Zoff mit dem Tod
Michael Vogtmann und Heiko Ruprecht über die Aktualität eines 600 Jahre alten Werkes

Verkörpert den Tod: Michael Vogtmann. (Foto: B. Nottebohm)
Ein Streitgespräch mit dem Tod erklingt am Freitag, 30. Oktober, in der evang. luth. Passionskirche (Tölzer Str. 17). "Der Ackermann und der Tod" heißt das Werk, das Johannes von Tepl um das Jahr 1400 verfasste und das als eines der bedeutendsten Werke der spätmittelalterlichen deutschen Literatur gilt. In den ungeraden Kapiteln macht der Ackermann, dessen Frau jung gestorben ist, dem Tod schwere Vorwürfe. In den geraden Kapiteln hält der Tod mit seinen Argumenten dagegen. Der Schauspieler und Regisseur Michael Vogtmann, der in der Rolle des Todes zu erleben ist, hat das Werk bearbeitet und teilweise neu übersetzt. Die Rolle des Ackermanns übernimmt Heiko Ruprecht. Die Organistin Sirka Schwartz-Uppendieck spielt die dazugehörige Komposition von Dorothea Hofmann. Tanja Beetz sprach mit Michael Vogtmann und Heiko Ruprecht über den Tod früher und heute und die Aktualität eines 600 Jahre alten Werkes.
"Eine immer wichtigere Rolle"
"Sobald ein Menschenkind geboren ist, sogleich ist es bestimmt zu sterben" hält der Tod dem Ackermann in dem Streitgespräch vor. Der Tod ist von Anfang an Teil unseres Lebens. Vergisst man das heute, weil wir aufgrund einer längeren Lebensspanne dem Tod nicht so nahe scheinen wie die Menschen früher?
Michael Vogtmann: Gute Frage, aber wenn ich mich umhöre, stelle ich fest, dass der Tod ab einem bestimmten Alter eine immer wichtigere Rolle spielt. Ich weiß nicht, ob das früher anders war.
Heiko Ruprecht: Ich denke, dass wir heute aufgrund der so viel besseren medizinischen Versorgung unterschwellig dem Irrglauben aufsitzen, wir könnten den Tod in Schach halten. Wie gefährdet das Leben ist, erlebt man aber z.B., wenn man mit befreundeten Paaren über die Geburt ihrer Kinder spricht: Erstaunlich viele Eltern berichten dann von lebensbedrohlichen Entbindungen für Mutter und Kind – auch heute noch.
"Aus heiterem Himmel"
Johannes von Tepl verfasste sein Stück um das Jahr 1400. Hatten die Menschen damals ein anderes Verhältnis zum Tod als heute?
Michael Vogtmann: Ziemlich sicher, es ist das ausgehende Mittelalter, der Tod war ein ständiger Begleiter, die Medizin war steinzeitlich, überall lauerten Gefahren und die Menschen starben wesentlich früher als heute.
Heiko Ruprecht: Mit Sicherheit! Der Tod war damals viel stärker präsent im Leben einer Familie und er traf die Menschen oft früh und "aus heiterem Himmel", etwa in Form einer unheilbaren Krankheit, der man nichts entgegensetzen kann. Man neigte wahrscheinlich eher dazu, ihn als schicksalshaft und gottgegeben annehmen zu müssen.
"Gewaltige Sprache"
Was fasziniert Sie an einem 600 Jahre alten Stück?
Michael Vogtmann: Die gewaltige Sprache, das ewige Thema Tod, die überraschende Aktualität und das schöne, versöhnliche Ende. Und die großartige Orgelmusik von Dorothea Hofmann, die allerdings keine 600 Jahre alt ist.
Heiko Ruprecht: Es ist erstaunlich, wie sehr einen dieser mittelalterliche Text auch heute noch ergreift, da er Fragen stellt, die uns heute genauso beschäftigen wie die Menschen damals: Warum trifft es mich bzw. meine Frau? Warum ist Gott so ungerecht? Was habe ich getan, daß er mich mit dem Tod bestraft?
"Zeitgemäße Frage"
Das Streitgespräch ist ein religiöser Text. Heute spielt die Religion eine ganz andere Rolle als vor 600 Jahren. Warum finden Sie das Stück trotzdem zeitgemäß?
Michael Vogtmann: Ob religiös oder nicht, der Mensch steht immer vor dem gewaltigen Rätsel Leben und Tod: Warum ist das so? Und diese Frage wird immer zeitgemäß sein.
"Das kommt auf die Perspektive an"
Ohne dem Ende vorgreifen zu wollen: Wer von den beiden Kontrahenten hat die besseren Argumente?
Michael Vogtmann: Das entscheidet Gott in seinem Urteil, mehr darf ich nicht verraten.
Heiko Ruprecht: Das kommt auf die Perspektive an: Der Tod betont ja, dass er der große "Gleichmacher" sei und somit unparteiisch und gerecht. Aber er ist ja auch nicht selbst betroffen. Der Ackermann dagegen prangert die zynische Willkür an, mit der der Tod zuschlägt. Sie haben beide recht, denke ich – aber als Darsteller des Ackermann liegt mir naturgemäß seine Position näher!
"Vergänglich wie der gestrige Tag"
Viele Gedanken in dem Text treffen überraschend viele Aspekte unserer Gesellschaft. Gibt es einen Satz, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Michael Vogtmann: Der Tod sagt zum Schluss: "Merke und erkenne, was die Menschen auf Erden vorhaben: wie sie Berg und Tal, Stock und Stein, des Meeres Grund, die Alpen und der Erde Tiefe um irdischen Gutes willen durchwühlen. Wie sie von Gold, Silber, Edelsteinen und Prunkgewändern Häuser und Kisten voll haben; Wollust und Genuss pflegen, nach denen sie Tag und Nacht gieren und trachten." Was bedeutet das alles? Nichts als Eitelkeit und Krankheit der Seele, vergänglich wie der gestrige Tag.
Heiko Ruprecht: "Gespött müssen die Menschen oftmals um der Wahrheit willen aushalten. So geht es auch mir", sagt der Ackermann gegen Ende des Streitgesprächs. Das kennt man doch: Die Wahrheit möchte man nicht hören, denn sie tut manchmal weh. Oder man macht sich deshalb sogar lustig über sie. Und derjenige, der den Mut hat sie auszusprechen, wird oft angefeindet und steht im Wind.
Die Aufführung
"Der Ackermann und der Tod. Ein Streitgespräch mit Orgel um 1401" in der evang. luth Passionskirche (Tölzer Str. 17), am Freitag, 30. Oktober, Beginn ist um 19.30 Uhr. Karten (18 Euro, ermäßigt 13 Euro) unter Tel. (089) 7231353.
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