Wohin wir alle am Ende gehen
Allerheilgen: Traditionen um das Totengedenken
"Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht", sagte Epikur. Dass es mit dem Leben und dem Tod – zumindest emotional betrachtet – nicht immer ganz so einfach ist, zeigen Totengedenktage wie Allerseelen und der Totensonntag. Leise flüstern sie uns zu: Altes muss vergehen, damit Neues entstehen kann. Was bleibt, sind die Traditionen. Aber welche sind das?
Eigentlich ein Festtag
Das Hochfest Allerheiligen am 1. November wird von den katholischen Christen seit dem frühen 9. Jahrhundert gefeiert. An diesem Tag wird all jener Heiligen gedacht, die keinen eigenen Namenstag besitzen oder um deren Heiligkeit nur Gott weiß. An Allerseelen am 2. November beten die Katholiken wiederum für all ihre Verstorbenen.
Die Reformation lehnte einen Totengedenktag zunächst ab, im Kirchenvolk bestand jedoch der Wunsch nach einem Trauertag für die Verstorbenen fort. So bestimmte die Brandenburger Kirchenordnung im Jahr 1540, den letzten Sonntag vor Advent dem Zwecke des Gedenkens zu eröffnen. Heuer fällt der Toten- oder auch Ewigkeitssonntag auf den 20. November.
Aus den beiden Gedenktagen Allerheiligen und Allerseelen hat sich die Tradition des Totengedenkens entwickelt, der sich in ökumenischen Feiern auch evangelische Christen anschließen. Nach katholischem Verständnis handelt es sich dabei im eigentlichen Sinne nicht um Toten- sondern Festtag, denn der Glaube an die Auferstehung ist ein wichtiger Inhalt des Allerseelentages. Die Auferstehung bekräftigt auch Jesus in seiner Bergpredigt den Sadduzäern gegenüber: „Dass aber die Toten auferstehen, habt ihr das nicht im Buch des Mose gelesen, in der Geschichte vom Dornbusch, in der Gott zu Mose spricht: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist doch nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden.“ (MK, 12, 26-27).
Erinnerungen an Früher
An diesen Tagen wird in München vielen traditionellen Bräuchen nachgegangen: Familien schmücken die Gräber ihrer Angehörigen mit Blumen, zünden Kerzen an und die städtischen Friedhöfe veranstalten ökumenische Totengedenkfeiern, bei denen die Gräber gesegnet werden. Die Traditionen zu diesem „stillen Feiertag“ (öffentliche Tanzveranstaltungen sind gesetzlich verboten) haben sich in unserer Landeshauptstadt gehalten, wie die vielen besinnlichen Termine in München, aber auch die zahlreichen Einsendungen unserer Leser sowie die Antworten befragter Personen des öffentlichen Lebens zeigen. "Bei uns trifft sich die Familie, um zu den Gräbern der Angehörigen zu gehen. Danach wird der Tag zusammen verbracht", schreibt Leser Jens Brosinski. Für Leserin Christa Hoffmann-Posluszny hat der Tag aus familiengeschichtlichen Gründen „einen hohen Stellenwert“. Die Haderner Seniorenbeirätin Ingrid Appel erinnert sich für uns zurück: „Allerheiligen war für uns ein großes Familienfest. Schon Tage vorher richtete man die Gräber liebevoll und prachtvoll her.“
Vereinende Gedanken
Und so kommt es, dass die Münchner Friedhöfe insbesondere an diesen Gedenktagen zu sehr lebendigen und leuchtenden Orten werden: Sie sind für entfernt lebende Familienangehörige oft ein „fester Treffpunkt im Jahreskreis“, wie Ingrid Haussmann vom Bezirksausschuss Allach-Untermenzing sagt. Es sind diese schönen Traditionen, die Menschen zusammenkommen lassen und gedanklich vereinen. Und auch wenn die Trauer um einen lieben Menschen noch frisch sein mag, so ist für viele genau dieses familiäre Wiedersehen und gemeinsame Zurückdenken ein Grund für einen Freudentag. Ob katholisch oder evangelisch, gläubig oder nicht: Allerheiligen mit seinen Bräuchen berührt und vereint uns, denn es ruft uns sanft in Erinnerung, woher wir kommen und wohin wir alle am Ende unseres Lebensweges gehen.
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