Wenn Vögel nicht fliegen können
Erster Waldkauzästling machte Station im Münchner Tierheim
Sie sind zwar überwiegend nachtaktiv, aber manchmal haben Spaziergänger bei Dämmerung das Glück, einem Waldkauz zu begegnen. In Europa ist diese mittelgroße Eulenart neben der Waldohreule am häufigsten vertreten und längst nicht mehr nur im Wald anzutreffen: "Die Tiere sind sehr anpassungsfähig und siedeln auch in Stadtnähe, zum Beispiel in Parks oder auf Friedhöfen", erklärt Judith Brettmeister vom Tierschutzverein München. So kommt es im Frühjahr schon mal vor, dass plötzlich aufmerksame Tierfreunde ratlos mit einem Waldkauzästling vor der Tür des Münchner Tierheims stehen.
"Das erste Jungtier wurde vergangene Woche bei uns abgegeben, es handelt sich um einen Ästling. Das bedeutet, dass er zwar noch nicht richtig fliegen kann, aber das Nest bereits zum Üben verlässt", so Brettmeister. Wurde das Tier also "grundlos" gerettet und aus Unwissenheit von seiner Familie getrennt? "In diesem Fall wohl nicht", beruhigt die Tierschützerin, "denn Waldkauzästlinge bleiben normalerweise für erste Umgebungserkundungen im Baum. Die Vermutung liegt nahe, dass das Eulenjungtier bei seinem ersten Flatterversuch vom Baum gefallen ist."
Erst nach Eltern sehen
Aber muss man den Vogel dann gleich mitnehmen oder schadet man ihm dadurch sogar? Um das zu erläutern, muss Judith Brettmeister etwas ausholen: "Das hängt ganz von der Situation ab, denn in der Regel versorgen die Elterntiere Ästlinge auf dem Boden weiter. Das gilt übrigens auch für die meisten unserer Singvögel. Daher sollte man genau beobachten, ob die Eltern in der Nähe sind. Ist dies der Fall und das Jungtier ist unverletzt, kann man ihn vorsichtig wieder auf den Baum oder in ein nahes, sicheres Gebüsch setzen."
Oft gelinge es den Kleinen auch von alleine, sich auf den Nistbaum "mit Hilfe ihres spitzen Schnabels und ihrer scharfen Krallen, mit ein paar Päuschen dazwischen, wieder hochzuhangeln. Aber wenn man Starthilfe leisten muss, dann bitte darauf achten, dass der flugunfähige Vogel vor Raben, Katzen und Hunden sicher ist."
Anders sieht es aus, wenn das Jungtier deutlich geschwächt oder verletzt ist. "Dann sollte sofort ein Tierarzt aufgesucht werden – ohne den Umweg über das Tierheim zu nehmen", bittet Brettmeister.
Experte hilft weiter
Was den Tierheimwaldkauz anbelangt, so fand ihn eine Passantin auf einem Radweg sitzend vor. Der Fundort konnte leider nicht mehr genau nachvollzogen, die Elterntiere nicht mehr ausfindig gemacht werden. "Aber es geht ihm gut, der Kleine ist mit zwei gleichaltrigen Waldkäuzen beim Greifvogel- und Eulenexperten Wilhelm Holzer", sagt Brettmeister. Holzer leitet die Greifvogelauffangstation in Freising (Am Sonnenbichl 1), ist Eulen und Greifvögel betreffend Ansprechpartner in Notfällen und unter Tel. (08161) 68599 erreichbar.
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