„Weniger Fachkräfte - weniger Wohlstand“
IHK stellt Fachkräftemonitor vor und setzt auf Integration
„Weniger Fachkräfte bedeuten weniger Innovation, weniger Wachstum und weniger Wohlstand“. Mit diesen Worten umschrieb Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) und der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Der Wirtschaftsverband hatte zur Präsentation des Fachkräftemonitors 2018 geladen, einer statistische Datenauswertung, welche den Fachkräftearbeitsmarkt analysiert sowie die aktuelle Lage von Angebot und Nachfrage an qualifizierten Berufsgruppen unter die Lupe nimmt.
Im Rahmen der Vorstellung des Berichts zeigte sich Driessen besorgt um die aktuelle Entwicklung der Fachkräftethematik. Der bayerischen Wirtschaft gehe es gut, sie befinde sich im längsten Aufschwung seit 1991 und die Arbeitslosenquote im Freistaat erreiche immer mehr einen erfreulichen Tiefstand, betonte der Wirtschaftsfachmann. Allerdings führe die boomende Wirtschaft und die hohen Beschäftigungszahlen in den Betrieben und Unternehmen zu einem negativen Ergebnis, das sich am Fachkräftemangel bemerkbar mache.
Fachkräftemangel als Risiko
Die aktuellen Zahlen des Fachkräftemonitors zeigen, dass sich seit 2012 das Problem fehlender Fachkräfte auf dem bayerischen Arbeitsmarkt verschärft hat. Betrachteten vor sechs Jahren noch 35 Prozent aller befragten Unternehmen in Bayern den Fachkräftemangel als ein Risiko für ihr Geschäft, so sind heute gut 64 Prozent der Handelstreibenden im Freistaat der Ansicht, dass ein steigender Fachkräftemangel der Wirtschaft und der Gewinnerzielung schadet.
In Bayern erwartet die IHK, gemessen an den Ergebnissen des Fachkräftemonitors, ein Defizit an Fachpersonal von rund 260.000 Personen. In Oberbayern fehlen circa 103.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Im Raum München besteht derzeit ein Bedarf an rund 71.000 Stellen, die für spezialisierte Fachkräfte vorgesehen, allerdings bisher noch unbesetzt geblieben sind. Nach Einschätzung des IHK-Fachkräftemonitors wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2030 erheblich erhöhen. Gemäß der Prognose werden dann in München mehr als 137.000 Fachkräfte den Unternehmen fehlen.
Demografischer Wandel als Ursache
Eine der Hauptursachen des Mangels stellt nach Ansicht des Wirtschaftsverbandes der demografische Wandel dar. Trotz eines starken Zuzuges und einem steigenden Bevölkerungswachstum wird es in Zukunft zu keiner wesentlichen Entlastung auf dem Arbeitsmarkt in München und Bayern kommen, so Peter Driessen. Die Anzahl der 18- bis 65-Jährigen verringert sich innerhalb der bayerischen Gesellschaft immer mehr, während bei den älteren Jahrgängen ab 70 Jahren ein deutlicher Zuwachs zu erwarten ist.
Darüber hinaus trägt auch die Überalterung dazu bei, dass der Fachkräftemangel für Unternehmen in München und der Region immer mehr zum Problem wird. „Bis zum Jahr 2030 steigt das Durchschnittsalter der Arbeitnehmer über alle Wirtschaftszweige von derzeit 43,7 Jahren auf 48,6 Jahre. Damit wird trotz Bevölkerungswachstum das Fachkräftepotenzial weiter schwinden, wenn keine geeigneten Maßnahmen eingeleitet werden“, warnt der studierte Ökonom.
Defizit ausgleichen
Bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels setzt die IHK vor allem auf die Stärkung des indländischen Arbeitskräftepotenzials. Ältere und behinderte Menschen mit Handicap sollen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen und in Unternehmen und Betriebe verstärkt integriert werden. Auch Jugendliche und Langzeitarbeitslose sollen mit verschiedenen Projekten gefördert werden, um das Defizit an Fachkräften auszugleichen. Ebenso fordert die IHK eine deutliche Anhebung der Vollbeschäftigung bei Frauen.
Desweiteren setzt sich die Kammer dafür ein, dass das von der Bundesregierung beschlossene Recht auf befristete Teilzeit reduziert wird. "Das Anrecht auf befristete Teilzeit führt gesamtwirtschaftlich zu einer Reduzierung des angeboteten Arbeitsvolumens und ist das absolut falsche Signal. Statt Anregungen für weniger Arbeit zu setzen, brauchen wir Anreize, dass Beschäftigte mehr Arbeiten wollen, und dass es sich für sie auch lohnt", betonte Peter Driessen bei der Vorstellung der IHK-Pläne zur Eindämmung des Fachkräftemangels.
Zuwanderung aus dem Ausland fördern
Darüber hinaus muss nach Ansicht des Wirtschaftsverbandes auch die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland erleichtert werden. Hierbei schlägt er ein Modell vor, dass in Zusammenarbeit mit dem ifo Institut erarbeitet wurde. Es sieht einerseits die Einrichtung eines marktbasierten Zuwanderungskanals vor, der ein Jobangebot und ein festgelegtes Mindesgehalt voraussetzt. Andererseits soll über ein Punktesystem die Arbeitsplatzsuche erleichtert werden. Ein Onlineportal soll ausländische Bewerber über Arbeitsmöglichkeiten informieren und ihnen eine Plattform bieten, auf der sie ihre Aufenthaltserlaubnis beantragen und abwicklen können.
Ein Augenmerk setzt die IHK für München und Oberbayern auch auf sogenannte "Bildungsausländer", die in München und der Region studieren und nach Abschluss ihrer Studien wieder zurück in ihre Heimat gehen. "Diese Experten und Spezialisten von morgen sollten wir nach Abschluss ihrer Ausbildung mit offenen Armen empfangen" bekräftige Peter Driessen zum Ende der Präsentation des Fachkräftemonitors.
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