Aus einem Provisorium wird ein organisiertes System
Neue Weisungen auf der Tagung der Spielbeobachter
Die Initiative „Fairplay München“ besteht aus mehreren Modulen, die in ihrer Gesamtheit für eine friedliche Stimmung auf Münchens Amateurfußballplätzen sorgen sollen. Hierzu zählen das „Spiel der Woche“, der enge kommunikative Austausch in Form von „Runden Tischen“ zwischen den Vereinen, Schiedsrichtern und dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) sowie die Anti-Gewalt-Seminare, die künftig in die bestehenden Ausbildungen und Schulungen des BFV integriert werden sollen.
Die vierte wichtige Säule bilden die Spielbeobachter. Diese freiwilligen Helfer begeben sich – teils in geheimer Mission, teils offen – zu ausgewählten Fußballspielen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Nach einer Testphase, die sich bislang bewährt hat, wurde das System nun professionalisiert: Auf der Tagung, die vergangene Woche stattfand, wurden die Aufgaben, Kompetenzen und Verhaltensregeln, das Anforderungsprofil sowie das Berichtswesen nochmals konkretisiert.
Wieso braucht es Beobachter?
Es ist kein Geheimnis, dass der Münchner Amateurfußball in den vergangenen Jahren unnötige Negativschlagzeilen gemacht hat. In den Zeitungen war die Rede von Beleidigungen, Tätlichkeiten, ja sogar von Spielabbrüchen und Eskalationen, die im schwersten Fall den Einsatz von Polizeikräften erforderten. Dies hatte nicht nur eine Schiedsrichter- sondern auch eine hohe Spielerfluktuation zur Folge; das öffentliche Ansehen des Amateurfußballs geriet spürbar in Verruf.
Horst Winkler, Bezirksvorsitzender des BFV, sah hier dringenden Handlungsbedarf; aus der Not heraus wurden eher spontan freiwillige Beobachter zu potenziellen Risikospielen entsandt, damit sich der Verband einen Eindruck von den Spielabläufen verschaffen konnte. Damit gab Winkler zugleich den erforderlichen Anstoß für die Initiative „Fairplay München“. Bei der Planung und Umsetzung des „Fairplay“-Projektes wurden die Spielbeobachter zu einem festen Bestandteil. Sie tragen wesentlich zum Erfolg der Initiative bei: Im Vergleich zur letzten Saison ist mit ihrer Hilfe die Zahl der Sportgerichtsfälle deutlich zurückgegangen, auf Tätlichkeiten basierende Spielabbrüche gab es im Kreis München nicht. „Im Laufe der letzten Monate ist es auf den Plätzen deutlich ruhiger geworden“, bestätigte der Kreis-Vorsitzende Bernhard Slawinski. „Das mag auch am Schock-Effekt liegen, wenn die Vereine bei spannungsgeladenen Spielen den so genannten Montagsanruf von mir erhalten und ich nochmals nachhake, was denn am Wochenende los war. Wenn die Mannschaften nicht wissen, ob sie beobachtet werden oder nicht, nehmen sie sich generell zurück.“
Doch auf diesen Lorbeeren möchten sich die Mitwirkenden von „Fairplay München“ nicht ausruhen. Um dauerhaft reibungslose Spielabläufe zu erwirken, werden die Vorgehensweisen stetig verbessert. Was einst als Provisorium begann, hat sich inzwischen zu einem organisierten System entwickelt.
Der Kern des „Fairplay“-Teams
Bernhard Slawinski, Leiter der „Fairplay“-Initiative, wird von einem ehrenamtlichen Team unterstützt, das sich um die Organisation der einzelnen Module kümmert. Die Spieleinteiler Helmut Grohmann (Gruppe Ost), Stefan Seitz (Gruppe Süd & EDV Leiter) und Marian Zech (Gruppe Nord) arbeiten Ulrich Goldmann in seiner Funktion als Beobachtereinteiler zu und schlagen ihm – je nach Bedarf – Beobachter für die einzelnen Spiele vor. „Durch die Einteilung in die Gruppen sollen Anfahrtswege, die länger als zehn Kilometer sind, vermieden werden“, erklärte Ulrich Goldmann auf der Tagung. Neu ist auch, dass jeder Spielbeobachter seine Verfügbarkeit so präzise wie möglich angeben muss: „Bislang hatten wir das Problem, dass viele Helfer auch als Schiedsrichter tätig sind und wir deshalb nicht genau erfassen konnten, wer wann Zeit hat. Das Zusenden der Verfügbarkeit soll nun einen Überblick und eine leichtere Zuordnung der Beobachter ermöglichen“, führte Goldmann aus und betonte zudem: „Wer Spielbeobachter sein möchte, muss natürlich auch die Bereitschaft mitbringen, für Spiele zur Verfügung zu stehen. Das muss ja nicht jedes Wochenende sein, aber ein Mal in der Saison bringt auch nichts. Wer nicht angibt, wann er Zeit und Lust zum Beobachten hat, dem können wir leider auch keine Aufträge geben.“
Ebenfalls im „Fairplay“-Team aktiv sind Rudolf Maurer und Christos Sofis. Während Maurer in erster Linie für die Organisation von „Runden Tischen“ zum kommunikativen Austausch und zur Lösung von Problemen verantwortlich ist, hat Sofis die Leitung der „Spiele der Woche“ übernommen. Auch hierfür laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren, denn Anfang April soll das wöchentliche Event wieder starten. Die Münchner Wochenanzeiger werden als Medienpartner diesbezüglich auf dem Laufenden halten.
Nur Tatsachen feststellen
„Zurückhaltung ist ein absolutes Muss, ganz gleich, ob es sich um eine offene oder verdeckte Beobachtung handelt“, mahnte Ulrich Goldmann. Der Leiter des Spiels bleibe nach wie vor der Schiedsrichter, auf dessen Entscheidungen keinerlei Einfluss genommen werden dürfe. Daher sei während des Matches die Kontaktaufnahme zum Unparteiischen untersagt, auch wenn dieser den Beobachter bei einem offenen Einsatz um Rat bitte. „Die Hauptaufgabe besteht in der Feststellung von Tatsachen, eigene Beurteilungen dürfen während des Spiels nicht kommuniziert werden. Das Vorgehen lautet: gucken, erfassen, berichten“, so Goldmann. Die Beobachter haben zudem die Aufgabe, die Grundstimmung anhand des Verhaltens der Spieler und Zuschauer einzufangen und zu prüfen, ob der Platz vor Beginn ordnungsgemäß gecheckt worden ist. Besonders wichtig sei die dezente Prüfung, ob ein Ordnungsdienst anwesend und gekennzeichnet ist.
Die Ergebnisse der Beobachtung müssen innerhalb von 36 Stunden dem 'Fairplay'-Team in Form des elektronischen Spielberichts gemailt werden. Hier können positive wie negative Anmerkungen gemacht werden. „Wenn eine Frage mit 'positiv' oder 'negativ' beantwortet wird, muss aber auch vermerkt werden, weshalb. Nur wenn wir genau wissen, was kritisiert oder gelobt wird, können wir entsprechende Rückschlüsse ziehen“, vermerkte Bernhard Slawinski. Als positives Beispiel nannte er sehr gute Schiedsrichterleistungen, die im Anschluss an die entsprechende Schiedsrichter-Gruppe weitergegeben werden können.
Was tun bei Problemen?
Natürlich kam die Frage auf, inwiefern Spielbeobachter bei Spannungen zwischen den Beteiligten eingreifen sollen. „Hier muss letztendlich die Vernunft siegen“, sagte Ulrich Goldmann. „Jeder muss in der Lage sein einzuschätzen, ob er durch das Einschreiten seine Gesundheit riskiert. In jedem Fall muss Präsenz gezeigt werden: Wenn verdeckt beobachtet wird, muss man abwägen, ob eine Umwandlung in eine offene Beobachtung ein Resultat bringen kann.“ Goldmann rief auch dazu auf, notfalls mit dem Handy Vorfälle aufzunehmen, die Daten aber keinesfalls weiterzugeben oder die Geschehnisse zu kommentieren. Schließlich mahnte er eindringlich: „Wir sind nicht die Polizei! Sollte die Situation tatsächlich eskalieren, muss die Polizei gerufen werden.“
An dieser Stelle setzte Bernhard Slawinski darüber in Kenntnis, dass der BFV und damit auch „Fairplay München“ seit Kurzem mit der Landesinformationsstelle Sporteinsätze (LIS) der Polizei zusammenarbeiten: „Diese ist für die Sicherheit bei Sportveranstaltungen zuständig und koordiniert Einsätze. Bei Risikopaarungen wird die LIS im Vorfeld informiert, so dass bei Notfällen ein schnelles Erreichen des Ortes möglich ist. Der eingeteilte Spielbeobachter kann somit für schnelle Hilfe sorgen.“
Dies seien jedoch nur Präventionsmaßnahmen, hob der Kreis-Vorsitzende hervor. Die vergangene Saison habe gezeigt, dass viele Vereine um ein entspanntes Umfeld und friedliche Spiele bemüht seien, worüber sich Slawinski sehr freute: „Einige Vereinsvertreter sind bereits auf uns zugekommen und haben uns um eine Zusammenarbeit gebeten – sei es in Form eines 'Spiels der Woche', eines 'Runden Tisches' oder durch das Anfordern eines Spielbeobachters. Für unsere Initiative ist das die schönste Anerkennung.“
„Stolz auf dieses System“
Die vielen engagierten Spielbeobachter wurden mit einem kräftigen Lob in ihre Aufgaben entlassen. „Ich bin stolz auf dieses System, stolz auf alle Helfer! Waren wir vor kurzem noch ein provisorischer Haufen, so sind wir heute ein Uhrenwerk, dessen Räder ineinandergreifen“, verbildlichte Slawinski die Fortschritte.
Abschließende Worte sprach Ehrengast Robert Schraudner, Bezirksschiedsrichter-Obmann Oberbayern: „Ich persönlich finde es unglaublich und lobenswert, wie rasch sich 'Fairplay München' zu einer festen Institution in München entwickelt hat! Die Initiative hat meine vollste Unterstützung und auch ich danke allen Mitwirkenden, die sich in ihrer Freizeit aktiv für eine Verbesserung des Amateurfußballs einsetzen!“
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