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Champagnerfarbene Rosen zum Gedenken

Wie begehen Angehörige den Todestag ihrer Lieben?

Ina Weichel. (Bild: Stephanie von Waldstein)

"Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang, nur vor dem Tode derer, die mir nah sind. Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?" heißt es in Mascha Kalékos Gedicht "Memento". Stirbt ein Familienmitglied, ein naher Angehöriger oder enger Freund, bedeutet das in der Regel eine Zäsur für die Hinterbliebenen. Wenn sich der Todestag (zum ersten Mal) jährt, muss jeder für sich einen Weg finden, damit umzugehen. Wir fragten nach: "Der Todestag jährt sich. Wie begehen Angehörige diesen Tag?"

"Eine Zeit intensiver Gefühle"

Ina Weichel, Leiterin Ambulanter Hospiz- und Palliativberatungsdienst des Malteser Hilfsdienstes e.V.:

Schon die Zeit bevor sich der Todestag eines nahestehenden Menschen zum ersten Mal jährt, ist für viele Trauernde eine Zeit intensiver Gefühle. Sie erinnern sich an die Tage, bevor der Mensch verstorben ist und was sich vor einem Jahr ereignete – an das Schmerzliche und hoffentlich auch an Gelungenes. Ein ganzer Jahreszyklus ohne den Verstorbenen ist vergangen, der Verlust musste verkraftet werden und das eigene Leben musste ohne den Verstorbenen gelebt werden. Viele Menschen begehen diesen Tag bewusst. Was sie für sich selbst als passend empfinden, ist individuell verschieden. Vielen Trauernden tut es wohl, wenn sich auch Menschen aus ihrem Umfeld an den Todestag erinnern und sie dies mit freundlichen Worten oder Gesten auch wissen lassen. Vielen Menschen ist es ein Bedürfnis zum Grab zu gehen. Manche fahren an einen gemeinsamen Lieblingsort oder treffen sich mit nahestehenden Menschen. Die Trauer ist nach einem Jahr nicht vorüber. Manche Menschen suchen Unterstützung in ihrer Trauer. Der Malteser Hospizdienst in Gräfelfing bietet monatlich eine offene Gruppe für trauernde Menschen an. Auskunft erhalten Sie gerne unter Tel. (089) 85837988.

"Es gibt keine Regeln"

Margit Kreibe, Krankenschwester und Palliative-Care-Fachkraft Hospizdienst DaSein e.V.:

Der Tod des Lebenspartners ist eine zutiefst traurige und schmerzvolle Erfahrung für diejenigen, die zurückbleiben. Wenn der Tag dieses Verlustes sich jährt, ist dessen Wunde entweder noch gar nicht oder erst mit ganz dünner, zarter Haut verheilt. Wie der Todestag von Hinterbliebenen erlebt und begangen wird, ist abhängig von der Beziehung zum Verstorbenen, dessen Leben und Sterben. Vor allem das Sterben selbst spielt eine wichtige Rolle! Wenn der Tod nach langer, schwerer und leidvoller Krankheit eingetreten ist, wird er von den Hinterbliebenen häufig als Erlösung für den Verstorbenen empfunden, der Abschied fällt dann nicht ganz so schwer. So kann vielleicht auch der Jahrestag schon dankbar und zuversichtlich – von schönen Erinnerungen geprägt – begangen werden.

So beging zum Beispiel der Ehemann einer Patientin, die wir von DaSein während ihrer kurzen, schweren Krankheit bis zu ihrem Tod zu Hause begleitet haben, den ersten Todestag seiner Frau sehr feierlich. Er besorgte einen großen Strauß ihrer Lieblingsrosen ("champagnerfarben"), brachte sie an ihr Grab und zündete eine Kerze "für meine liebe Frau" an. Abends deckte er den Tisch für zwei Personen (wieder mit Rosen), bereitete auch ein Menü für Zwei vor, hielt während des Essens stumme Zwiesprache mit seiner Frau, die in dieser Stunde "ganz nahe bei mir war". Schön und nur "ein bisschen traurig" fand Herr K. diesen ersten Todestag, er zeigte sich dankbar für die Zeit, die er mit seiner Frau haben durfte. In seinem Herzen aber lebe sie weiter, so lange auch er lebe!

Stirbt jedoch ein lieber Partner plötzlich und unerwartet, kann die Trauer auch nach einem Jahr noch tief und verstörend sein, der erste Jahrestag eine kaum verheilte Wunde wieder aufreißen. Den meisten Menschen ist der erste Todestag sehr wichtig. Der eine begeht ihn am Grab, der andere besucht Orte schöner gemeinsamer Erinnerungen. Andere wiederum treffen sich mit Familienangehörigen oder anderen Menschen, denen der Verstorbene lieb und wichtig war. Es gibt aber auch Menschen, die an diesem Tag allein sein möchten, um sich zu erinnern oder auch, um den Abschiedsschmerz noch einmal ganz still für sich zu durchleben und damit dem Verstorbenen noch einmal ganz nahe zu sein.

So individuell wie Menschen leben und sterben, so unterschiedlich sind auch die Trauer- und Gedenkrituale. Es gibt hier keine allgemeingültigen Regeln oder Vorgaben.

"Zum Ort des Sterbens"

Bernd Goers Mutter starb im vergangenen Jahr. Seine Familie wurde vom Stationären Christophorus Hospiz Verein begleitet:

Ich kann wirklich sagen, dass der Begriff des Trauerjahrs seine Berechtigung hat. Nach dieser Zeit konnten wir wieder gemeinsam über meine Mutter sprechen und an sie denken. Vorher war jeder selbst mit seiner eigenen Trauer und seinen Erinnerungen beschäftigt. So sind wir zum Jahrestag als Familie gemeinsam zum Ort des Sterbens, aber auch der letzten gemeinsam verbrachten Wochen des intensiven Miteinanders gekommen. Wichtig war, ihren Stein im Fluss der Steine wieder zu entdecken, der Erinnerung einen Ort zu geben. Es ist, wie meine Mutter sagte "ein guter Ort, wenn man vergisst, warum man da ist."


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