"Versuchen, Kinder ein Stück mutiger zu machen"
Richard Reith erklärt, warum er sich für Andere einsetzt
Möglichkeiten, sich zu engagieren, gibt es viele. Welches Engagement passt zu wem? Die 16. FreiwilligenMesse bietet einen Überblick. Am 23. Januar findet sie online statt (Info: www.muenchner-freiwilligen-messe.de). Richard Reith erklärt, warum er sich für Andere einsetzt:
"Ich helfe beim Lesen und Lernen"
Was machen Sie in Ihrem freiwilligen Engagement?
In meinem freiwilligen Engagement bin ich seit acht Jahren an einer Grundschule tätig. Dort werden die Kinder für 1 Schulstunde aus dem Unterricht geholt. Ich helfe ihnen einmal die Woche und im Rahmen einer Einzelbetreuung als Lesepate und Lernhelfer beim Lesen und Lernen. Zusätzlich betreue ich Kinder einzeln noch nachmittags bei den Hausaufgaben. Die Begleitung erstreckt sich über mindestens ein Schuljahr, oft geht sie aber über mehrere Schuljahre hinweg.
"Als Ruheständler eine sinnvolle Tätigkeit ausüben"
Was motiviert Sie?
Zu meinem Ehrenamt kam ich über den Wunsch, als Ruheständler wieder eine sinnvolle und regelmäßige Tätigkeit ausüben zu können. Eine Tätigkeit, bei der sich etwas bewegen lässt und mit der ich auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben kann. Zunächst kam die schwierige Frage, „was kann das sein“? Ich wusste nur, es sollte etwas Regelmäßiges sein und mit jungen Menschen zu tun haben. Zum Glück stieß ich bald auf einen Artikel über das Projekt LESEZEICHEN der Freiwilligenagentur TATENDRANG. Als selbst lesefreudiger Mensch lese- und lernschwachen Kindern helfen zu können, erschien mir als genau das Richtige! Aber dann kamen die Zweifel. In eine Schule bin ich schon als junger Mensch nicht gerne gegangen und mit zunehmendem Alter haben mich kleine Kinder, insbesondere wenn sie mir im „Rudel“ begegnet sind und laut waren, eher genervt. Also eigentlich denkbar schlechte Voraussetzungen für diese Tätigkeit! Als ich mich dann doch dafür entschieden hatte, bestätigte der Start alle meine Zweifel.
Der allererste Satz, den mein erstes Kind zu mir sagte, lautete: „ich hasse Lesen“. Und das erste Arbeitsblatt, das er bearbeiten sollte, flog mir mit einem wütenden „ich mag das nicht, ich kann das nicht“ entgegen. Aber nach ein paar sehr schwierigen Wochen sagte er plötzlich zu mir: „du bist jetzt mein Freund“. Damit wurde die Zusammenarbeit nicht wesentlich einfacher, aber ich merkte, dass es bei dieser Tätigkeit nicht nur darum geht, Kindern beim Lesen und Lernen zu helfen.
Sondern dass es genauso wichtig ist, einfach für sie da zu sein, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und ein offenes Ohr zu haben für ihre Sorgen und Nöte. Oder zu versuchen, sie ein Stück mutiger zu machen, sie zu trösten oder auch mit ihnen einfach nur zu lachen und rumzualbern! Also, auch „Seelenstreichler“ und „Kummerkasten“ zu sein.
"Eine positive Spur hinterlassen"
Gab es ein besonderes Erlebnis, das Sie schildern möchten?
Selbstverständlich kann man, bei ein oder zwei Schulstunden pro Woche die Problemwelt dieser Kinder nicht verändern. Aber es ist immer wieder erstaunlich zu erleben, dass man trotzdem jedem Kind in irgendeiner Form etwas Gutes tun kann und dass man immer die Chance hat, bei jedem Kind eine positive Spur zu hinterlassen. Wie schön ist es zu erleben, wenn sich z.B. das Lesen stückweise verbessert und ein Kind in einem Buch nicht mehr einen „feindlichen Gegenstand“ sieht. Oder wenn sie erzählen, dass sie jetzt auch zuhause lesen! Oder wenn sie von sich aus den Wunsch äußern, endlich einmal mit so einem verflixten Arbeitsblatt fertigzuwerden und wenn sie mit einem freudigen „geschafft“ die Arme hochreißen und zufrieden ins Klassenzimmer zurückkehren. Und wenn sie dann noch zu einem Sätze sagen, wie „es ist schön, wenn du da bist“, oder „ich werde dich vermissen“, oder „du hast immer an mich geglaubt“, dann freue ich mich wahnsinnig darüber.
"Es tut gut, etwas Gutes zu"
Was haben Sie durch Ihr freiwilliges Engagement gelernt?
Ich erlebe jetzt schon seit Jahren eine tolle, abwechslungsreiche und spannende Tätigkeit, die mir eine neue sinnvolle Aufgabe und Herausforderung geschenkt hat, bei der ich ständig dazulernen muss. Meine Woche hat wieder eine feste Struktur und bringt mich regelmäßig mit neuen Menschen zusammen, mit denen ich sonst nie in Kontakt käme. Ich bekomme so viel an Sympathie und Wertschätzung zurück. Außerdem habe ich dabei gelernt, dass man nie zu alt ist, um sich etwas Neues zuzutrauen und wie gut es einem tut, etwas Gutes zu tun. Und so bin ich mir ganz sicher, dass mir in dieser Lebensphase kaum etwas Besseres hätte passieren können, als diese Aufgabe zu übernehmen. Und wenn mich daran etwas stört, dann nur, dass ich nicht schon früher damit begonnen habe.
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