So leer ...
Wer weiter denkt, kauft näher ein
So leer ...
... sähe es in unseren Stadtvierteln und Gemeinden ohne den Einzelhandel aus. Unvorstellbar? Schließlich gilt München mit seinem Umland als "nahezu perfekt aufgestellte Shoppingstadt der Superlative", so die Wertung der Handelsberater BBE und CIMA. Der Münchner Einzelhandel setzt jedes Jahr an die 11,5 Milliarden Euro um, melden sie in ihrem "Handelsatlas 2013" und das städtische Wirtschaftsreferat meldet in seinem jüngsten Jahreswirtschaftsbericht stolz: "München hat die größte Kaufkraft im bundesweiten Großstadtvergleich. Sie liegt 29 % über dem Bundesdurchschnitt."
Rasant wachsende Bedrohung
Der Einzelhändler vor Ort, der "Kaufmann um die Ecke" sieht sich allerdings einer rasant wachsenden Bedrohung gegenüber: der von gesichtslosen Versand-Giganten wie Amazon oder Zalando. Dieser Online-Handel wird in München allein heuer um 17 Prozent zulegen, prognostiziert Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern (HBE): Etwa eine Milliarde Euro werden die Münchner in diesem Jahr online ausgeben - und dieses Geld geht den Händlern vor Ort verloren.
Was steht auf dem Spiel?
In dieser Woche zeigen Anzeigenblätter bundesweit, dass durch den boomenden Online-Handel nicht nur die Attraktivität der Städte und Gemeinden leiden wird, sondern dass für alle der Verlust eines Stücks Lebensqualität auf dem Spiel steht, denn örtliche Einzelhändler sind in einer funktionierenden Gesellschaft viel mehr als „nur“ Kaufleute. Unter dem Motto "Wer weiter denkt, kauft näher ein" laden wir unsere Leser ein, sich die Folgen unseres Einkaufsverhaltens bewusst zu machen.
"Die drei Trümpfe des stationären Einzelhandels sind: Service, Beratung, Qualität", fasst Bernd Ohlmann zusammen. Machen immer mehr kleine Geschäfte vor Ort dicht, werden die Bürger den Verlust dieser Trumpfkarten unausweichlich spüren: Beim Buchhändler schmökern, mal eben Schuhe um die Ecke anprobieren, ein Geburtstagsgeschenk aussuchen, den Stoff eines Kleides prüfend anfassen oder sich im Fachgeschäft ein Gerät erklären lassen – das alles wäre nicht mehr möglich. Niemand wäre mehr da, um Reparaturen zu erledigen oder um eine Reklamation für seinen Kunden vernünftig zu regeln.
Das Netz hat Risse bekommen
Selbst im München der Superlative haben sich bereits Lücken in der Versorgung der Bevölkerung aufgetan: "Gerade bei der Versorgung mit Lebensmitteln herrscht Mangel", warnt Sebastian Mahrenholz (CIMA) und nennt Stadtteile wie Untergiesing-Harlaching, Allach-Untermenzing und Feldmoching-Hasenbergl als "Sorgenkinder". Jeder Bezirksausschuss kennt die Klagen seiner Bürger, dass es immer schwieriger wird, zu Fuß die Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen zu können. Das Netz beginnt zu reißen: Rund 15 Prozent der Münchner haben laut Stadtplanungsreferat keinen Lebensmittelmarkt mehr, den sie zu Fuß von ihrer Wohnung aus erreichen können.
Das trifft als erste – und besonders schmerzlich – jene, die sich selbst am wenigsten helfen können: Unsere älteren, weniger mobilen Mitbürger. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen immer älter werden, ist eine gut funktionierende Nahversorgung aber lebensnotwendig.
Jobmotor und Perspektiven
Der lokale Einzelhandel übernimmt Verantwortung in seinem Viertel. In der Regel handelt es sich um kleine oder mittelständische Betriebe, oft sind sie seit Generationen in ihrer Nachbarschaft verwurzelt. Der Einzelhandel bildet Jugendliche aus, er stellt sich dem drohenden Fachkräftemangel entgegen und gibt der nächsten Generation berufliche Perspektiven. Der Einzelhandel beschäftigt derzeit bundesweit knapp drei Millionen Mitarbeiter, gibt der Handelsverband Deutschland (HDE) an. Er stellt damit jeden zwölften Arbeitsplatz zur Verfügung und bildet in mehr als 30 Berufen aus. Der Einzelhandel bietet wohnortnahe Jobs – das hilft nicht nur, Verkehrsbelastungen zu vermeiden, sondern macht es Müttern und Vätern leichter, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Nichts von dem kann (und will) der Online-Versandhandel leisten.
Einzelhändler gehören zu ihrer Nachbarschaft. Schulen und Vereine sind dankbar für ihre Unterstützung bei kulturellen Projekten, bei sportlichen Veranstaltungen, bei der Ausrüstung ihrer Teams. Manche Klasse, mancher Kindergarten müsste ohne Einzelhändler als Sponsor inzwischen auf pädagogisch sinnvolle Projekte verzichten, manche Jugendmannschaft eines Fußballvereins könnte ohne sie nicht in anständigen Trikots auf den Platz gehen.
Eine Quelle, die für alle sprudelt
Dabei leisten die Einzelhändler ohnehin ihren Beitrag zur Finanzierung unserer Viertel und Gemeinden: Mit der Gewerbesteuer, die sie zahlen, finanzieren die Kommunen ihre Aufgaben für uns. Abwasserbeseitigung und Feuerwehr, Schulen und Museen, der Betrieb von Sportstätten oder die Pflege von Grünanlagen: Ohne Steuereinnahmen wäre nichts davon zu stemmen. "Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Stadt München", unterstrich Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz, als er im Februar die aktuellen Steuerdaten vorlegte. 2013 floss besonders viel Gewerbesteuer in die Kassen der Stadt. "Wir waren damit nicht nur in der Lage, unsere Schulden signifikant zu senken, sondern auch unsere Investitionstätigkeit weiter zu steigern", so Wolowicz.
Elf Prozent des gesamten Gewerbesteueraufkommens für München generieren der örtliche Einzel- und Großhandel: weit mehr als 160 Millionen Euro waren es 2013. Von Amazon, Zalando & Co floss dagegen kein Cent in die Infrastruktur unserer Viertel und Gemeinden.
Kaleidoskop des Miteinanders
Die Münchner Wochenanzeiger rücken die vielfältigen Funktionen des örtlichen Einzelhandels in dieser Ausgabe in den Mittelpunkt. "Warum kaufen Sie vor Ort ein? Was schätzen Sie am lokalen Einzelhandel?" haben wir Leser und Bürger gefragt. "Was bieten Sie, was man im Internet nicht bekommen kann?" wollten wir von den Einzelhändlern in unseren Vierteln und Gemeinden wissen. Lesen Sie alle Antworten auf unseren Sonderseiten im Innenteil!
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