Viel mehr als "nur" Versorgung
AWO-Beratungsstelle für ältere Menschen und Angehörige feiert 30-jähriges Jubiläum
Wie feiert man sein 30-jähriges Bestehen in einem Jahr wie diesem? Angedacht hatte die AWO (Arbeiterwohlfahrt) München-Stadt eine große Jubiläumsfeier in den Räumlichkeiten und dem Garten ihrer Beratungsstelle für ältere Menschen und Angehörige. Doch dann kam Covid-19 und damit musste die Beratungsstelle umdenken.
Ganz ausfallen sollte dieses Jubiläum dennoch nicht, aber angesichts der vielen älteren Menschen und den Mitarbeitern in der Seniorenarbeit erschien es zu leichtsinnig, eine große Jubiläumsfeier auszurichten. Also wurden Alternativen überlegt und sich für Zeitungsartikel, eine Festschrift und einen Fachartikel entschieden.
Seit 30 Jahren Rat und Hilfe
In der Beratungsstelle in der Gravelottestraße 16 finden Senioren und ihre Angehörigen nicht nur seit 30 Jahren Rat und Hilfe, sondern auch viele Möglichkeiten zur Unterstützung, Bildung und zum gegenseitigen Austausch. Betrachtet man die Entwicklung der Einrichtung in diesen Jahren, lässt sich mit gutem Gewissen behaupten, dass die AWO-Beratungsstelle ein Garant für qualitätsvolle Sozialarbeit weit in das Gemeinwesen hinein ist.
Die Familie wird eingebunden
Im Laufe des Bestehens der Beratungsstelle hat sich das Beratungsklima verändert. Wo man früher Möglichkeiten der Versorgung vorgestellt hat, fragt man heute zuallererst nach den Vorstellungen und Wünschen des Gegenübers, um darauf aufbauend Optionen aufzuzeigen. Heutzutage wird das ganze familiäre System miteingebunden und die Wünsche des älteren Menschen in den Fokus gestellt. Diese müssen gefördert und unterstützt werden, so dass jeder ältere Mensch die Möglichkeit hat, sich seinen Lebensabend auch unabhängig von Einschränkungen der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten in der Mitte der Gesellschaft so zu gestalten, wie es ihm gefällt.
Senioren werden mehr wahrgenommen
Bei der Planung, Vorbereitung und Organisation von Alter, Pflege und Versorgung unterstützen inzwischen in sehr enger Zusammenarbeit mit der 1998 entstandenen Fachstelle für pflegende Angehörige fünf hauptamtliche Mitarbeiterinnen (Vollzeit und Teilzeit) die Senioren und ihre Angehörigen, wo zu Beginn der Beratungsstelle eine Sozialpädagogin engagiert war. Die heutigen Bedürfnisse der Senioren unterscheiden sich nicht sehr von den früheren, aber sie werden in der heutigen Gesellschaft mehr wahrgenommen. Auch die Belange der pflegenden Angehörigen oder des Umfeldes, wie z.B. Nachbarn und Freunde, drängen mehr in die Öffentlichkeit als noch vor 30 Jahren.
Die Lebensphase "Alter" verändert sich
Gründe dafür liegen zum einen in der Veränderung der Lebensphase Alter. Zunehmend sind ältere Menschen noch sehr agil, engagieren sich und haben eine Stimme in der Gesellschaft. Zum anderen liegen die Gründe in unseren Lebensumständen, hauptsächlich bei den Frauen, die oft nicht mehr, wie noch vor 30 Jahren selbstverständlich, die Pflege der Senioren in der Familie übernehmen. Diese Veränderungen waren mühsam, brauchten Zeit. Es brauchte die entsprechenden Rahmenbedingungen, die den Senioren nicht nur Respekt entgegenbringen, sondern bei denen ihnen auch der Raum gelassen wird, sich auszuprobieren, ihre Erfahrungen einzubringen, selbst zu entscheiden und auch durchaus Fehler zu machen und sich weiterzuentwickeln, ohne in die eine oder andere Richtung gedrängt oder fremdbestimmt zu werden.
Hierbei stehen den Senioren seit nun mehr 30 Jahren die Mitarbeiter der Beratungsstelle für ältere Menschen und Angehörige zur Seite.
Eine von fünf
Eine der fünf allgemeinen Beratungsstellen für ältere Menschen und Angehörige in München, die von der Landeshauptstadt München gefördert wird, befindet sich in Trägerschaft der AWO München-Stadt. Im Haidhauser Ladenlokal der Beratungsstelle finden die Ratsuchenden neben fachlicher sozialer Beratung rund um das Thema Alter auch kompetente Ansprechpartner u.a. zum Thema Planung und Finanzierung häuslicher oder stationärer Pflege, Leistungen der Pflegeversicherung, Entlastung von pflegenden Angehörigen, Demenz und andere Alterserkrankungen, Wohn- und Versorgungsformen im Alter. Seit ihrer Eröffnung am 1. November 1990 entwickelte sich die Beratungsstelle zu einer wichtigen Anlaufstelle für Senioren, pflegende Angehörige, Freunde, Bekannte, Nachbarn aber auch Kollegen und Netzwerkpartner in München.
"Die Not der Angehörigen wurde damals erstmals wahrgenommen"
Hans Kopp, heute Geschäftsführer der AWO München-Stadt, war einer der ersten Berater der Stelle. Er erinnert sich:
Die Not der Angehörigen wurde damals erstmals wahrgenommen! Es war eine Zeit, in der die Situation der pflegenden Angehörigen verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung rückte. Denn früher war es ja die selbstverständliche Pflicht von Frauen, zu pflegen - ob als Töchter oder Ehefrauen. Und da war dann zunehmend Sensibilität, dass es eben doch nicht so leicht ist und die Pflegenden immensen Belastungen ausgesetzt sind.
Fundament der Grundwerte
Die Münchner Arbeiterwohlfahrt ist ein anerkannter Träger der freien Wohlfahrtspflege, der sich als wertebasierter sozialer Dienstleister, mit einem breiten Spektrum an sozialen Angeboten, versteht. Seit der Gründung im Jahr 1919 stellen die Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz das sozialethische Fundament dar. Der von Marie Juchacz als Unterausschuss gegründete Wohlfahrtsverband hat sich in den 100 Jahren seines Bestehens immer weiterentwickelt und kann trotz des Verbotes während der Nazizeit auf eine ungebrochene Erfolgsgeschichte blicken. Über ein vielfältiges Angebotsspektrum von der Kleinstkinderbetreuung bis zur Pflege im hohen Alter ist der Verband gut im sozialen Bereich in Deutschland situiert. 255.000 hauptamtlich Mitarbeiter, 66.000 ehrenamtlich Tätige und 335.000 Mitglieder unterstreichen die Stellung der AWO als Spitzenverband in der freien Wohlfahrtspflege. Mit ca 3.000 Mitarbeitern und mehr als 250 Einrichtungen und Maßnahmen zählt die AWO München-Stadt zu den größten Kreisverbänden der Arbeiterwohlfahrt in Deutschland.
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