Summ, summ, STUMM
Ohne Bienen stirbt das Leben
Die Stemmerwiese ist ein kleines grünes Idyll mitten in der Großstadt. Vögel zwitschern, Hunde werden gassi geführt und: Bienen summen. 22 Bienenstöcke stehen nebeneinander aufgereiht auf der Wiese, schön sichtbar für Passanten und doch in sicherer Entfernung. 18 dieser Stöcke gehören Andreas Bock, Demeterimker aus Leidenschaft. Seit acht Jahren kümmert er sich um seine Bienenvölker und ist genauso fasziniert von den Insekten wie am Anfang.
Ohne Bienen nichts Buntes
Was wäre der Mensch ohne Bienen? Nicht nur die Honiggläser würden verschwinden. Andreas Bock bringt es auf den Punkt: "Jeder dritte Bissen, den wir essen, hängt von der Bestäubung ab. Gäbe es keine Bienen, könnten wir fast alles Bunte aus dem Supermarkt streichen. Erdbeeren, Äpfel..." Bock will gerade das Tor zur Wiese öffnen, als er einen grünen Stoffbeutel am Zaun entdeckt. Er schüttelt den Kopf und lächelt: "Die Leute denken immer, weil ich Imker bin können sie mir ihr Altglas vorbeibringen", sagt er und deutet auf die Honiggläser in der Tasche. Alle schön ausgewaschen und mit Deckel versehen.
Zehn Prozent Verlust jährlich
Bock hat heute einiges zu tun. Er schleppt Holzkisten aus seinem Kleinbus und setzt sich einen Strohhut auf. Mehr Schutzkleidung, sagt er, brauche er nicht. Vor den Bienenstöcken ist schon allerhand los. Die Tiere fliegen ein und aus. Es summt. "Ja, es geht los. Die Bienen sind beschäftigt. Deswegen müssen die Stöcke um einen Honigraum erweitert werden", erklärt der Imker. Bock zieht sich Handschuhe über - so viel Schutz muss dann doch noch sein - und öffnet die erste Kiste. "Oh, das habe ich mir anders gewünscht", sagt er beim Blick ins Innere. Einige wenige Bienen wuseln durch den Stock, die Rahmen mit den Waben sind gut zu erkennen. Bock seufzt. "Ich habe dieses Jahr vier Stöcke verloren. Die standen direkt daneben. Das hat wahrscheinlich damit zu tun." Die Stöcke seien vom Nosema-Pilz befallen gewesen. "Der Pilz löst bei den Bienen eine Darmerkrankung aus, an der sie sterben", sagt Bock. Auch beim zweiten Stock das gleiche Bild. Eine Aufstockung um einen Honigraum kann sich der Imker hier ebenfalls sparen. Beim dritten Stock sieht die Sache anders aus. Ein süßer Duft strömt aus der Kiste, in der es vor Bienen nur so wimmelt. Der Imker tauscht Rahmen aus und setzt einen Honigraum drauf. "Ja, so muss das sein", freut er sich. Normalerweise habe er einen jährlichen Verlust von rund zehn Prozent. In diesem Jahr sei es etwas mehr.
"Die Bienen halten uns einen Spiegel vor"
Vor acht Jahren kam Bock zur Imkerei. "Ich war in einem Alter, in dem man sich überlegt, was man noch Sinnvolles machen kann. Ich hatte schon immer einen Hang zur Natur und Ökologie", verrät er. Die Landwirtschaft hätte ihn interessiert. Aber: "Ich bin halt kein Landbesitzer." So kam er zu den Bienen und lernte von einer Imkerpatin alles Notwendige. Inzwischen kümmert er sich nicht nur um seine Bienenvölker auf der Stemmerwiese, sondern hat auch Stöcke bei Wolfratshausen und im Starnberger Land. Die Bienen faszinieren Bock. "Von der Evolution her sind sie unheimlich anpassungsfähig und es ist absolut spannend, wie ihr Zusammenleben funktioniert. Es sind sehr intelligente Tiere, die uns den Spiegel vorhalten. Wenn es uns Menschen schlecht geht, geht es auch den Bienen schlecht."
"Lernen, mit den Insekten zu leben"
Andreas Bock hebt wieder vorsichtig einen Rahmen aus einer Kiste. "Wenn die Bienen speckig glänzen, sind sie gesund", weiß er. "Das da ist eine Drohne." Bock zeigt auf eine große Biene, nimmt sie vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und setzt sie sich auf die Hand. Das kann er, da die männlichen Tiere keinen Stachel haben. Die Drohne hält kurz inne und schwirrt dann davon. "Wir müssen wieder lernen, mit den Bienen, ja mit den Insekten überhaupt zu leben", fordert Bock. "Bei Bienen denken die Menschen immer zuerst ans Stechen. Aber vor allem sorgen die Bienen für sehr viel Lebensqualität." Am Anfang sei er auf Skepsis gestoßen, als er seine Bienenstöcke auf der Stemmerwiese aufstellte. "Doch inzwischen gehören die Bienen fest zur Nachbarschaft. Die Leute bleiben stehen, schauen, fragen nach und rufen auch mal an, wenn sie zu wenig Bienen sehen. Sie kümmern sich und wollen wissen, wie es den Bienen geht."
Milbe und Gift raffen die Bienen dahin
Wieder steht Andreas Bock vor einer Kiste, bei der das Aufstocken um einen Honigraum nicht lohnt. Neben dem Norsema-Pilz ist es vor allem die Varroamilbe, die die Bienen dahinrafft. "Das passiert, wenn das Immunsystem der Bienen geschwächt ist", sagt Bock. Auf dem Land werde unter anderem der Anbau von Monokulturen dafür verantwortlich gemacht. "In der Stadt haben wir eine bessere Grundversorgung an dem, was blüht", sagt Bock. "Und dann kommt natürlich die Pestizidbelastung dazu. Wenn man sich nur anschaut, was in den Gartenabteilungen der Baumärkte an Gift rumsteht, dann kann man sich ungefähr denken, was auf dem Land an Pestiziden ausgebracht wird." Noch werden Bocks Bienen mit den Varroamilben fertig. "Die Zahl ihrer Population liegt über der der Milben", erklärt er. Im Juli aber ändere sich das. "Da erreicht die Population der Milbe eine Größe, die zum Problem wird. Dann muss ich mit Ameisensäure behandeln."
Die Biene gehe nicht nur direkt an der Milbe zugrunde, so Bock, sondern daran, dass es übliche Bienenkrankheiten durch die Schwächung und durch den Biss der Milbe leichter hätten, die Bienen zu schädigen. "Das Gleiche gilt für die Umweltbelastungen. Das Bienensterben ist nicht einem Virus oder einer Milbe zuzuordnen, sondern einer komplexen Schädigung des Bienenorganismus."
"Der Mensch macht sich zu wenig Gedanken"
Am nächsten Stock kratzt Bock etwas von der Innenseite der Holzwand. "Das ist Propolis", erklärt er und hält auf seinem Werkzeug etwas, das aussieht wie getrockneter Schneckenschleim. Propolis ist eine harzige Substanz, die die Bienen an Knospen sammeln. "Das ist für die Bienen ein natürliches Antibiotikum und man vermutet einen Zusammenhang zwischen Propolis und der Fähigkeit, gegen die Varroamilben vorzugehen", so der Imker. "Wir brauchen Bienen, die die Milben aushalten." Es werde in diese Richtung geforscht, aber noch sei man nicht so weit, dass man diese Biene verbreiten könne. Für die Imker bedeutet Propolis mehr Arbeit, denn die Masse verklebt die Kisten am Rand. Und: "Der Ertrag ist weniger." Bocks Bienen dürfen trotzdem Propolis ranschleppen. "Wir müssen die varroatoleranten Bienen stärken. Wenn man unsere Bienen unterstützen will, muss man mehr für Honig bezahlen", so sein Appell an die Verbraucher. "Der Mensch macht sich zu wenig Gedanken darüber, woher die Sachen kommen. Dieses Wissen muss er sich ganz bewusst wieder aneignen, hinaus in die Natur gehen, Bauernhöfe und Imker besuchen. Das sollte man schon mit den Kindern machen. Ich sehe das als eine pädagogische Aufgabe."
Man muss es nur wollen
Inzwischen summt es schon gewaltig vor den Bienenstöcken. Bock fährt mit seiner Arbeit fort. Die Bienen lassen ihn machen. "Die haben keine Zeit zum Stechen, die sind viel zu beschäftigt", sagt er. "Es ist gar nicht so schwierig, Bienen und andere Insekten wieder ins Leben mit den Menschen reinzuholen." Man muss es nur wollen.
Fakten rund um die Bienen
85 Prozent Abhängigkeit
Rund 85 % der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau hängen in Deutschland von der Bestäubung der Honigbienen ab. "Reiche Ernten, üppiges Wachstum und natürliche Artenvielfalt hängen stark von Bienen ab", so der Deutsche Imkerbund, "mehr noch: Vielen Tierarten sichern sie die Nahrungsgrundlage."
Warum sterben die Bienen?
Imker schlagen Alarm und warnen: Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft schwächt unsere wichtigsten Nutztiere und macht sie für Krankheiten anfällig.
Der SWR stellt den Film "Warum sterben die Bienen?" in seiner Mediathek unter http://swrmediathek.de/player.htm?show=f7359760-e1cc-11e4-8041-0026b975f2e6 bereit.
"Mehr grün als bunt"
"Leider verliert unsere Landschaft immer mehr an Vielfalt. Dazu gehören für mich nicht nur die Monokulturen auf den großen Agrarflächen, sondern auch Bereiche in den Kommunen oder im privaten Wohnumfeld sind mehr grün als bunt. Hier kann jeder dazu beitragen, dass es vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst 'bienenfreundlich' blüht."
Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes e.V. (D.I.B.)
Mehr bienenfreundliche Pflanzen nötig
"Wir brauchen mehr bienenfreundliche Pflanzen in unseren Gärten und auf den Balkonen, denn nur wohlernährte Bienen sind auch stark genug, Krankheiten und Parasiten, wie z.B. der Varroa-Milbe, mit Aussicht auf Erfolg zu widerstehen. Bienenschutz ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam angehen müssen."
Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
Bienenfreundliche Pflanzen finden Sie hier: www.deutscherimkerbund.de/167-Bienen_Bestaeubung_Bienenweide
Nervengifte für Zierpflanzen
Bertram Fleischer, Generalsekretär des Zentralverbands Gartenbau e.V., und Johannes Welsch, Geschäftsführer des Industrieverband Garten e.V., erklärten im April in Berlin, dass sich die Branche dazu entschlossen habe, ab Januar 2016 auf den Einsatz von sieben Neonikotinoiden (das sind hochwirksame Insektizide, die auf das Nervensystem von Insekten einwirken) in der Produktion von Zierpflanzen zu verzichten. Außerdem werden seit Anfang des Jahres keine Pflanzenschutzmittel mit bienen-gefährlichen B1-Wirkstoffen in den Baumärkten und Gartencentern verkauft.
Ein Viertel überlebte den Winter nicht
In Deutschland, Österreich und den Benelux-Staaten wurden zusammen 170.000 Bienenvölker eingewintert. Im Winter 2014/15 lag die Verlustquote bei diesen Völkern bundesweit bei 22,3 Prozent, in Bayern sogar bei 25,6 %. Diese Zahlen nennt der Deutsche Imkerbund.
"Das bedeutet für viele Betriebe einen hohen wirtschaftlichen Schaden, der nicht von allen durch Nachzucht bis zum Sommer wieder ausgeglichen werden kann", sagt Barbara Löwer, Geschäftsführerin des Deutschen Imkerbundes e.V. "Vor allem bedeuten die Verluste aber auch, dass wir jetzt im Frühjahr weniger Flugbienen haben, die die Bestäubung in der Region sicherstellen und Honig produzieren könen. Dies könnte zu wirtschaftlichen Einbußen sowohl bei den Ernten der Landwirte und Obstbauern als auch für die Imker als Honigvermarkter führen."
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