Bewerber
Es ist eisig auf der Piazza. Ausgerechnet heute ist es mehr als ungemütlich, um sich mehr als vorübergehend draußen aufzuhalten. Dennoch stehen fast 30 Menschen auf der Piazza. Frauen und Männer, Paare und zwei Familien warten geduldig. Einige stampfen mit den Füßen, um sich die Füße zu wärmen. Man sieht ihnen an, dass es nicht nur die Kälte ist, die ihnen zu schaffen macht. Sie warten auf etwas, in das sie Hoffnung, aber noch mehr Zweifel und Sorge legen. Sie betrachten die Balkone der Appartements an der Piazza. Die Paare flüstern mit bewegter Mimik. Jemand schildert am Telefon, was er hier sieht. Jeder Passant wird interessiert gemustert. Alle wenden sich ihm zu, bis klar ist, dass er vorübergeht. Rauchschwaden und Atemfahnen markieren die Wünsche der Wartenden.
Jemand, sehr geschäftsmäßig, kommt zielstrebig näher. Die Körper der Wartenden spannen sich an, versuchen schon von fern Kontakt aufzunehmen. Sein Handy klingelt und ruft ihn dahin zurück, woher er kam. Die Spannung weicht, die kurz vergessene Kälte kehrt zurück. Eine junge Frau kommt aus der anderen Richtung und spricht jemanden an, der versteht nicht, ein anderer nickt und sieht auf die Uhr. Es ist zehn nach neun. Sie ist zu spät und offenbar doch noch rechtzeitig. Noch eine Zigarette verraucht. Die Kinder werden unruhig und die Gruppe hat sich zusammengezogen. Die Wartenden versuchen, etwas weniger im kalten Wind zu stehen. Einer geht fort, schüttelt den Kopf, gibt offenbar auf.
Drei Personen kommen, jeder hat eine Mappe in der Hand. Wenige Worte werden gewechselt. Mit weiten Armbewegungen teilt, der vorhin telefonierend umgekehrt ist, die Frierenden in drei Untergruppen. Sie trotten hinter ihrem jeweiligen Ansprechpartner her. Einige werden demnächst Nachbarn sein, die anderen haben vergeblich gefroren.
In unserer nächsten Geschichte von der Piazza an der Bo kommt Besuch.
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