Zu Gast bei Freunden
In München stellen Anzeigenblattverlage aus ganz Deutschland Weichen für die Zukunft
"Nur Lesende können verstehen, was in der Welt los ist", sagt Prof. Dr. Michael Haller. "Texte erklären die Welt, Bilder allein reichen dazu nicht." Der renommierte Medienwissenschaftler diskutierte mit Vertretern bundesdeutscher Anzeigenblätter in München darüber, wie sich die Mediennutzung gegenwärtig verändert.
Die Welt wandelt sich rasend schnell. Digitale Geräte sind längst selbstverständlich - über sie läuft die Kommunikation zwischen Menschen, über sie werden Nachrichten und Informationen verbreitet. Doch in allen Altersgruppen ist die Zahl derer, die in der digitalen Flut vergeblich wichtige Informationen suchen, messbar hoch. "Die Menschen finden nicht die lokalen Informationen, die sie betreffen", so Haller. Dabei wächst nicht nur digitale Welt, sondern zugleich das Interesse der Menschen an ihrem unmittelbaren Umfeld. Für Nachrichten aus ihrem Viertel und Informationen aus ihrer Nachbarschaft wollen indes die wenigstens Nutzer etwas bezahlen. Anzeigenzeitungen sind daher auch in einer "digitalen" Welt prinzipiell ein attraktives Lesemedium, so Hallers Einschätzung. Die Blätter stehen aber vor der Aufgabe, ihren Lesestoff den Nutzern unterhaltsam zu vermitteln.
Rekordbeteiligung in München
Wie das gelingen kann und wie sich Verlage im digitalen Wandel positionieren, wurde bei der Herbsttagung des Bundesverbandes deutscher Anzeigenblätter (BVDA) diskutiert. Er stand ganz im Zeichen des veränderten Medienkonsums, den Stärken von Print und den Herausforderungen in der Verlagslogistik. Rund 300 Anzeigenblattverlegern, Experten und Multiplikatoren aus allen Regionen der Bundesrepublik konnte der BVDA zu der Tagung in München willkommen heißen. Eine Rekordbeteiligung - noch nie zuvor hatten sich so viele Gäste bei einer BVDA-Herbsttagung getroffen wie in München.
Herausforderungen bewältigen
"Die große Herausforderung ist die Positionierung der Anzeigenblätter im digitalen Wandel", unterstrich auch BVDA-Präsident Alexander Lenders. Die Verlage arbeiten bereits an ihren Digital-Strategien und verknüpfen zunehmend die Offline- mit der Online-Welt. "Trotz des rasanten Wandels dürfen wir allerdings auch das gedruckte Anzeigenblatt nicht aus den Augen verlieren, dies ist nach wie vor unser Kerngeschäft", betonte Lenders. "Entscheidend ist, dass die lokalen Wochenblätter für ihr Publikum relevant bleiben und weiter ganz nah bei ihren Lesern sind."
Sehnsucht nach kleinen Welten
Trendforscher Peter Wippermann beleuchtete die Zukunft des Mediennutzungsverhaltens. "Unter der Oberfläche des Digitalen wächst die Sehnsucht nach kleinen Welten - hier liegen die Stärken der Wochenblätter", bestätigte er die Einschätzung von Prof. Haller. Anzeigenblätter, resümierte der Forscher, versprächen eine "digitale Entgiftung". Draunter versteht man auch eine Bewegung, die für einen bewussteren Umgang mit dem Smartphone und der Abkehr von permanenter Verfügbarkeit steht.
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