale Bedrohung für unsere Zukunft. Vor allem die junge Generation wird die leidtragende des Klimawandels sein. Gleichzeitig ist sie die letzte Generation, die einen katastrophalen Klimawandel - vielleicht - noch verhindern kann. Nach dem Vorbild der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg, die seit Monaten freitags die Schule bestreikt, um für Klimaschutz zu kämpfen, gehen auch hierzulande Schüler unter dem Motto "Fridays for Future" am Freitag auf die Straße statt in die Schule.

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite freue ich mich, dass Schülerinnen und Schüler die Initiative für den Umweltschutz und somit für ihre Zukunft ergreifen, und andererseits finde ich es bedenklich, dass sie ihre Schulpflicht verletzen", sagt Waltraud Lucic, Vorsitzende des MLLV (Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverband).

Johanna Marie Bergmeier, die die Aktion Fridays For Future in Deutschland mitorganisiert, erklärt die Motivation der Schüler so: "Unsere Politiker unternehmen nichts, um die Klimakrise abzuwenden. Die Treibhausgas-Emissionen steigen seit Jahren, noch immer werden Kohle, Öl und Gas abgebaut. Deswegen gehen wir freitags weder in die Schule noch in die Uni. Denn mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, setzt ihr unsere Zukunft aufs Spiel!"

 

Schule schwänzen für den guten Zweck?

Wie bewerten Schulen das Engagement der Jugendlichen? Und wie gehen die Schulen mit der Verletzung der Schulpflicht um? Die Münchner Wochenanzeiger hat nachgefragt:

"Ich würde die Kinder nicht bestrafen"

Waltraud Lucic, Vorsitzende des MLLV (Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverband):

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite freue ich mich, dass Schülerinnen und Schüler die Initiative für den Umweltschutz und somit für ihre Zukunft ergreifen, und andererseits finde ich es bedenklich, dass sie ihre Schulpflicht verletzen. Diese Erfahrung, auf ein Problem aufmerksam zu machen und zugleich seine Pflichten nicht zu erfüllen, einem guten Schulabschluss nachzugehen, ist für alle eine Herausforderung. Zum einen wäre der unterrichtsfreie Samstag als Streiktag problemfrei, aber die Aufmerksamkeit wäre geringer. Hätten die Medien so viel Interesse gezeigt, wenn die Jugendlichen an einem Samstag gestreikt hätten?

Im Bay. Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ist das unerlaubte und unentschuldigte Fernbleiben vom Unterricht eine Ordnungswidrigkeit. Sie kann mit Schulzwang oder Geldbuße bestraft werden.

Schule ist ein Lern- und Übungsfeld. Ich würde die Kinder nicht bestrafen. Natürlich müssen die Jugendlichen auch lernen, was geschieht, wenn sie das Gesetz verletzen.

Das Streikthema ist ein aktueller Anlass, einen demokratischen Prozess zu beleuchten. Hat Demokratie Grenzen? Das Spannungsfeld, ein Unrecht wirkungsvoll aufzuzeigen und dabei selbst unrecht zu handeln und die Folgen zu tragen, fordert nicht nur die Schüler. Überlegtes Handeln aller an der Bildung Beteiligten ist hier gefragt. Die Aufbereitung des Themas bietet die Chance, die von der Gesellschaft geforderte verstärkte Demokratieerziehung zu leben. Alle werden erkennen, dass es nicht genug ist, die Politik zum Handeln zu bewegen, sondern dass es mehr als notwendig ist, Umweltschutz im persönlichen Umfeld umzusetzen.

Ich finde die Aktion couragiert und mutig. Mich beeindruckt die Ausweitung des Streiks über Grenzen hinweg. Jugendliche demonstrieren und leben uns vor, dass der Umweltschutz in der globalen Verantwortlichkeit liegt und in der Hand eines jeden Einzelnen. Es gibt mir zu denken, dass diese junge Generation uns mit solch drastischen Aktionen wachrütteln muss.

"Mündiger Bürger ist unser Erziehungsziel"

Dr. Thilo Herberholz, Schulleiter des Kleinen privaten Lehrinstituts Derksen, Hadern:

Gesellschaftliches Engagement von Schülerinnen und Schülern bewerte ich grundsätzlich positiv, v.a. dann, wenn es einer echten Überzeugung entspringt. Der mündige Bürger, der für seine und die Interessen anderer eintritt, ist ja schließlich unser aller Erziehungsziel!

Da Schülerinnen und Schüler im Falle einer Teilnahme gegen ihre Verpflichtung zum regelmäßigen Besuch des Unterrichts verstoßen, kann ich sie, auch auf Antrag der Eltern, nicht für die Partizipation am "Schülerstreik" befreien. Ich lehne Anfragen also ab, spreche mit ihnen über ihr Anliegen und die Rechtslage und teile ihnen gleichzeitig mit, dass sie seitens der Schulleitung keinerlei Erziehungsmaßnahmen zu erwarten haben. Ich weise sie aber auch darauf hin, dass ich alle Maßnahmen der Kolleginnen und Kollegen unterstütze, die dazu dienen, verpasste Unterrichtsinhalte nachzuholen. Dies kann z.B. an Nachmittagen oder auch in Eigenverantwortung geschehen, was die betreffende Lehrkraft entscheiden darf.

"Versäumte Unterrichtszeit muss nachgeholt werden"

OStD Alexander Schröder, Schulleiter und Seminarvorstand des Erasmus-Grasser-Gymnasiums, Sendling-Westpark:

Die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, sich für den Schutz und den Erhalt der Umwelt einzusetzen, verdient Anerkennung und ist den meisten Fällen auch ein Anliegen, das den Schülern wirklich und glaubhaft wichtig ist. Sie ist außerdem Ausdruck einer Hinwendung zu politischen Themen, die dem Land und der Gesellschaft sowie der Demokratie gut tun kann.

Bedauernswert ist die Tatsache, dass der Veranstalter einen Konflikt zwischen Schulpflicht und dem Ausdruck der eigenen Meinung seitens der Schüler nicht vermeidet, indem ein anderer Termin für die Demonstration gesetzt wird - weniger wegen drohender Maßnahmen seitens der Schule, sondern vielmehr, weil der Unterricht an selbiger in seiner Bedeutung reduziert wird und die Schüler durch das Versäumen von Unterrichtsinhalten in der Leistungsentwicklung behindert werden könnten. Als Schulleiter kann ich das unentschuldigte Versäumen von Unterricht nicht ignorieren. Die versäumte Unterrichtszeit kann aber in Form von schulischen Projekten für den Umweltschutz, zum Beispiel durch die Erstellung einer Ausstellung in der Schule, nachgeholt werden. An Stelle von Ordnungsmaßnahmen treten dann Einsatz und Engagement für die Umwelt an der eigenen Schule.

"Zum Ausgleich einen Bericht schreiben – das finden die Jugendlichen fair"

Philipp Volkmer, Leiter der Carl-von-Linde-Realschule, Westend:

Dass das Bemühen der Jugendlichen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen eine gute Sache ist – ich denke darüber braucht man nicht diskutieren. Aber auf der anderen Seite habe ich natürlich auch die Aufgabe, die Schulpflicht zu überwachen. Unsere Schülerinnen und Schüler sind aber sehr anständig und haben bei mir sogar vorab eine Beurlaubung für die Demonstration beantragt. Die habe ich zuerst auch gewährt – unter der Bedingung, dass sie mir ein Foto von sich und der Veranstaltung schickten. Dann wusste ich, dass sie wirklich dort waren. Mittlerweile beurlaube ich nicht mehr. Streik ist Streik und bei allem Stolz auf das Engagement der Jugendlichen muss eine Reaktion erfolgen. Ich will da aber nicht so hart sein. Sie müssen die versäumte Unterrichtszeit nachholen. Da die Schüler erst kurz vor Beginn der Demo das Schulhaus verlassen haben, ging es da eigentlich nur um zwei Stunden Fehlzeit. Um die auszugleichen mussten sie einen Bericht schreiben: Wer war da, wer hat gesprochen, was wurde gesagt? Das finden die Jugendlichen fair und es klappt gut. In der ersten Woche waren es 17 Schüler, die an der Demonstration teilgenommen haben, eine Woche später waren es nur vier. Aber auch für den kommenden Freitag haben sich wieder einige bei mir gemeldet, die hingehen wollen.

"Nach anderen Kanälen suchen"

Walter Prem, Elternbeiratsvorsitzender des Ludwigsgymnasiums, Sendling-Westpark:

Grundsätzlich finde ich, auch als Vater, das Engagement der Jugendlichen für gesellschaftliche Problemstellungen großartig, hier sollten aber andere Kanäle gesucht werden, u.a. die Möglichkeiten des Unterrichtes für Aktionen zugunsten der Gesellschaft und der Umwelt gefordert und genutzt werden. Schule schwänzen für den guten Zweck? Das kann man ein oder zwei mal sicher gut begründen und verantworten, danach wird es aber eher zu einer stumpfen Waffe und schadet natürlich den engagierten Schülern selber, die ja auch eine Verantwortung für ihr eigenes weiteres Schul- und Berufsleben haben. Wie gehen die Schulen mit der Verletzung der Schulpflicht um? Einige Lehrer unterstützen das, indem keine Schulstrafen verhängt werden und die Aktion als gelebte Demokratie betrachtet wird, das wird sich aber schnell erschöpfen.

"Grundsätzlich positiver Impuls"

Bernhard Fanderl, Leiter des Dante-Gymnasiums, Sendling:

Aus schulrechtlichen und versicherungstechnischen Gründen kann dem grundsätzlich positiven politischen Impuls der Schüler nicht stattgegeben werden. Insofern handelt es sich um unentschuldigtes Fehlen.

Falls die Beteiligung mit Einverständnis der Eltern erfolgte, empfiehlt sich als Maßnahme in der Regel zumindest eine im weitesten Sinne mit dem Thema Umweltschutz in Verbindung stehendene Nachholung der versäumten Stunden.

"Warum während der Schulzeit?"

Christoph Breuer, Leiter der Realschule Unterpfaffenhofen-Germering:

Grundsätzlich finde ich es gut, dass sich Kinder und Jugendliche engagieren und aktiv sind, und es geht um eine sehr wichtige Sache. In diesem Bereich passiert tatsächlich viel zu wenig. Aber warum muss ausgerechnet während der Schulzeit demonstriert werden? Wir haben in Deutschland doch die Tradition der Montagsdemonstrationen, bei denen abends demonstriert wurde. Wenn das eine dauerhafte Sache werden soll, dann finde ich es verantwortungslos von den Organisatoren einen Freitagstermin anzuberaumen, denn dann geht es zu Lasten der Schüler und Schülerinnen, die Unterricht versäumen.

Wenn ein Schüler oder eine Schülerin unentschuldigt am Freitag fehlt, dann werden versäumte Leistungsnachweise mit der Note "6" bewertet. Wegen einer Demo können wir keinen beurlauben, das ist kein Grund für eine Entschuldigung. Dann muss das Versäumte später nachgearbeitet werden. Außerdem bekommen die Schüler besondere Aufgaben, in denen sie sich mit dem Klimaschutz beschäftigen müssen. Dafür lassen wir uns den Nachweis, das ein Schüler auf der Demo war, durch ein Handyfoto bestätigen.

"Mit Augenmaß reagieren"

Robert Christoph, Schulleiter des Max-Born-Gymnasiums, Germering:

Auch von unserer Schule haben Schülerinnen und Schüler bei den Freitagsdemonstrationen mitgemacht. Vor ein paar Wochen waren 30 Schüler bei der Demo. Mittlerweile sind es weniger. Wir als Schule wollen ja, dass sich die jungen Leute engagieren und finden das Engagement auch gut, aber muss das unbedingt während der Schulzeit sein?

Die Germeringer Schulen haben sich jedenfalls vernetzt und darauf verständigt mit Augenmaß zu reagieren und beispielsweise auf Verweise zu verzichen. Der fehlende Unterrichtsstoff muss auf alle Fälle nachgeholt werden und dann müssen die Schülerinnen und Schüler eine Veranstaltung vorbereiten, die sich mit dem Thema Klima beschäftigt. Damit sollen sie beweisen, dass es ihnen mit ihrem Engagement ernst ist.

"Lernen, dass es Regeln gibt"

Andrea Damberger und Navid Erami, Elternbeiräte am Carl-Spitzweg-Gymnasium, Germering:

Grundsätzlich finden wir die Demonstrationen eine gute Sache und wir haben ja auch ein Demonstrationsrecht. Da sie aber am Freitag während der Schulzeit stattfinden, bedeuten sie eine Gratwanderung sowohl für die Schulleitung wie für die Eltern.

Von Seiten der Schule gab es eine Information an die Eltern, in der auf die rechtliche Situation beim unentschuldigten Fehlen hingewiesen wurde. Auf Verweise wurde bisher verzichtet.

Warum können die Demonstrationen nicht nachmittags oder abends stattfinden? Die Kinder müssen lernen, dass es Regeln gibt. Wenn sie später eine Arbeitsstelle haben, dann müssten sie auch Urlaub nehmen und könnten nicht einfach wegbleiben.

"Bestrafungen sind nicht verhältnismäßig"

Christine Haas, Elternbeiratsvorsitzende Erasmus-Grasser-Gymnasium, Sendling-Westpark:

Die Vorsitzenden des EGG begrüßen das große Engagement, mit dem SchülerInnen sich für ihre Zukunft und für eine bessere Umwelt an den FridaysForFuture einsetzen, ausdrücklich. Der Klimawandel ist ein hochbrisantes Problem und wird unsere Kinder viel stärker betreffen als uns Eltern. Dementsprechend sind wir gegen eine Bestrafung der Teilnahme an den Demonstrationen mit den Maßnahmen der Schulordnung. Diese mögen rechtmäßig sein, sind jedoch nicht verhältnismäßig – ganz im Gegenteil: Sie sind kontraproduktiv, indem sie positives Engagement in strafbares Verhalten umdeuten und unterdrücken. Die Schule sollte engagierte SchülerInnen vielmehr unterstützen.

Schule ist ja nicht nur Bildung in Mathe, Deutsch und Geschichte. Schule trägt auch zur Persönlichkeitsbildung bei und soll unsere Kinder unterstützen, zu mündigen und verantwortungsbewussten Erwachsenen zu werden. Allerdings appellieren wir auch an den Veranstalter, den Termin auf den Nachmittag zu schieben, um allen SchülerInnen die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben. Wie gehen die Schulen mit der Verletzung der Schulpflicht um? Derzeit werden viele kreative Alternativmaßnahmen an unserer Schule angeboten, die es SchülerInnen nicht nur ermöglicht, den verpassten Unterricht nachzuholen, sondern auch dem Streik konkrete Aktionen folgen zu lassen: von Referaten und Plakaten zum Thema Klimawandel über die Organisation von passenden Veranstaltungen an der Schule bis zu konkreten Projekten zum Schutz der Umwelt.

Die Maßnahmen, die die Schule einsetzt, sollten die Diskussion und das Verständnis für die Zusammenhänge fördern. Dies dient dann nicht nur der Sache, sondern vermindert auch die Anzahl von Schule schwänzenden TrittbrettfahrerInnen.

"Schüler sammelten im Nachgang Ideen"

Bärbel Ebner, Schulleiterin Thomas-Mann-Gymnasium, Kreuzhof:

Das Städt. Thomas-Mann-Gymnasium legt großen Wert auf Umwelterziehung. Seit vielen Jahren leitet unsere Kollegin Frau Dr. Tietz mit sehr großem Erfolg die Umweltgruppe des TMG und hat dadurch entscheidend dazu beigetragen, dass unsere Schule jedes Jahr aufs Neue als Umweltschule ausgezeichnet wird.

Die Schülerinnen und Schüler, die für die Umwelt auf die Straße gegangen sind, sammelten im Nachgang Ideen und erarbeiteten Anregungen und Vorschläge für ihre Mitschüler, wie sie sich umweltgerecht verhalten und unsere Ressourcen schonen können. Als Beispiele seien nur das schon angestoßene Vermeiden bzw. Sammeln von Tetraverpackungen, eine bessere Mülltrennung in der Schule, wiederverwendbare Tassen beim Getränkeautomat bei und die Einführung eines jährlichen Umwelt- und Klimatags genannt. In einer Schulaktion sammeln sie Unterschriften für den Erhalt der Artenvielfalt und einen schonenden Umgang mit unserer Umwelt.

"Engagement hängt nicht von der Tageszeit ab!"

Kultusminister Michael Piazolo:

Ich freue mich über alle Schülerinnen und Schüler, die an unserer Demokratie mitwirken und sich auch im Bereich Umweltpolitik engagieren. Dies ist ein Thema, das uns alle bewegt. Bei allem Einsatz für die Sache müssen sich die Schülerinnen und Schüler in Bayern aber an bestimmte Spielregeln halten: Wir haben in Bayern Schulpflicht. Die Schülerinnen und Schüler können daher nicht vom Unterricht befreit werden und würden unentschuldigt fehlen. Die Schulleitungen vor Ort reagieren im eigenen Ermessen und Gestaltungsspielraum auf die Verletzungen der Schulpflicht. Ich habe volles Vertrauen in die Kompetenz unserer Schulleiterinnen und Schuleiter, jeweils den Einzelfall zu prüfen und entsprechend mit pädagogisch sinnvollen Maßnahmen zu reagieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Entscheidung, welche Maßnahmen getroffen werden, am besten jeweils vor Ort und unter Berücksichtigung aller Umstände erfolgen kann. Was mir noch ganz wichtig ist: Sich für eine sinnvolle Sache zu engagieren, hängt nicht von der Tageszeit ab!

"Eine einheitliche Ansicht gibt es nicht"

Oliver Jauch, Elternbeiratsvorsitzender Otto-von-Taube-Gymnasium, Gauting:

Bei uns in der Elternschaft gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass man den Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an den Demos ermöglichen sollte, denn es ist gut, dass sie sich überhaupt für so ein Thema engagieren. Andere Eltern wiederum unterstützen zwar das Engagement, sind aber der Meinung, dass man auch außerhalb der regulären Unterrichtszeit demonstrieren kann. Die Proteste haben ja nichts mit der Schule zu tun, so dass es keinen Grund gibt, die Schule zu „bestreiken“. Eine einheitliche Ansicht innerhalb der Elternschaft gibt es nicht.

Die Schule hat es einmalig ermöglicht, dass die Kinder während der Schulzeit auf entsprechenden Antrag an der Demo teilnehmen konnten, indem sie für einen Freitag nach der ersten Stunde befreit wurden. Das Ganze aber verbunden mit der Auflage, dass die Teilnehmer einen Bericht, eine Präsentation oder ähnliches über die Demo und ihre eigene Motivation erstellen und in der Klasse präsentieren mussten.

"Das Bildungsreferat macht hierzu keine Vorgaben"

Beatrix Zurek, Münchens Stadtschulrätin:

Es imponiert mir, dass so viele Schülerinnen und Schüler Haltung zeigen und sich für Umwelt und Naturschutz einsetzen. Zu demonstrieren, auf die Straße zu gehen und für eine positive Sache einzutreten, das wird doch immer gefordert von der jungen Generation. Wie mit der Schulpflichtverletzung umgegangen wird, liegt im Ermessen der jeweiligen Schulleitungen. Das Bildungsreferat macht hierzu keine Vorgaben. Meine persönliche Meinung ist, dass man die Jugendlichen nicht dafür bestrafen sollte, dass sie sich für eine gute Sache stark machen. Trotzdem muss die Schulpflicht beachtet werden. Ich bin mir sicher, dass es kreative Lösungen gibt, wie man beides - die Schulpflicht auf der einen und den Wunsch der Jugendlichen, an der Demonstration teilzunehmen, auf der anderen Seite - vereinbaren kann.

"Die Hintergründe verstehen"

Marianne Mischung, Fachbetreuerin Sozialkunde am Pasinger Bert-Brecht-Gymnasium:

Als Sozialkundelehrerin freue ich mich über das große Interesse der Schülerinnen an der Aktion und komme ihrem Diskussionsbedarf gern entgegen. Dafür habe ich generell ein paar Stunden hergenommen, damit ich auf ihre Fragen eingehen kann. Wir haben Aspekte der Demos, des rechtlichen Rahmens, aber auch des Klimawandels beleuchtet und uns angeschaut, wie der ökologische Fußabdruck eines Individuums, einer Region und einer Gesellschaft aussieht. Es ist mir wichtig, den Dialog auf eine sachliche Ebene zu bringen und Fakten zu sammeln. Nur damit kann man Hintergründe verstehen. Der Konsens der Schülerinnen lautete: allein mit Demos wirken wir nicht auf den Klimawandel ein.

„Entscheidung für oder gegen Zivilcourage“

Andreas Huber, Rektor der Mittelschule Fürstenrieder Straße, Laim:

Der Zustand unserer Erde ist in hohem Maße gefährdet durch die ökonomischen und politischen Verhältnisse und auch durch unser Konsumverhalten. Es ist höchste Zeit, dass jeder einzelne dazu beiträgt, zu retten, was zu retten ist, vor allem aber auch, dass die Politikerinnen und Politiker die Probleme mutig und konsequent angehen.

Wenn Schülerinnen und Schüler sich dafür engagieren, ist das nur zu begrüßen, Umweltschutz ist auch in der Schule in vielen Fächern als Lernziel verankert. Dass Jugendliche dafür die Schule schwänzen, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu kreieren, kann man als “zivilen Ungehorsam“ bezeichnen. Wenn sie dadurch ihre Schulpflicht verletzen, müssen sie auch mit Konsequenzen in der Schule rechnen. Für jeden einzelnen ist dies eine Gewissensentscheidung, die möglicherweise auch „etwas kostet“. Dadurch wird es auch eine Entscheidung für oder gegen Zivilcourage.

Im Hinblick auf die Proteste der Schüler ist zu hoffen, dass sie die Politiker beeindrucken und dass dadurch auch das Problembewusstsein in der Bevölkerung wächst, denn wir sind dabei, den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen.

„Wir sollten dringend etwas unternehmen!“

Charles Onyia, Schülersprecher in der Mittelschule Fürstenrieder Straße, Laim:

Ich bin der Meinung, dass Umweltschutz ein sehr großes Thema ist. Wir sollten dringend etwas unternehmen, um unsere Umwelt, also die Welt in der wir leben, zu schützen. Das fängt auch schon im Kleinen an, dass man andere drauf aufmerksam macht, sich an gewisse Grundregeln im Alltag zu halten. Eine Protestaktion finde ich super, dadurch würden die Erwachsen sehen, dass wir Jugendlichen es ernst meinen und nicht nur die typische 0-Bock Generation sind. Eine weitere Idee wäre auch, dass wir an der Schule Plakate zu den verschiedenen einschlägigen Themen gestalten, damit alle Schüler darauf aufmerksam werden und motiviert werden, etwas zu verändern.

"Rechtlich auf dünnem Eis"

Ulrich Ebert, Schulleiter am Pasinger Max-Planck-Gymnasium:

Rein vom rechtlichen Standpunkt müssen wir die Schüler darüber informieren, dass die Demos während der Schulzeit auf dünnem Eis stattfinden und die Beteiligten auf eigenes Risiko und eigene Gefahr teilnehmen. Eine Befreiung vom Unterricht für die Demos können wir nicht aussprechen. Dies habe ich in einem Brief an die Schüler und Eltern deutlich gemacht.

Aber inhaltlich kann ich das Anliegen der jungen Demonstranten für Klimaschutz sehr gut verstehen. Ich wünsche mir allerdings vernünftige Aktionen, in denen dieser inhaltliche Aspekt deutlich wird. Dies würden wir als Schule auch sehr gern unterstützen. Wir arbeiten schon daran, gemeinsame Formate für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Klimaschutz zu finden.

„Interesse für Nachhaltigkeit auch in der Schule zeigen“

Thomas Götz, Schulleiter des Adolf-Weber-Gymnasiums, Neuhausen-Nymphenburg:

Das Engagement der SuS finde ich gut. Noch besser finde ich, wenn die Schülerinnen und Schüler ihr Interesse für Nachhaltigkeit auch in der Schule zeigen. Aus diesem Grund haben wir ein Nachhaltigkeitstreffen an der Schule organisiert. Federführend durch unsere Nachhaltigkeitsbeauftragte Franziska Adolf. Schülerinnen und Schüler, die bei dieser Freitagnachmittagsveranstaltung teilgenommen haben, werden von einer Ordnungsmaßnahme exkulpiert. Aus dieser Veranstaltung soll sich eine höhere Beteiligung der Schülerinnen und Schüler für Nachhaltigkeitsthemen im Schulalltag ergeben.

"Es tut sich viel an unserer Schule"

Anette Lippert, Elternbeirat Kurt-Huber-Gymnasium, Gräfelfing:

Konkret zu den aktuellen Demos lässt sich sagen, dass teilnehmende Schüler gleich im Anschluss an die Demos von Schulleiterin Anita Groß zu einer Diskussionsrunde eingeladen sind und mit ihr über ihre Beweggründe und Erfahrungen diskutieren. Diskutiert wird dort auch eine mögliche große Aktion der gesamten Schule für Klimaschutz. Und allgemein betrachtet tat und tut sich an der Schule sehr viel im Hinblick Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Mitverantwortung. Die Schule ist seit zwei Jahren "Faire Schule" und hatte im Sommer die große Demo „KHG move“ durch die Gemeinde mit dem Motto „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit – Weil uns unsere Zukunft nicht egal ist!“ organisiert. Das gesellschaftliche Engagement unserer Schüler hat also schon Tradition.

 

Was ist Recht und Gesetz?

Das sagt das Kultusministerium zu "Schwänzen" und "Klimaschutz":

Ein Fernbleiben vom Unterricht zum Zwecke der Teilnahme an einer politischen Veranstaltung ist nicht gestattet ist. Auch ein Recht auf einen Schülerstreik existiert nicht. Vielmehr stellt ein Fernbleiben vom Unterricht ein Verletzen der Schulpflicht dar. Die Reaktion hierauf obliegt der Schulleitung. Es gehört zum Verantwortungsbereich und zur Souveränität einer Schulleitung, im eigenen Ermessen und Gestaltungsspielraum auf Verletzungen der Schulpflicht zu reagieren. Hier ist jeweils der Einzelfall zu prüfen und mit pädagogisch sinnvollen Maßnahmen zu reagieren (Erziehungs- oder Ordnungsmaßnahmen).

Das Thema „Klimaschutz“ ist als wichtiger Bestandteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) seit langem über die Richtlinien für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen über Schulart- und Fachgrenzen hinweg als verbindliche Aufgabe beschrieben. Im neuen LehrplanPLUS ist BNE als schulart- und fächerübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel aufgenommen. Auf diese Weise wird eine umfassende Behandlung des Themenbereichs über alle Fächer, Jahrgänge und Schularten hinweg angestrebt.


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