Wie wenden Sie den Griff in die Rentenkasse ab?
So denken unsere Bundestagskandidaten

Am 24. September wird der nächste Bundestag gewählt. (Foto: sko)
Wie die Zukunft jedes Einzelnen aussieht, hängt auch von der Altersvorsorge und der Rente ab. Am 24. September wird der Bundestag gewählt. Die Münchner Wochenanzeiger haben den Bundestagskandidaten in ihrem Verbreitungsgebiet zur Rente folgende Frage gestellt:
Aus der Rentenkasse werden Gelder für andere staatliche Aufgaben verwendet. Der Verein Betriebsrentner schätzt, dass den Rentnern seit 1957 750 Milliarden Euro verloren gingen und sie daher nur die Hälfte der für sie möglichen Rente bekommen. Teilen Sie diese Rechnung? Wie wollen Sie den Griff des Staates in die Rentenkasse abwehren?
"Müssen vom Staat finanziert werden"
Sebastian Roloff (SPD), Direktkandidat München Süd (Wk 219):
"Man kann fast sagen, dass es – leider – eine Art Tradition in Deutschland hat, Leistungen des Staates aus den Beiträgen der Rentenversicherung zu bezahlen. Für mich ist ganz klar: Es handelt sich um wichtige gesellschaftliche Aufgaben, die vom Staat finanziert werden müssen, das heißt von der Solidargemeinschaft. Die Finanzierung dieser Aufgaben darf also nicht einseitig auf dem Rücken der Rentnerinnen und Rentner ausgehandelt werden, sondern muss steuerfinanziert sein. Dies gilt für die sogenannte Mütterrente genauso wie für die Renten in den neuen Bundesländern, die Rente für Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen sowie Kriegsopfer. Dazu gehören dann auch – für mich als Sozialdemokrat selbstverständlich – ein gerechtes Steuersystem, in dem zum Beispiel Arbeit nicht stärker belastet wird als Einkünfte aus Kapitalvermögen."
"Aus Steuermitteln finanzieren"
Nicole Gohlke (Die Linke), Direktkandidatin München Süd (Wk 219):
"Selbstverständlich setzen wir uns dafür ein, gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Angleichung der Rente im Osten der Republik und die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht über Rentenbeiträge, sondern aus Steuermitteln zu finanzieren, um den Spielraum für dringend benötigte Leistungsverbesserung nicht einzuengen."
"Ein paar Dinge rückgängig machen"
Thomas Sattelberger (FDP), Direktkandidat München Süd (Wk 219):
"Richtig ist: Aus der Rentenkasse werden auch sogenannte versicherungsfremde Leistungen finanziert. Etwa Witwen- und Waisenrenten, Mütterrenten, Fremdrenten für Spätaussiedler. Versicherungsfremde Leistungen werden co-finanziert durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt: 2017 sind es 91 Milliarden Euro. Ob dies ausreicht, ist strittig. Ich trete dafür ein, dass der Staat versicherungsfremde Leistungen finanziert, ohne in die Rentenkasse zu greifen. Dazu gehört im ersten Schritt, ein paar Dinge rückgängig zu machen, die Union und SPD in jüngster Zeit angerichtet haben. Zum Beispiel haben sie die höhere Anrechnung von Kindererziehungszeiten den Beitragszahlern und nicht den Steuerzahlern auf die Rechnung gesetzt – so dass der Arbeiter jetzt die Mütterrente der Zahnarztgattin bezahlt."
"System, das sich selber trägt"
Stephan Pilsinger (CSU), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
"Die Schätzungen, was alles zu versicherungsfremden Leistungen gerechnet werden muss, gehen auseinander – gängig ist, zwischen ein Viertel und ein Drittel als versicherungsfremd zu bewerten. Natürlich könnte man hier kontern, dass über den Bundeszuschuss auch ein ähnlich großer Anteil aus Steuermitteln in die Rentenkasse fließt – alles Geld, das nicht aus den Beiträgen stammt. Tatsächlich muss aber das langfristige Ziel ein System sein, das sich selber trägt und das der Rentenkasse nicht immer weiter versicherungsfremde Leistungen aufbürdet. Das sollte im Rahmen der Weiterentwicklung der Rente geschehen. Dazu soll nach Plänen von CDU und CSU eine überparteiliche Kommission bis 2019 für Antworten sorgen, damit wir auch für die Zeit nach 2030 ein sicheres Rentensystem haben."
"Nicht von heute auf morgen"
Bernhard Goodwin (SPD), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
"Es ist falsch, wenn der Staat Leistungen aus der Rentenkasse finanziert, die eigentlich Aufgaben der gesamten Solidargemeinschaft sind. Denn in die Rente zahlen nicht alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen ein. Im Gegensatz zur Steuer gilt hier auch nicht der Grundsatz, dass breitere Schultern eine höhere Last tragen müssen. Ich setze mich dafür ein, dass wir den Wechsel in ein System der Bürgerversicherung einleiten, in das alle gleichermaßen einbezahlen. So kann die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfest gemacht werden. So etwas geht nicht von heute auf morgen, da die bestehenden Besitzstände gewahrt bleiben werden. Aber: Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, werden wir nicht vorankommen."
"Stärker an versicherungsfremden Leistungen beteiligen"
MdB Dieter Janecek (Grüne), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
"Der Bund muss sich stärker als bisher an den so genannten versicherungsfremden Leistungen der Rentenkasse beteiligen. Es kann nicht sein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente einseitig zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung und damit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gehen."
"Struktuerelle Überprüfung"
Lukas Köhler (FDP), Direktkandidat München West / Mitte (Wk 220):
"Unserer Meinung nach darf die gesetzliche Rentenversicherung nicht zum Selbstbedienungsladen der Politik werden. In den letzten Jahren wurden immer wieder Sozialversicherungsbeiträge genutzt, um versicherungsfremde Leistungen zu finanzieren, nicht nur aus der Rentenkasse. Dadurch werden die Kassen der Sozialversicherungen unnötig belastet und Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen dadurch finanzielle Lasten, die eigentlich von der Gemeinschaft der Steuerzahler erbracht werden müssten. Diese Belastung drückt sich wiederum in höheren Beiträgen oder Leistungskürzungen an anderer Stelle aus. Deshalb sollte eine strukturelle Überprüfung der Leistungen durchgeführt werden und versicherungsfremde Leistungen aus den Sozialversicherungen ausgegliedert werden. Diese Leistungen müssen nämlich aus dem Bundeshaushalt finanziert werden."
"Renten sind bis 2030 sicher"
MdB Florian Hahn (CSU), Direktkandidat München Land (Wk 221):
"Den beschriebenen Griff in die Rentenkasse gibt es nicht. Es ist vielmehr so, dass die Renten seit dem Jahr 2014 um 10% gestiegen sind. Die Rentner haben heute außerdem real mehr Geld zur Verfügung als zu Beginn der Legislaturperiode. Durch die Rentenreform 2007 haben wir dafür gesorgt, dass die Renten bis 2030 sicher sind. Das alles zeigt: Die Politik der CSU zeigt Wirkung und kommt bei den Menschen an. Auch in den kommenden vier Jahren wollen wir uns aktiv für die Rentnerinnen und Rentner einsetzen."
"Mittelschicht nicht zu sehr belasten"
Bela Bach (SPD), Direktkandidatin München Land (Wk 221):
"Natürlich darf sich der Staat nicht beliebig an Rücklagen aus der Rentenkasse bedienen und es ist gut, dass wir dabei genau hinschauen. Aber wir dürfen uns nicht von der wesentlich wichtigeren Diskussion ablenken lassen: Wir müssen im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit endlich ein tragfähiges Rentenkonzept entwickeln. Faire Beiträge, die junge Menschen und die Mittelschicht nicht zu sehr belasten und eine ebenso faire Rente, die alte Menschen vor Armut schützt und ihr Arbeitsleben honoriert. Gute Löhne und mehr Flexibilität beim Renteneintrittsalter sind dafür Grundvoraussetzungen."
"Ich teile diese Bedenken nicht"
Michael Kießling (CSU), Direktkandidat Starnberg / Landsberg (Wk 224):
"Neben der Auszahlung von Renten erfüllt die Rentenversicherung weitere wichtige gesetzlichen Aufgaben wie zum Beispiel Rehabilitationsleistungen. Außerdem teile ich diese Bedenken nicht, denn tatsächlich sind die Renten seit dem Jahr 2000 um rund 16,3 Prozent gestiegen. Insbesondere haben Rentner heute real mehr Geld zur Verfügung als zu Beginn der Legislaturperiode. Das halte ich für einen Beweis dafür, dass die Politik der Union Wirkung zeigt und bei den Menschen ankommt. Diese Erfolge wollen wir fortführen."
"Rechenschaftspflicht gegenüber den Versicherten"
Harald von Herget (Freie Wähler), Direktkandidat Starnberg / Landsberg (Wk 224).
"Ich setze mich ein für die Geltung des Prinzips des Zusammenhangs zwischen Aufgabe und Finanzierung. Das heißt die DRV darf ihre Einnahmen generieren und damit ihren Bedarf decken, unangetastet. Ferner fordere ich eine Rechenschaftspflicht der DRV-Gremien gegenüber den Versicherten, also eine Reform im Zusammenhang mit der Sozialwahl."
"Wir garantieren eine echte Rente"
Kerstin Täubner-Benicke (Grüne), Direktkandidatin Starnberg / Landsberg (Wk 224):
"Mütterrenten, Anrechnungszeiten, Fremdrenten ..., alles Leistungen, die ohne entsprechende Beitragszahlungen gewährt werden zu Lasten der Rentenversicherten. Je nach Abgrenzung weit über 60 Milliarden jedes Jahr. Das wollen wir ändern. Um die gesetzliche Rente finanziell besser aufzustellen und solidarischer zu finanzieren, wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus Steuergeldern bezahlen, die Einnahmebasis verbreitern, insbesondere Frauen bessere Beschäftigungsmöglichkeiten bieten und auch gezielte Zuwanderung ermöglichen. Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, garantieren wir eine echte Rente anstatt bedürftigkeitsgeprüfter Grundsicherung. Private und betriebliche Vorsorge werden auf unsere Garantierente nicht angerechnet."
"Darf nicht zur Gewohnheit werden"
Britta Hundesrügge (FDP), Direktkandidatin Starnberg / Landsberg (Wk 224):
"Versicherungsfremde Leistungen sollen im Grundprinzip komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Rentenkasse musste schon bei der Wiedervereinigung herhalten. Es darf nicht zur Gewohnheit oder gar zum Selbstverständnis werden, dass die Rentenkasse als Reservekasse für den Staatshaushalt dient. Die Rentenkasse muss gesetzlich so verankert sein, dass sie nicht zweckentfremdet werden kann."
"Müssen von der Allgemeinheit finanziert werden"
Michael Schrodi (SPD), Direktkandidat Fürstenfeldbruck (Wk 215):
"Die Rentenversicherung ist zuständig für Renten wegen Alters, Erwerbsminderung oder Rehabilitationsleistungen. Die teilweise Finanzierung der deutschen Einheit aus der Rentenkasse war der große Sündenfall der CDU/CSU. Auch andere Leistungen wie beispielsweise die Mütterrente sind versicherungsfremde Leistungen und müssen eigentlich von der Allgemeinheit, also aus Steuermitteln finanziert werden. Genau das muss auch geschehen. Ich werde mich jedenfalls dafür stark machen."
"Bund muss sich stärker beteiligen"
MdB Beate Walter-Rosenheimer (Grüne), Direktkandidatin Fürstenfeldbruck (Wk 215):
"Der Bund muss sich stärker als bisher an den sogenannten versicherungsfremden Leistungen der Rentenkasse beteiligen. Es kann nicht sein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente einseitig zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung gehen."
"Staat unterstützt Rentenkasse"
Alexander Dobrindt (CSU), Direktkandidat Weilheim (Wk 226):
"Die Rentenversicherung finanziert immer rentenpolitische und soziale Ausgleichsmaßnahmen. Dazu gehören neben der gesetzlichen Rente beispielsweise Witwenrenten und Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderung. Das finde ich richtig. Der Bund schießt jährlich rund 100 Milliarden Euro in die Rentenkasse zu, um die Ausgaben zu finanzieren, die nicht durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind. Fakt ist also, dass der Staat die Rentenkasse in erheblichem Maße unterstützt – und nicht andersherum."
"Müssen über Steuern finanziert werden"
Enrico Corongiu (SPD), Direktkandidat Weilheim (Wk 226):
"Der Griff in die Rentenkasse für versicherungsfremde Leistungen ist aus meiner Sicht falsch. Deshalb müssen Leistungen, die nicht zu den Aufgaben der Rentenversicherung gehören, von der Allgemeinheit getragen und somit aus Steuermitteln finanziert werden. Die derzeitigen versicherungsfremden Leistungen belaufen sich jährlich auf ca. 83 Mrd. Euro. Zum Ausgleich zahlt der Staat einen Bundeszuschuss von etwa 65 Mrd. Euro. Das heißt, dass beitragsungedeckte Mehrausgaben, also vor allem die Solidar- und die Mütterrente, über Steuern finanziert werden müssen. Damit kann man drastische Beitragssteigerungen und/oder Kürzungen bei der Rente verhindern."
"Für alle Leistungen müssen Beiträge erbracht werden"
Gabriela Seitz-Hoffmann (Grüne), Direktkandidatin Weilheim (Wk 226):
"Ich stimme voll zu, dass aus der Rentenkasse in den vergangenen Jahren sogenannte versicherungsfremde Leistungen gezahlt werden, die selbstverständlich dadurch die Rentenhöhe schmälern. Zu diesen versicherungsfremden Leistungen zählen u.a. Rentenzahlungen an Spätaussiedler, seit 1992 an Bürger der ehemaligen DDR, Kindererziehungszeiten, Frühverrentungen wegen Arbeitslosigkeit, sowie früher die Renten für Millionen Kriegsteilnehmer und -witwen. Diese Leistungen müssten aus dem Staatshaushalt und nicht aus der Rentenkasse finanziert werden. Abhilfe kann bei dieser missbräuchlichen Verwendung der Rentenbeiträge nur dadurch erzielt werden, dass für alle Leistungen auch Beiträge erbracht werden müssen. Das heißt Zahlungen von z.B. Mütterrente – die ich für sehr wichtig halte – müssen durch entsprechende Einzahlungen aus dem Staatshaushalt gedeckt werden."
"Das ist erheblich"
Karl Martin Schröter (FDP), Direktkandidat Weilheim (Wk 226):
"Lohnnebenkosten müssen sinken, das ist Konsens. Dazu zählen die Zahlungen in die gesetzliche Rentenkasse. Lohnnebenkosten belasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Beide könnten das Geld anders ausgeben. Arbeitgeber, um zu investieren, und Arbeitnehmer, um selbst vorzusorgen oder um in die Bildung ihrer Kinder zu investieren. Für mich ist ein Gebot der Gerechtigkeit und auch der Klarheit, dass die Erträge aus der Rentenversicherungen den Rentnern zur Verfügung stehen, die ein Arbeitsleben lang eingezahlt haben, und dass die versicherungsfremden Leistungen von der Allgemeinheit, den Steuerzahlern, zu tragen sind. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts der Wirtschaft, dem ich vertraue, machen alle beitragsfremde Leistungen neun Beitragspunkte aus. Das ist erheblich."
Die Wahlkreise
Aus jedem Wahlkreis wird einer der jeweiligen Direktkandidaten als regionaler Vertreter in den Bundestag gewählt. Die Wahlkreise umfassen folgende Gebiete:
München Süd (Wk 219): Sendling, Sendling-Westpark, Giesing, Harlaching, Münchner Süden, Hadern (Münchner Stadtbezirke 6, 7, 17, 18, 19, 20).
München West / Mitte (Wk 220): Ludwigs- / Isarvorstadt, Westend, Neuhausen, Nymphenburg, Pasing, Menzing, Aubing, Lochhausen, Langwied, Allach, Laim (Münchner Stadtbezirke 2, 8, 9, 21, 22, 23, 25).
Fürstenfeldbruck (Wk 215): Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck (ohne Germering).
München Land (Wk 221): Landkreis München.
Starnberg / Landsberg (Wk 224): Stadt Germering, Landkreise Starnberg und Landsberg.
Weilheim (Wk 226): Landkreise Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen.
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