"Wer Menschen nichts zutraut, hat keinen Respekt vor ihnen"
Karin Krug und Christine Sittenauer über Fairness und virtuelle Gruppen, Lachen und Weinen, echte Helden und "kleine" Leben
Ideen in die Luft zu werfen, ohne zu wissen, in welcher Anordnung oder Konstellation, als welche Geschichte oder Pointe sie wieder auf dem Bühnenboden auftreffen: das ist Improtheater.
Das fastfood theater lädt zum Improcup 2019 ein: Am Samstag, 19. Januar, geht es los. Hier treffen die besten Impro-Spieler aus dem deutschsprachigen Raum aufeinander. Den Improcup gibt schon seit 15 Jahren. In diesem Jahr lautet das Motto „Respekt“. Wie immer mit von der Partie sind bei den „Duellen“ Musiker, Schiedsrichter, Jury, Zufallsgenerator und natürlich das Publikum, das mit seinen Vorgaben die Akteure zu Höchstleistungen anspornt. Die Matches fordern von den Teams alles, was die Kreativität hergibt. Fiese Aufgaben, Spiel auf Zeit und anspruchsvolles Storytelling sind zu bewältigen. Aber auch kollegiales Zusammenspiel ist gefordert. Der Applaus entscheidet, wer als Sieger vom Platz geht.
Jeden Monat treten zwei Teams in einem Viertelfinale im Schlachthof gegeneinander an, bis am 6. Juli der Sieger gekürt wird.
Spielplan Improcup
Sa, 19. Januar: Viertelfinale I mit „Frau Groß“ und „Bemme Melange“
Sa, 16. Februar: Viertelfinale II mit „Tom und Merry“ und „English Lovers“
Sa, 23. März: Viertelfinale III mit „GeBa und GeSch“ und „KK and the Crush“
Sa, 13. April: Viertelfinale IV mit „Rheintöchter“ und „Die unendlichen Gewichte“
Beginn der Viertelfinale immer um 20 Uhr im Schlachthof (Zenettistr. 9),
Karten (23 bzw. 24,70 Euro im Vvk) beim Schlachthof oder über MünchenTicket.
Sa, 11. Mai: Halbfinale I und II
Sa, 6. Juli: Finale
"Es geht nicht darum, den anderen 'in die Pfanne zu hauen'“
Der jetzt beginnende Improcup steht unter dem Motto „Respekt“. Mit Karin Krug, die beim Improcup als amtierende Titelverteidigerin antritt, und Mitspielerin Christine Sittenauer sprach Johannes Beetz über diesen Schwerpunkt.
"Eine gewisse Robustheit kultivieren"
In unserer Gesellschaft – Beispiel Talkshows, Umgang in „sozialen“ Medien - scheint sich ein respektloses Verhalten mehr und mehr auszubreiten. Respekt ist aber Grundlage für alles: Nur wer einander mit Respekt begegnet, kann sinnvoll streiten und Kompromisse finden. Das gilt für die Familie und den Beruf ebenso wie für Politik und Gesellschaft. Jede politische und soziale Frage – sei es "me too", die Frage der Migration, Altersarmut oder Rahmenbedingungen für Pflegeberufe – ist ja nichts anderes als eine Frage, wieviel Respekt die Einen den Anderen entgegenbringen. Verändert sich unser Umgang miteinander? Was geht da verloren?
Karin Krug: In meinem persönlichen Umgang mit meinen Mitmenschen mache ich andere Erfahrungen. Meine Freunde und Bekannten, die Kinder in meiner Umgebung gehen, so finde ich, sehr respektvoll und interessiert miteinander um. Gleichzeitig muss man selbst auch eine gewisse Robustheit kultivieren, um das „Emotional-Menschliche“, das aus subjektiven Wahrnehmungen entsteht, auch auszuhalten. Es gibt Menschen, die mir sagen, dass ich nicht Recht habe, und es gibt Menschen, die mir ihre Wut zeigen - und das ist vollkommen in Ordnung.
Ich meide soziale Medien und ich schaue nicht sehr viel fern. Und da ist wahrscheinlich auch die Auswirkung auf unsere Gesellschaft. Es gibt sehr viele "virtuelle" Gruppen. Wenn man sich in ihnen befindet, denkt man vielleicht, es gibt eine „Mehrheit“ der eigenen Meinung und wenn dann Wahlen sind, dann wähle ich nach meiner ganz subjektiven emotionalen Meinung und nicht mehr mit dem Blick auf das gesamte Ganze. Es entsteht der Eindruck von „einem richtigen Handeln“ und von „falschen, gefährlichen Handeln“ und in den „virtuellen Gruppen“ werden diese zwei Felder hochgekocht. Diese Spaltung verändert tatsächlich unserer Gesellschaft, weil dann die Wahlmöglichkeiten des Einzelnen immer enger und radikaler werden.
"Wie bei jedem Handwerk"
Impro-Theater bedeutet Spontanität auf der Bühne. Kann man sich darauf vorbereiten?
Christine Sittenauer: Klar, Improtheater ist eine Form des Schauspiels, wir trainieren regelmäßig, nehmen an Workshops teil und arbeiten schon jahrelang daran und damit.
Karin Krug: Ja, indem man übt. Wie bei jedem Handwerk oder Spiel hilft es, dass man die Fähigkeiten, die man dort braucht, vorher intensiv übt. Bei Impro-Theater ist es körperliche, geistige und emotionale Flexibilität und ein Wissen darum, wie sich Geschichten aufbauen.
Und da wir auf der Bühne stehen und uns mehrere 100 Menschen zusehen, beschäftigen wir uns mit Schauspieltechniken und trainieren, wie wir unsere spontanen Ideen schnell in eine ausdrucksstarke Präsenz hineinverpacken, die dem Zuschauer Spaß macht, spannend ist und berührt.
"Wir erlauben uns, uns herauszufordern"
„Suche keinen Menschen, auch die Schwächsten nicht, in Gesellschaften lächerlich zu machen!“ rät Freiherr von Knigge in seinem 1788 erschienen Buch „Vom Umgang mit Menschen“, in dem es mehr um Respekt als um Benimmregeln geht. Lebt Unterhaltung aber nicht oft auch von einer gewissen Respektlosigkeit gegenüber anderen?
Karin Krug: Beim Impro-Theater entsteht sehr viel aus Situationskomik. Humor ist also wahnsinnig wichtig. Dabei setzt sich aber der einzelne Impro-Spieler in den Fokus und gibt sich der Lächerlichkeit preis. Es geht nicht darum, den anderen "in die Pfanne zu hauen“, sondern sich selbst der Situation auszusetzen. Die Zuschauer lachen über uns und dann erst über die Figur, die wir spielen und die sie vielleicht an jemanden erinnert, und dann auch eventuell über sich selbst.
Wenn dann ein Verhältnis des Vertrauens entstanden ist, dann kann man auch mal seinen Kollegen „blöd“ aussehen lassen. Dann ist das Spielfeld klar. Dann sieht jeder, wie die Vereinbarung ist: Wir sind alle gut genug, auf der Bühne zu stehen, wir trauen es uns gegenseitig zu und wir erlauben uns, uns gegenseitig frech herauszufordern. Für mich ist das der größte Ausdruck von Respekt.
"Einfach das Best-Mögliche tun"
Der Improcup schafft ja eine Wettbewerbssituation. Sie treten gegeneinander an. Wie konkurriert man und zeigt zugleich Respekt voreinander?
Christine Sittenauer: Der Improcup ist Theatersport und wie bei allen Sportarten ist man auch im Wettbewerb sportlich und fair!
Karin Krug: Ja. Das sieht man ja auch im Sport oder unter Unternehmern. Wenn ich den anderen zu einem „hervorragenden“ Gegenspieler mache, dann passen Konkurrenz und Respekt wunderbar zusammen. Denn dann geht es darum, sich gegenseitig gut aussehen zu lassen und einfach das Best-Mögliche zu tun.
"Lachen und weinen"
Einer muss dabei verlieren – vor Publikum. Das ist hart. Wie geht man damit um?
Christine Sittenauer: Ich kann nie gut verlieren, also ärger ich mich genauso, wenn ich bei Risiko verliere wie beim Improcup. Sonst muss ich nicht bei einem Wettkampfformat teilnehmen, wenn es mir egal wäre.
Karin Krug: Lachen und Umarmen auf der Bühne. Weinen umarmen hinter der Bühne.
"Vertrauen und unterstützen"
Beim Improtheater besteht eine besonders nahe Beziehung zwischen Schauspielern und dem Publikum. Das ist ein Wagnis – welche Rolle spielt hierbei gegenseitiger Respekt und wie zeigt man ihn gegenseitig?
Karin Krug: Ja und zwar die ganze Zeit. Als Spieler haben wir Respekt vor dem Publikum und akzeptieren voll und ganz die Entscheidung. Wir haben Respekt voreinander und Respekt vor dem Schiedsrichter. Respekt ist ein wunderbare Haltung, die mich dazu bringt, bei mir zu bleiben, mich um meinen Teil der Aufführung zu kümmern und den Anderen die Verantwortung für ihren Teil zu lassen. Indem ich vertraue oder unterstütze, wo ich kann. Ich unterstelle dem anderen aber nicht, dass er es so machen muss, wie ich es will. Er macht es so, wie er es macht.
"Zuhören und zutrauen"
Respekt ist auch eine Frage der Generationen. „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“, klagt schon ein 4.000 Jahre alter Keilschrifttext. Das Ende ist indes immer noch nicht da: Offenbar haben die Generationen die Balance von Respekt ganz gut hinbekommen. Ein Grund, optimistisch zu sein?
Karin Krug: Auf jeden Fall. Es ist nur so, dass Respekt ausdrücken eben auch eine Frage der Generationen ist. So drücken Jugendliche Respekt immer anders aus als ihre Eltern. Darum müssen wir immer wieder zuhören, hinhören und es den Menschen zutrauen. Denn wer Menschen nichts zutraut, hat auch keinen Respekt vor ihnen.
"Ein zufriedenes Leben leben"
Unsere Gesellschaft lebt von Menschen, die Respekt verdienen: Das kann eine ehrenamtliche Tätigkeit sein, der gute Abschluss einer Schule oder Ausbildung, die Kindererziehung als Mutter oder Vater, der Einsatz im Beruf, das sachliche Debattieren politischer Fragen, das freundliche Wort an der Supermarktkasse - all das und viele (oft "kleine") Dinge mehr können in einer Art und Weise geschehen, die Respekt verdient. Wovor haben Sie (besonderen) Respekt?
Karin Krug: Ich habe sehr viel Respekt vor Menschen, die viel verschiedene Rollen ausfüllen müssen oder wollen und dies mit Freundlichkeit tun. Z.B. Alleinerziehende Mütter oder Väter oder Familien mit sehr begrenzten finanziellen Ressourcen, die trotz der vielschichtigen Anforderungen nicht jammern und sich auch noch im Elternbeirat engagieren, sind für mich Helden dieser Gesellschaft.
Auch Menschen, die es gegen den Trend der Zeit schaffen, sich nicht permanent an den Rand der Selbstoptimierung und den Burn Out zu treiben oder sich dem Konsumzwang hinzugeben und ein zufriedenes, selbstbestimmtes Leben zu leben.
Menschen, die in der Lage sind, ihre „kleine“ Leben zu lieben, und auch die Menschen und Lebewesen, denen sie begegnen ,Wertschätzung angedeihen zu lassen: Vor diesen Menschen habe ich sehr viel Respekt.
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