Wie sieht die Schulfamilie den Lehrermangel?
Lehrerverbände und Kultusministerium erklären ihre Sichtweisen
Unterrichtsstunden bauen aufeinander auf. Schritt für Schritt führen sie zum Ziel. Fehlt ein Element, wird das Ankommen schwieriger. Derzeit werden neun Prozent aller Unterrichtsstunden in Bayern nicht planmäßig gehalten, sagt der Lehrerverband BLLV: Das ist eine Stunde (roter Stein) von jeweils elf (alle Steine). Oder anders umgerechnet: Für jeden Schüler fällt alle zwei Tage eine normale Stunde weg. (Foto: job)
Wie sehen Lehrerverbände, Schüler und das zuständig Kultusministerium die "Versorgung" der Schulen mit Lehrern? Unser Fragen dazu beantworteten:
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV)
Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv)
Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands (bpv)
Walter Baier, Landesvorsitzender der Bayerischen Direktorenvereinigung (BayDV)
Alicia Brandtner und Alexander Löher, Sprecher der StadtschülerInnenvertretung München (SSV)
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
"Jede Klasse braucht zwei Lehrer"
Lehrer könnte man immer mehr gebrauchen als man gerade hat. In welchen Fächern und / oder Bereichen würden Sie mehr Lehrkräfte einsetzen, wenn Sie – wie im Schlaraffenland - nach Belieben aus dem Vollen schöpfen könnten?
Simone Fleischmann (BLLV): In diesen Pandemie-Zeiten würde ich mit mehr Lehrern Unterricht mit halbierter Klassenstärke umsetzen. Dann könnte man noch besser Abstand halten und würde das Infektionsrisiko für Schulkinder und Lehrkräfte deutlich minimieren.
Aber auch schon vor Ausbruch der Pandemie hätte ich ähnlich geantwortet: Jede Klasse braucht zwei Lehrer, weil die Schulkinder immer diverser werden und ein Lehrer das nicht mehr allein auffangen kann. Heute treten Kinder mit einem großen Rucksack an unterschiedlichsten Bedürfnissen an Lehrkräfte heran und die Gesellschaft erwartet, dass die Schule das irgendwie hinbekommt.
Diese Herausforderung nehmen wir auch gerne an - fordern dafür aber auch sogenannte „multiprofessionelle Teams“. Damit meinen wir, dass Lehrer zusätzliche Fachkräfte als Unterstützung zur Seite gestellt bekommen. Es geht letztlich nicht darum, mit mehr Lehrkräften noch mehr Fachwissen in bestimmten Fächern vermitteln zu wollen, sondern darum, dass die Lehrkräfte durch eine bessere Personaldecke mehr Zeit und Ressourcen bekommen, um jedes Kind individuell fördern zu können. Und keines auf der Strecke zu lassen.
Jürgen Böhm (brlv): Gerade zur Verringerung der Klassenstärken und zur Vertiefung der individuellen Förderung wären mehr Lehrkräfte erforderlich. Aber auch durch die vermehrten sozialen und erzieherischen Probleme der Schüler kommen die Lehrkräfte an die Grenzen ihres Handelns. Lehrkräfte mit einer Ausbildung im Bereich der Informationstechnologie könnten wir derzeit eigentlich an jeder Realschule gut brauchen – und sicher auch in der Zeit nach Corona!
Michael Schwägerl (bpv): Am dringendsten wären sie natürlich dort, wo andere Kolleginnen und Kollegen ausfallen. Sprich: Wir brauchen dringend eine Ausweitung der integrierten und mobilen Reserve. Auch sonst gibt es genug Aufgaben an der Schule, die durch mehr Personal gestärkt werden können, so etwa Angebote im Bereich der individuellen Förderung, der Förderung begabter Schüler und das Teilen und Verkleinern von Klassen.
Walter Baier (BayDV): Grundsätzlich wären vor allem in Kernfächern wie Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften mehr Lehrer wünschenswert, um kleinere Lerngruppen bilden zu können oder die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler zu intensivieren. Aber auch in Kunst und Musik bräuchten wir dringend mehr Lehrer.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Es gibt viel kompetente Lehrer, die sowohl fachlich als auch in sozialer Hinsicht einen sehr guten Job machen. Als eine gewählte Schülervertretung liegt unser Fokus natürlich stets auf der Verbesserung des Schulalltags und der Zusammenarbeit des Schulforums untereinander. Neben der Schulleitung, den Schülersprechern indem Elternbeirat gehören auch die Verbindungs- / bzw. Vertrauenslehrer zu diesem Forum.
Verbindungslehrkräfte haben eine besondere Stellung aus Schülersicht. Sie sind DIE Ansprechpartner bei Problemen schulischer und sozialer Art, mit Mitschüler_innen oder auch Lehrkräften. Häufig wenden sich Schüler_innen auch mit sehr privaten Angelegenheiten, familiären / psychischen Problemen an sie. Leider stellen sich an vielen Schulen nur wenige Lehrkräfte zur Wahl zur Verbindungslehrkraft auf. Teilweises ist es eine Wahl nach dem Motto: „das kleinere Übel“ und leider viel zu selten der Wunschkandidat.
"Reserve ist oft schon zu Beginn des Schuljahrs verplant"
Wenn an einer Schule Lehrer fehlen, fällt meist auch Unterricht aus – mit Folgen fürs Lernen, aber auch für Betreuung von Kindern. Lehrermangel und Unterrichtsausfall reißen Lücken, die Eltern sofort im Alltag spüren. Können die Schulen solche Fehlstunden sinnvoll auffangen?
Simone Fleischmann (BLLV): In der Theorie gehen Kinder ja in die Schule, um in den Genuss von Bildung zu kommen. In der Realität ist es natürlich so, dass Schule für Eltern auch eine Betreuungsfunktion haben. Klar: Die Eltern müssen ja arbeiten. Deshalb reißen sich die Lehrerinnen und Lehrer auch regelmäßig einen Haxen aus, damit Unterrichtsausfall möglichst nicht eintritt. Sie verzichten auf Pausen, auf Mahlzeiten und sogar darauf, auf die Toilette zu gehen, um vor der Klasse stehen zu können.
Die Sache ist ja die: Wenn die Schulen mit zu wenig Lehrern ausgestattet werden, wir keine Reserve haben, um gerade in der Erkältungssaison auch Ausfälle ersetzen zu können, kommen solche Unterrichtsausfälle leider mit Ansage. Das ist aber keine Stellschraube, an der die Schulen drehen können, sondern nur die Staatsregierung.
Jürgen Böhm (brlv): Seit 2016 fordert der brlv ganz klar eine integrierte Lehrerreserve. Aktuell fordern wir für alle Realschulen zwei zusätzliche Lehrkräfte pro Schule, um genau diese Kompensation leisten zu können. Diese integrierten Lehrerreserven können nach Bedarf auftretende Engpässe ausgleichen und die Schule vor Ort kann schnell reagieren.
Michael Schwägerl (bpv): Längerfristige und planbare Ausfälle sollten eigentlich mit der integrierten Reserve aufgefangen werden, diese ist aber oft schon zu Beginn des Schuljahrs verplant. Wenn dann noch eine Schwangerschaft oder ein krankheitsbedingter Ausfall hinzukommt, müssen die anderen Kollegen Mehrarbeit leisten, in Einzelfällen kann es auch zum Ausfall einzelner Stunden kommen.
Walter Baier (BayDV): Wenn Lehrer fehlen, wird der Unterricht zum größten Teil von anderen Lehrkräften vertreten. Dies geschieht nicht immer fächergleich, d.h. dass wenn in einem Fach Unterricht ausfällt, erhalten die Schüler mehr Stunden in einem anderen Fach. Die Stunde fällt dann aber nicht aus. Klassengruppen können auch kurzzeitig zusammengefasst werden oder sie bekommen Arbeitsaufträge, die sie in der Schule oder zu Hause erledigen können. Um das Kollegium nicht zu sehr zu belasten, fallen in der Regel immer wieder Randstunden oder Nachmittagsunterricht ersatzlos aus, wenn Lehrer fehlen.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Viele Schulen haben ein Prinzip, nach dem ausfallende Stunden erst ab Klassenstufe 7 / 8 nicht mehr bedingungslos vertreten werden. Dieses Prinzip halten wir für sehr sinnvoll, die Unterstufe (Altersgruppe 12 / 13 / 14 J.) sollte zu regulären Unterrichtszeiten nicht nicht betreut sein. Alternative Möglichkeiten zu einer fachlichen Unterrichtsvertretung sind z.B.Lesestunden, in welcher die Klasse zusammen in die Schulbibliothek zum geht. Dadurch braucht es keine Lehrkraft, die selbst das entfallende Fach unterrichtet.
Kultusministerium: Zum aktuellen Schuljahr 2020/21 konnten in Bayern wie schon in den vorangegangenen Jahren alle offenen Lehrerstellen besetzt werden, darunter auch 1.000 für das neue Schuljahr zusätzlich geschaffene Lehrerstellen. Insgesamt konnte der Freistaat zum neuen Schuljahr über 4.700 voll qualifizierte Lehrkräfte einstellen.
Die Vermeidung von Unterrichtsausfall bei krankheitsbedingten Personalausfällen ist dem Staatsministerium ein zentrales Anliegen. Hierzu stehen den staatlichen Schulen je nach Schulart verschiedene Instrumente zur Verfügung. Dazu gehören beispielsweise mobile Reserven, die längerfristig ausfallende Lehrkräfte ersetzen. Hinzu kommen integrierte Lehrerreserven für kurzfristig auftretende Ausfälle. Ebenfalls bestehen vor Ort Pools mit Vertretungskräften, für deren Bezahlung der Freistaat Geldmittel bereitstellt. Im Bedarfsfall können auch Teilzeiterhöhungen bei den Stammlehrkräften vorgenommen oder Mehrarbeit angeordnet werden.
"Es kommen Engpässe auf uns zu"
Fehlstunden werden ja nicht nur durch Lehrermangel verursacht, sondern haben viele verschiedene Auslöser. Aber wie hoch ist der Anteil, der auf Lehrermangel zurückzuführen ist?
Simone Fleischmann (BLLV): Im Schuljahr 2018/19 wurden rund 9 Prozent der Unterrichtsstunden in Bayern jede Woche nicht planmäßig erteilt, 1,5 Prozent fielen ersatzlos aus. Auf ein ganzes Jahr kalkuliert bedeutet dies, dass rund 6 Millionen Unterrichtsstunden nicht planmäßig erteilt wurden bzw. rund eine Million Stunden ersatzlos ausgefallen sind.
Wenn wir keinen Lehrermangel, sondern eine vernünftige Personalplanung mit einer 110-prozentigen Personalversorgung hätten, könnten wir viele Stunden davon auffangen. Durch ausgebildetes Personal.
Jürgen Böhm (brlv): Derzeit haben wir an den Realschulen keinen Lehrermangel, jedoch beobachten wir, dass in den kommenden Jahren Engpässe auf uns zukommen werden.
Walter Baier (BayDV): Am Gymnasium fallen derzeit eher weniger Stunden aufgrund von grundsätzlichem Lehrermangel aus. Die Einstellungssituation ist noch deutlich günstiger als in anderen Schularten. Probleme bekommen die Schulen dann, wenn während des Schuljahres schwangere oder länger erkrankte Lehrkräfte ersetzt werden müssen. Dann findet man gerade in den ländlichen Regionen in der Regel keine adäquat ausgebildeten Aushilfslehrkräfte mehr.
"Hier muss nach Schularten differenziert werden"
Der BLLV nennt den Lehrermangel das „Kernproblem“ unserer Schulen. Ist es das?
Simone Fleischmann (BLLV): Ja, weil Bildung Zeit braucht. Und die haben wir nicht. Wir Lehrerinnen und Lehrer können Kindern nur unsere Aufmerksamkeit und Zeit widmen, wenn wir zum Beispiel neben unserem eigenen Unterricht nicht noch gleichzeitig die Parallelklasse beaufsichtigen müssen. Um die immer heterogener werdende Schülerschaft bestmöglich individuell fördern, müssen wir die Kinder kennenlernen, auch das braucht Zeit.
Lehrkräfte üben einen im Alltag sehr fordernden, gesellschaftlich sehr verantwortungsvollen Job aus und prägen die Generation von Morgen. Lehrkräfte sind aber auch oft traurige Spitzenreiter bei Burn-Out-Erkrankungen, weil sie durch die zu dünne Personaldecke ständig aushelfen und mit noch mehr Aufgaben überfrachtet werden. Das Maß der Belastung ist seit Langem überschritten.
Jürgen Böhm (brlv): Es ist ein wichtiges Problem von vielen!
Michael Schwägerl (bpv): Hier muss nach Schularten differenziert werden. Am Gymnasium wären zwar mehr Lehrer wünschenswert, aber momentan gibt es dort sogar mehr Bewerber als Stellen – man müsste sie nur einstellen. Am Gymnasium sehen wir ab 2025 einen massiven Lehrermangel heraufziehen, wenn durch das G9 eine zusätzliche Jahrgangsstufe an den Schulen ist. Wir sprechen hier von einem Bedarf von ca. 2.500 Stellen bayernweit.
Walter Baier (BayDV): Lehrermangel ist eines der Kernprobleme an den Schulen. Auch am Gymnasium wird sich in den kommenden Jahren der Lehrermangel deutlich zeigen, wenn der Aufbau des neunjährigen Gymnasiums abgeschlossen ist und im Jahr 2025 aufgrund des zusätzlichen Jahres kaum Schüler mit bestandenem Abitur das Gymnasium verlassen. Dann müssen tausende von Lehrerstellen neu besetzt werden, für die nicht in allen Fächern genügend Bewerber zur Verfügung stehen werden.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Es stellt definitiv ein zentrales Problem an unseren Schulen dar, allerdings gibt es noch weitere Defizite, diese nach persönlicher Priorisierung mind. genauso problematisch sind. Z.B. wurde durch die Pandemie publik, das es an vielen Schulen sogar einen Seifen- / Papiertücher- / Warmwassermangel gibt.
"Die Pandemie hat die Situation verschärft"
Corona hat an vielen Stellen schmerzhafte Lücken gerissen. Hat die Pandemie die Situation des Lehrermangels verschärft? Oder haben aktuellere Herausforderungen ihn eher in den Hintergrund gerückt?
Simone Fleischmann (BLLV): Mit Corona und Lehrermangel treffen zwei Krisen aufeinander. Corona hat den Lehrermangel an den Schulen verschärft. Lehrer, die in Pandemie-Zeiten zur Risikogruppe gehören wie ältere, schwangere oder Lehrkräfte mit chronischen Krankheiten, lassen das Personalloch noch größer aufklaffen. Durch Hygiene-Vorschriften sind auch sonst übliche Unterfangen wie das Aufteilen von Schülern auf unterschiedliche Klassen, wenn eine Lehrkraft krank ist, nicht mehr möglich.
Und nicht zuletzt müssen Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer jetzt Schule ganz neu - coronagerecht - einüben. Eine enorm verantwortungsvolle, aber eben auch zeitlich sehr aufwändige Aufgabe.
Jürgen Böhm (brlv): Der Lehrermangel an einigen Schularten verschärft das Problem der Pandemie, da keine Reserven vorhanden sind. Durch Quarantänemaßnahmen oder auch Schwangerschaften entstehen nun plötzlich Engpässe, die es außerhalb einer Pandemie so nicht gegeben hätte.
Michael Schwägerl (bpv): Durch den Umstand, dass Schwangere und Angehörige von Risikogruppen nicht mehr im Präsenzunterricht eingesetzt werden können, hat sich die Situation an den Schulen verschärft. Die vom Ministerium eingesetzten Teamlehrkräfte können diese nicht voll beheben.
Walter Baier (BayDV): Die Pandemie hat die Situation verschärft, weil Schwangere oder Lehrkräfte mit Vorerkrankungen, die deshalb einer Risikogruppe angehören, nicht mehr unterrichten dürfen. Diese Lehrkräfte stehen zwar für den Online-Unterricht zur Verfügung, eine ausgebildete „Teamlehrkraft“, die für den Präsenzunterricht in der Klasse verantwortlich ist, konnte in vielen Fällen aber nicht gefunden werden.
"Die Kollegen haben hohe Lebenshaltungskosten"
München und sein Umland sind teuer. Wer hier als Berufsanfänger eine Familie gründen oder unterhalten will, tut sich oft schwer. Wie wirkt sich das auf die Versorgung unserer Schulen mit Lehrern aus?
Jürgen Böhm (brlv): Ballungszentren sind teuer und die Kollegen und Kolleginnen haben hohe Lebenshaltungskosten. Das ist ein Problem, das gerade auf die Stadt München als Arbeitgeber zukommt. Die Attraktivität des Lehrberufs spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dazu gehören unter anderem die Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten und die Rahmenbedingungen.
Michael Schwägerl (bpv): Aufgrund der Situation, dass die meisten Lehrer Beamte sind und den Dienstort nicht frei wählen können, gibt es theoretisch genug Lehrer, auch in München. Etwas anders ist es bei den befristeten Aushilfen und kleineren Verträgen, z.B. für den Instrumentalunterricht. Hier tun sich Münchner Schulen vielleicht schwerer, für kleinere Verträge Personal zu finden.
Walter Baier (BayDV): Grundsätzlich hat dies keine Auswirkungen auf das Einstellungsverfahren. Allerdings kommt es immer häufiger zu Versetzungsgesuchen von Lehrkräften, die sich mit ihren Familien das Leben in der Stadt und im Speckgürtel von München nicht leisten können. Bei der Gewinnung von Aushilfslehrkräften haben städtisch geprägte Gebiete eher Vorteile, da sie z.B. auch auf Studenten zurückgreifen können.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Das ist richtig und in Einzelfällen evtl. auch ein Grund, der eine angehende Lehrkraft am Unterrichten in München hindert. Allerdings bekommt man als Schüler von vielen Referendaren häufiger eine andere Sichtweise mit. Sie würden gerne in München bleiben, werden allerdings aufgrund ihrer Abschlussnoten wegversetzt. Vor den zu hohen Mietpreisen stehen viele junge Menschen / Eltern, somit stellt es für Lehrkräften und Schulen kein größeres Problem dar als in anderen Berufszweigen.
Kultusministerium: Die Personalplanung zielt auf eine bestmögliche Unterrichtsversorgung in ganz Bayern. Sie erfolgt nach einheitlichen Grundsätzen. Im Großraum München ist aufgrund der Bevölkerungsentwicklung der Lehrerbedarf besonders hoch, so dass hier entsprechend viele Einstellungen von Lehrkräften erfolgen.
"Das Versäumnis spürt man gerade in der Pandemie"
Halten Sie die Mobile Reserve für ausreichend, um im laufenden Schuljahr entstehende Lücken zufriedenstellend zu überbrücken?
Simone Fleischmann (BLLV): Auf keinen Fall ist die mobile Reserve ausreichend. Die war bereits zu Beginn des Schuljahres ausgereizt. Da ist absolut kein Puffer mehr für die kommende Erkältungssaison.
Jürgen Böhm (brlv): Eine Mischung aus integrierter und mobiler Lehrerreserve wäre künftig mit Sicherheit ein gangbarer Weg. Einerseits liegt es in Verantwortung der Schule und auf der anderen Seite gibt es einen zentralen Pool, um auf Personalprobleme zu reagieren. Das setzt natürlich voraus, dass man genügend Personal in der Hinterhand hat!
Michael Schwägerl (bpv): Wir haben immer darauf verwiesen, dass die mobile Reserve ausgebaut werden muss. Dieses Versäumnis spürt man gerade in der Pandemie.
Walter Baier (BayDV): Die mobilen Reserven am Gymnasium werden schon zu Beginn eines Schuljahres den Schulen zugewiesen, um strukturellen Bedarf in bestimmten Fächern zu decken. Für echte Aushilfen während des Schuljahres stehen sie meistens nicht mehr zur Verfügung.
Kultusministerium: Neben Instrumenten wie mobile Reserven etc. stehen in diesem Schuljahr erstmals sogenannte Teamlehrkräfte zur Verfügung, um den Präsenzunterricht mit genügend Lehrpersonal auch in Zeiten von Corona zu sichern. Teamlehrkräfte unterstützen jene Lehrkräfte, die zwar im Dienst sind, aber aufgrund einer Schwangerschaft oder der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht im Präsenzunterricht aktiv werden können. Teamlehrkräfte arbeiten eng mit einer Stammlehrkraft zusammen, die für die jeweilige Klasse bzw. das jeweilige Fach eingeteilt ist, und werden von dieser bei fachlichen und pädagogischen Fragen sowie bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie bei Erstellung und Korrektur unterstützt. Das Kultusministerium hat für die Beschäftigung von Teamlehrkräften insgesamt 800 Vollzeitkapazitäten zur Verfügung gestellt.
"Es gibt viele Gründe dafür"
Wenn Lehrer ausfallen: Wie lange fallen sie eigentlich im Schnitt aus?
Simone Fleischmann (BLLV): Das im Durchschnitt über ganz Bayern zu berechnen, wird dem Ganzen nicht gerecht. Denn es gibt viele Gründe dafür. Häufigste Ursache (über 50 %) für Unterrichtsausfall ist die Erkrankung der Lehrkraft. Das hat damit zu tun, dass die Lehrerinnen und Lehrer in hohem Maße belastet oder schon überlastet sind. Weil die Rahmenbedingungen einfach nicht mehr zu den Herausforderungen an Schule passen. Solche Erkrankungen können natürlich unter Umständen sehr lange dauern oder gar zu einem Ausscheiden aus dem Lehrerberuf führen.
Daneben gibt es noch Ausfälle von Lehrerinnen und Lehrern, die nicht zu einem längerfristigen Ausfall führen, wie z.B. Fortbildungen (16 %), Fahrten und Exkursionen (8 %) oder Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen (8 %).
Jürgen Böhm (brlv): Das kann man nicht genau sagen, da es unterschiedliche Gründe gibt.
Michael Schwägerl (bpv): Im Schnitt fallen Lehrkräfte 1 bis 9 Tage aus.
Walter Baier (BayDV): Der mit Abstand größte Unterrichtsausfall entsteht in „normalen“ Schuljahren nicht durch Krankheit, sondern durch Fortbildungen der Lehrer sowie Exkursionen, Schulfahrten, Schilager, Schüleraustausch und außerunterrichtliche Projekte, die von Lehrern begleitet werden. Das können Tagesausflüge oder auch bis zu zweiwöchige Schulfahrten sein. Für Lehrkräfte, die längere Zeit ausfallen, kann die Schulleitung Aushilfsmittel bei Staatsministerium beantragen und dann selbst eine geeignete Aushilfskraft einstellen.
"Am meisten betroffen sind Grund- und Mittelschulen"
Welche Schularten sind vom Lehrermangel besonders betroffen; wo läuft es eher gut?
Simone Fleischmann (BLLV): Alle Schularten sind betroffen, derzeit am härtesten trifft es mit Sicherheit die Grund-, Mittel- und Förderschulen.
Jürgen Böhm (brlv): Problemschularten sind derzeit die Grundschule, die Mittelschule und die Berufsschulen.
Walter Baier (BayDV): Am meisten betroffen sind mit Sicherheit Grund- und Mittelschulen sowie die Förderschulen. Die anderen weiterführenden Schulen haben im Moment noch genügend Bewerber für die Einstellungsrunden zu Beginn eines Schuljahres. An den Gymnasien und Beruflichen Schulen könnte sich dies aber wegen des Bedarfs am neunjährigen Gymnasium in Kürze ändern.
"Davon kommt derzeit nichts an"
Das Kultusministerium schafft regelmäßig zusätzliche Lehrerstellen. In welchem Umfang und wie schnell können diese Stellen auch besetzt werden?
Simone Fleischmann (BLLV): Davon kommt derzeit an den Schulen aber nichts an. Man muss bedenken: Viele Lehrerinnen und Lehrer gehen jetzt und in den kommenden Jahren in Pension. Die muss man zunächst einmal ersetzen und dann obendrauf noch Lehrer einstellen um an den Schulen Entlastung zu spüren.
Jürgen Böhm (brlv): Das hängt stark vom vorhandenen Potenzial ab. Auch an den Realschulen ist es zunehmend kompliziert, eine Stelle während des Schuljahres zu besetzen.
Michael Schwägerl (bpv): Das vermag ich nicht zu beantworten.
Walter Baier (BayDV): Noch gibt es am Gymnasium in den meisten Fächern genügend Bewerber, allerdings leeren sich die Wartelisten mit bedrohlicher Geschwindigkeit. Für eine zu besetzenden Stelle müssen zum Teil mehrere Bewerber angeschrieben werden, weil nicht alle die ihnen angebotene Stelle annehmen (z.B. weil der Ort ihnen nicht passt oder sie die Stelle zwar annehmen, aber sich sofort danach in Elternzeit begeben).
"Der Beruf wurde leider manchmal negativ dargestellt"
Die Ausbildung eines Lehrers dauert einige Jahre. Welche Weichen müsste man jetzt stellen, um nachhaltig vorzusorgen?
Simone Fleischmann (BLLV): Es ist wichtig, den Lehrerberuf für Schulabgänger möglichst attraktiv zu machen. Das passiert natürlich zum einen durch die Besoldung, die besonders für Grund- und Mittelschule angehoben werden müsste. Was viele vielleicht gar nicht wissen: Es herrschen recht große Unterschiede zwischen den Gehaltsstufen der Lehrer je nach Schulform. Der BLLV macht sich dafür stark, dass auch Grund- und Mittelschullehrer als Eingangsbesoldung A13 erhalten. Außerdem muss der Lehrerberuf bessere Aufstiegschancen bieten.
Ebenso ist es wichtig, die Lehrerausbildung schon während des Studiums flexibler zu gestalten, so dass die Lehramtsstudierenden nach Ende des Studiums nicht nur auf eine Schulart festgelegt sind, sondern je nach aktueller Bedarfssituation an einer anderen Schulform einsetzbar sind. Aus diesem Grund haben wir im BLLV das flexible Lehrerbildungsmodell konzipiert.
Jürgen Böhm (brlv): Jetzt muss man bei den 16- bis 18-Jährigen für den Lehrberuf werben. Der brlv hat bereits 2018 mit seiner Kampagne „Bildungsverstärker“ in Bayern offensiv und öffentlichkeitswirksam für das Lehramt an Realschulen geworben. Auch ehemalige Realschüler sollten zunehmend motiviert werden, sich für einen Lehrberuf zu entscheiden. Leider wurde in den vergangenen Jahren der Beruf des Lehrers in der gesellschaftlichen Diskussion und leider manchmal sogar von den eigenen Verbänden sehr negativ dargestellt. Auch an den Universitäten wurde zu spät die Lehrerausbildung priorisiert.
Michael Schwägerl (bpv): Lehrkräfte für das Gymnasium gäbe es genug, allein rund 1.300 Lehrkräfte stehen momentan auf er Warteliste. Man muss sie nur jetzt einstellen und für 2025 vorsorgen, sonst wandern die ausgebildeten Gymnasiallehrkräfte in andere Berufe, Bundesländer oder ins Ausland ab.
Walter Baier (BayDV): Die Ausbildung eines Gymnasiallehrers dauert in der Regel 7 Jahre. Um den Lehrermangel am Gymnasium bis zum Jahr 2025 abzuwenden, ist es schon zu spät. Leider ist der sogenannte Schweinezyklus nicht zu durchbrechen. Weil in den vergangenen Jahren relativ wenige Lehramtsbewerber eingestellt wurden, haben auch weniger zu studieren begonnen. Aufgrund der hohen Belastungen in diesem Beruf geben auch immer mehr Studierende auf oder gehen aus anderen Gründen nach ihrem Studienabschluss in andere Berufe. Die Erwartungen und Forderungen von Eltern und Gesellschaft sind mittlerweile so hoch und z.T. unerfüllbar, dass sich nicht wenige überlegen, ob sie sich diesen Stress antun wollen.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Den Lehrerberuf ansprechender gestalten, z.B. könnte man mehr Fächerkombinationen ermöglichen.
Kultusministerium: An den Grund-, Mittel- und Förderschulen besteht derzeit der höchste Lehrerbedarf. Alle geeigneten neuen Absolventen dieser Lehrämter werden eingestellt. Neben der Volleinstellung werden weitere bedarfsdeckende Maßnahmen umgesetzt: Hierzu gehört vor allem die sehr erfolgreiche Zweitqualifikation von voll ausgebildeten Realschul- oder Gymnasiallehrkräften, an der seit 2015 mehr als 3.000 Personen teilgenommen haben. Zum Schuljahr 2020/2021 wurden zudem freiwillige und dienstrechtliche Maßnahmen umgesetzt, um die Kapazitäten zu erhöhen.
Hinzu kommen langfristig wirkende Maßnahmen. So werden seit 2018 die Ausbildungskapazitäten an den bayerischen Universitäten deutlich erhöht – z. B. durch die Einrichtung fünf neuer Lehrstühle für Sonderpädagogik oder die Schaffung von insgesamt 1.000 zusätzlichen Studienplätzen für das Lehramt Grundschule. Es werden auch Maßnahmen ergriffen, um mehr junge Menschen dazu zu motivieren, den Lehrberuf zu ergreifen. Damit Abiturienten eine fundierte Entscheidung treffen können, brauchen sie Informationen über die Einstellungsaussichten: Hier liefert die jährlich veröffentlichte „Bayerische Lehrerbedarfsprognose“ wertvolle Informationen. Mit der Kampagne „Zukunft prägen – Lehrer werden“ sollen das Interesse von Abiturienten für den Lehrberuf und seine Vorteile geweckt werden.
"Mit 110 Prozent gäbe es keine bösen Überraschungen"
Schülerzahlen sind anhand der Geburtsstatistiken recht gut prognostizierbar. Für jede Grundschule beispielsweise müsste man also sechs Jahre vor jedem Schuljahresbeginn schon recht genau abschätzen können, wieviele Lehrer man für wieviele Kinder tatsächlich benötigen wird. Warum gelingt die Planung bei so viel Vorlauf nicht perfekt?
Simone Fleischmann (BLLV): Zu 100 % wird man es nie genau hinbekommen. Am ehesten noch für die Grundschulen, nicht aber für die weiterführenden Schularten. Die Lösung des Problems sollte also nicht immer nur den Fokus auf einer verbesserten Prognose haben, sondern vor allem auch auf einer grundständig guten Personalausstattung. Wenn wir eine Personalplanung hätten, die eine 110-prozentige Personalabdeckung sichert, dann gäbe es auch keine bösen Überraschungen.
Jürgen Böhm (brlv): Das ist eine gute Frage! Leider wurde die Zuwanderung nach Deutschland zu wenig in der Statistik beachtet. Auch der Trend zu mehr Kindern war wohl unterschätzt worden. Außerdem ist es natürlich nicht einfach, genau die Anzahl an Personen für ein bestimmtes Lehramtsstudium zu motivieren, die man dann in sechs Jahren braucht.
Michael Schwägerl (bpv): Die Fluktuation nach dem Übertritt ist zu groß. Es kann nie genau prognostiziert werden, wie viele Schüler nach der Grundschule welchen Schultyp besuchen werden. Hinzu kommen räumliche Veränderungen einzelner Familien.
Walter Baier (BayDV): Die Prognosewerte in den vergangenen Jahren waren in Deutschland leider tatsächlich nicht immer richtig. Dass die Geburtenraten wieder deutlich steigen, hat man lange nicht wahrgenommen. Was man nicht voraussehen konnte, war der überdurchschnittlich Zuzug von Migranten sowie Änderungen der Schulstrukturen (G9). Das bayerische Kultusministerium hat hier in den letzten Jahren sehr klar deutlich auf die Entwicklungen beim Lehrerbedarf hingewiesen, aber hinsichtlich der Werbung für den Lehrerberuf offenbar nicht die erforderliche Wirkung erzielt.
Alicia Brandtner und Alexander Löher (SSV): Natürlich kann dies an zu ungenauer Arbeit liegen, anderseits ist unsere Welt global, dynamisch und mobil. Das erschwert eine solche Prognose ungemein. Zuzug, Auswanderung, Geburt vollzogen außerhalb des eigentlichen Wohnorts. Die Zahlen sind steigend und die Möglichkeiten entwickeln sich mit ihnen, ohne eine vollständige Transparenz über den Aufenthalt des Kindes bzw. den Umzugsabsichten der Eltern wird eine treffende Planung wohl nicht möglich sein. Und das wollen wir ja nicht. Des Weiteren betrifft dies auch die Lehrkraftressourcen. Viele studieren im Ausland oder ziehen nach dem Studium um, was die Planung ebenfalls erschwert.
Kultusministerium: Der Freistaat Bayern plant die Deckung der schulartspezifischen Lehrerbedarfe auf Basis einer kontinuierlich aktualisierten Lehrerbedarfsprognose. Die bayerische Lehrerbedarfsprognose zeichnet sich durch ein hohes Maß an Differenziertheit und statistischer Belastbarkeit aus. Eine Vielzahl von Faktoren trägt dazu bei, dass die Prognoserechnungen regelmäßig angepasst werden müssen. Exemplarisch kann man hier die Anzahl der jährlichen Zuwanderungen nach Bayern (innerdeutsche, innereuropäische und außereuropäische Migration) bzw. Abwanderungen aus Bayern nennen, die erheblichen Schwankungen unterliegt. Ähnliches gilt auch für die jährliche Anzahl der Kinder, deren Eltern vom Einschulungskorridor Gebrauch machen.
"Bildung ist mehr denn je auf Lehrer angewiesen"
Wir reden viel von Digitalisierung an den Schulen. Wenn alles gelingt, was man sich da vornimmt: Würde das den Lehrermangel entschärfen?
Simone Fleischmann (BLLV): Digitale Endgeräte für Schüler und Lehrer sind eine tolle Sache und ebenso der Aufbau der digitalen Infrastruktur. Aber es sind immer noch technische Geräte und die machen keinen Unterricht! Den macht immer noch der Lehrer. Der weiß nämlich, wie er die digitalen Elemente pädagogisch sinnvoll einsetzt. Und außerdem: Lernerfolg fußt immer auf einer menschlichen Beziehung zwischen Lehrer und Schüler.
Die Antwort auf die Frage muss deshalb lauten: nein! Im Moment ist die Digitalisierung der Schulen eine zusätzliche Aufgabe, die gestemmt werden muss.
Jürgen Böhm (brlv): Gerade die Digitalisierung wird nicht auf gut ausgebildete und engagierte Lehrkräfte verzichten können. Die personelle Kompetenz und die Fachlichkeit einer Lehrkraft werden mehr denn je gefragt sein. Junge Menschen brauchen den Austausch miteinander, aber gerade mit einer Lehrperson. Digitalisierung ist ein pädagogisches Hilfsmittel, das von Lehrkräften sinnvoll genutzt werden muss.
Ergo – der Lehrer ist weiterhin zentrale Figur der Bildung. Keine Einsparung!
Michael Schwägerl (bpv): Nein. Die Bildung in der Digitalisierung ist mehr denn je auf Lehrer angewiesen. Corona hat gezeigt: Bildung funktioniert über Beziehung, über den persönlichen Kontakt zwischen Lehrer und Schüler – ob das nun digital oder analog abläuft.
Walter Baier (BayDV): Zunächst ist digitaler Unterricht, wenn er funktionieren soll, mit erheblich mehr Vorbereitung durch die Lehrkraft verbunden als traditioneller Präsenzunterricht. Da jeder Schüler (und in erster Linie die Eltern) auch ein individuelles Feedback beim Online-Unterricht erwarten, wären hier kleinere Lerngruppen nötig, was wiederum mehr Lehrer zur Folge hätte. Dass Schüler ohne Lehrer online mehr lernen würden, wenn sie nur die richtigen Unterrichtsmaterialien und eine funktionierende Technik hätten, halte ich für eine Wunschvorstellung.
"Die Erwartungen an Schule sind enorm gestiegen"
Lehrerstellen werden jedes Jahr neu geschaffen, aber es gehen jedes Jahr auch Lehrer in Pension oder scheiden anderweitig aus. Haben wir heute mehr Lehrer als vor zehn Jahren?
Simone Fleischmann (BLLV): Es gibt in Bayern heute auf dem Papier mehr Lehrerinnen und Lehrer als vor zehn Jahren, ja. Allerdings nicht in jeder Schulart und die Herausforderungen und Erwartungen an Schule sind in dieser Zeit enorm gestiegen.
Jürgen Böhm (brlv): Wir haben heute definitiv mehr Lehrkräfte. Die Aufgaben, die auf Lehrkräfte zugekommen sind, haben sich erhöht. Die Klassenstärken sind zum Glück gesenkt worden. Niemand möchte heute sein Kind in eine Klasse mit 45 Schülern schicken. Die Bildung ist differenzierter geworden und auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten. Das benötigt Personal. Wir dürfen die Bildungsqualität nicht vergessen. Deutschland steht hier im internationalen und Bayern im nationalen Wettstreit.
Michael Schwägerl (bpv): Ja. Die genauen Zahlen liegen mir nicht vor, doch die Anzahl der Lehrer ist im Vergleich zum Jahr 2010 gestiegen.
Walter Baier (BayDV): Ich gehe davon aus, dass es heute mehr Lehrer gibt als vor 10 Jahren, die Anforderungen und Erwartungen sind aber auch deutlich gestiegen. Lehrer sollen heutzutage immer mehr Erziehungsleistungen und Aufgaben übernehmen, für die sie eigentlich nur unzureichend ausgebildet sind.
"Es ist günstiger geworden"
Natürlich haben sich auch die Schülerzahlen und Facher verändert. Wenn wir Schüler und Lehrer in Relation zueinander setzen: Wieviele Schüler kommen derzeit auf einen Lehrer – und wie war das vor zehn Jahren?
Jürgen Böhm (brlv) verweist auf die Statistik für die aktuell 375 Realschulen mit 212.900 Schülern in Bayern:
Demnach ist die durchschnittliche Klassengröße in Realschulen kontinuierlich gesunken: von 28,0 (2008/2009) auf 25,3 (2020/2021) Schüler.
Ebenso kontinuierlich sank die Zahl der Schüler pro Lehrer: von 17,8 (2008/2009) auf 15,0 (2019/2020).
Michael Schwägerl (bpv): An Gymnasien kommen rund 12 Schüler auf einen Lehrer (Stand 2019/20). 2009/10 waren es rund 15 Schüler pro Lehrer.
Walter Baier (BayDV): Die genauen Zahlen kenne ich nicht, aber die Schüler-Lehrer-Relation ist günstiger geworden, Die durchschnittliche Klassengröße ist gesunken. Trotzdem ist die gefühlte Belastung der Lehrkräfte gestiegen. Das hängt in erster Linie mit immer mehr verhaltensauffälligen Schülern und fordernden Eltern zusammen, die für ihr Kind das Beste wollen und die Lehrkraft zunächst als Dienstleister sehen.
Kultusministerium: Die Anzahl der Lehrkräfte (umgerechnet in Vollzeitlehrereinheiten) ist insgesamt von rund 111.500 (im Schuljahr 2009/2010) auf rund 114.200 (im Schuljahr 2019 / 2020) angestiegen An staatlichen allgemein bildenden Schulen hat sich die Relation „Schüler je Lehrer“ von 15,5 (im Schuljahr 2009 / 2010) auf 13,8 (im Schuljahr 2019/2020) verbessert.
Verbände in der Schulfamilie
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) vertritt Lehrer aller Schularten. Außerdem sind zahlreiche Universitätsdozenten, Lehramtsstudenten, Erzieherinnen, Schulsekretärinnen und Pensionisten im BLLV Mitglied. Insgesamt haben sich im BLLV über 64.000 Kolleginnen und Kollegen organisiert.
Der Bayerische Realschullehrerverbands (brlv) ist die Berufsorganisation und Lehrer, die an staatlichen, kommunalen und privaten Realschulen in Bayern tätig sind. Gegründet wurde der Verband 1952 in München mit dem Ziel, die schulart-spezifischen Anliegen der Lehrerschaft an der nach dem 2. Weltkrieg neu entwickelten Mittel- und späteren Realschule zu vertreten. Im brlv sind drei Viertel der Lehrkräfte an Realschulen organisiert.
Der Bayerischer Philologenverband (bpv) ist ein Berufsverband von Lehrern an Gymnasien, Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Hochschulen in Bayern. Er vertritt als Interessenverband die beruflichen, schul- und bildungspolitischen Interessen seiner Mitglieder.
Die Vereinigung der Direktoren und Direktorinnen der Bayerischen Gymnasien (BayDV) wurde 1953 gegründet. Sie vertritt den Großteil der Schulleitungen an den rund 430 Gymnasien in Bayern. Knapp 331.000 Kinder und Jugendliche besuchen diese Schulart.
Die StadtschülerInnenvertretung München (SSV) ist ein Gremium der Landeshauptstadt München und Interessenvertretung der Münchner Schüler. Das gewählte Team besteht aus Schülern aller weiterführenden Schularten.
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