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Aufwand, der sich auszahlt

Dominik Bauer (MLLV) schätzt die Übergangsklassen für Zuwanderer

In unseren Ausgaben voriger Woche (Sendlinger Anzeiger / Werbe-Spiegel KW 02) haben wir viele Beiträge über "Übergangsklassen" veröffentlicht. In diesen Klassen werden Kinder unterrichtet, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse in unser Schulsystem kommen - z.B. Flüchtlinge. Durch die Sprachförderung sollen sie möglichst rasch in die Lage versetzt werden, in "normale" Klassen wechseln zu können. In Bayern gibt es derzeit 341 solcher Ü-Klassen in Grund- und Mittelschulen - 85 davon in der Stadt München.

Dominik Bauer ist Fachberater für Deutsch als Zweitsprache und Berater für interkulturelles Lernen am staatl. Schulamt der Landeshauptstadt München. Im Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverband MLLV beschäftigt er sich in den Arbeitskreisen "Mittelschule" und AK "Integration / DaZ-Sprachlerner" auch mit den Ü-Klassen. Der Schulexperte sprach mit Johannes Beetz über die Ü-Klassen.

"Sie gewinnen an Stellenwert"

Wie bewerten Sie die Bedeutung der Ü-Klassen?

Dominik Bauer: Übergangsklassen gewinnen immer mehr an Stellenwert. Sie sind - zumindest in Großstädten wie München - als System etabliert und eignen sich hervorragend, um Zuwanderern und Flüchtlingen die deutsche Sprache von Grund auf beizubringen. Unterrichtet werden die meisten Fächer wie z.B. Deutsch, Mathematik, Sport, GSE (Geschichte / Sozialkunde / Erdkunde) oder PCB (Physik, Chemie, Biologie). Der Unterricht ist aber sehr sprachsensibel ausgelegt, da jedes Fach prinzipiell "Deutsch lernen" bedeutet.

"In adäquater Anzahl geschaffen"

Gibt es genügend Ü-Klassen oder müssen Regelklassen förderbedürftige Schüler auffangen? Wie sieht die zukünftige Entwicklung aus?

Dominik Bauer: In München passt sich die Anzahl der Übergangsklassen dem jeweiligen Zustrom an. Das heißt, dass auch unter dem Schuljahr neue Schüler in die bestehenden Ü-Klassen aufgenommen oder vom staatl. Schulamt neue Ü-Klassen geschaffen werden, wenn die bestehenden Klassen voll sind. Meiner Ansicht nach kommen Politik und Schulaufsicht ihrer Aufgabe in München gut nach, die Ü-Klassen in adäquater Anzahl zu schaffen und um auf den zukünftigen Zustrom reagieren zu können.

"Für Lehrer sehr kräftezehrend"

Immer mehr Analphabeten kommen in Ü-Klassen: Muss das Modell entsprechend angepasst werden?

Dominik Bauer: Das Modell Ü-Klasse bedeutet auch, dass Lehrkräfte Analphabeten in ihren Klassen unterrichten. Das ist - betrachtet man die Heterogenität, die in diesen Klassen herrscht - sehr kräftezehrend für die Lehrkräfte.
Stellen Sie sich eine Klasse vor, in der Sie z.B. vom Analphabeten über tagtäglich dazukommende oder abgehende Schüler mit unterschiedlichsten Sprachkenntnissen sowie kulturellen Prägungen bis zum Schüler mit geistiger Behinderung oder gymnasialen Niveau unterrichten müssen.

"Der Aufwand ist immens"

Muss die Unterstützung für die in Ü-Klassen engagierten Lehrer verbessert werden?

Dominik Bauer: Aufgrund der angesprochenen Heterogenität sollte das Engagement der Lehrkräfte in Übergangsklassen entsprechend gewürdigt werden. Der Aufwand in Vorbereitung, Differenzierung, Nachbereitung, Organisationsmanagement, pädagogischer Betreuung und Vernetzung mit außerschulischen Partnern ist immens.


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