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Anwesenheit in der Schule gilt nicht als Impf-Einwilligung

(Bild: unsplash / Taylor Wilcox)

Ohne Einverständnis der Eltern darf ein Kind in der Schule nicht geimpft werden. Das gilt in Deutschland. Auf einigen Internetseiten wird allerdings suggeriert, dass dem nicht so sei. Dafür wurde ein Zitat der Weltgesundheitsorganisation aus dem Kontext gerissen.

"Die Anwesenheit des Kindes in der Schule, reicht als Einwilligung zur Impfung [sic]": Unter dieser Überschrift wurde am 21. September ein Text auf dem Blog "Das ist Rostock" veröffentlicht. Darin wird behauptet, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem "Strategie-Papier" erklärt habe, die bloße Anwesenheit des Kindes in der Schule könne "als Einwilligung zu einer Impfung angesehen werden". Es gehe dabei um Kinder zwischen dem sechsten und siebzehnten Lebensjahr.

Der Text wurde knapp 5.000 Mal auf Facebook geteilt – unter anderem von der AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann. CORRECTIV hat sich das Dokument der WHO angesehen, auf das sich der Beitrag bezieht. Darin wird die Situation weltweit beschrieben. Das Dokument der WHO von 2014 fasst "Überlegungen zur Einwilligung bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren" zusammen. Wie in der Einleitung zu lesen ist, handelt es sich um eine Art Leitfaden für Programm-Manager der WHO, die Länder weltweit bei der Umsetzung von Impfprogrammen gegen vermeidbare Krankheiten unterstützen.

Demnach ist in einigen Ländern ein "implizites Einwilligungsverfahren" möglich, bei dem die Eltern zum Beispiel durch einen Brief über die bevorstehende Impfung informiert werden. Doch die WHO schrieb auch, dass die Länder dazu ermutigt werden, "Verfahren einzuführen, die sicherstellen, dass die Eltern informiert wurden und der Impfung zugestimmt haben."

Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums: "Völliger Blödsinn"

In Deutschland könnte die Anwesenheit des Kindes in der Schule nicht als Einwilligung zur Durchführung einer Impfung gewertet werden. Dies schrieb ein Sprecher der Kultusministerkonferenz. Er ergänzte. "Die Durchführung einer medizinischen Maßnahme, wie zum Beispiel einer Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und ist juristisch als Körperverletzung zu werten."

CORRECTIV wandte sich auch an das Bundesgesundheitsministerium. Die Aussage, dass die Anwesenheit des Kindes in der Schule als Einwilligung zur Impfung ausreiche, bezeichnete ein Sprecher als "völligen Blödsinn". Die einzige Pflicht-Impfung in Deutschland ist die Masernschutzimpfung. Davon betroffen sind Personen, die nach 1970 geboren sind und in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten oder dort betreut werden. Nicht geimpfte Kinder können vom Besuch des Kindergartens oder der Schule ausgeschlossen werden.

Das Gesundheitsministerium schrieb dazu: "Vor Durchführung einer Schutzimpfung ist es ärztliche Pflicht, die zu impfende Person oder den anwesenden Elternteil bzw. Sorgeberechtigten über die zu verhütende Krankheit und die Impfung aufzuklären. Die Aufklärung muss durch die behandelnde Person oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt." Bei Minderjährigen unter 14 Jahren sei regelmäßig die Einwilligung der Eltern oder Sorgeberechtigten einzuholen. Dies gelte auch für öffentliche Impftermine wie Schul-Impfprogramme. "Hier werden von der Ständigen Impfkommission eine vorherige Aufklärung in schriftlicher Form und gegebenenfalls auch die Einholung einer schriftlichen Einwilligungserklärung empfohlen."

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