"Sich um die vielen kleinen Dinge kümmern"
Ingeborg Staudenmeyer übers Selbstbewusstsein und das Neinsagenkönnen, den Hund sein Gschäfterl und den Lkw vorm Haus
Was sind eigentlich diese "BAs"? Das Kürzel steht für Bezirksausschuss: 25 gibt es in München - für jedes Stadtviertel einen. Wozu braucht man die? Was tun die überhaupt? Und was können sie nicht? Ingeborg Staudenmeyer hat 22 Jahre einen BA geleitet (den zweitgrößten unserer Stadt). Außerdem war sie 2014 bis 2018 Vorsitzende des Seniorenbeirats. Ihr Einsatz und ihre Erfahrung werden in der ganzen Stadt geschätzt. Im Gespräch mit Johannes Beetz erklärt sie die Bezirksausschüsse.
Von 17 bis 45
Wieso sind die verschiedenen Bezirksausschüsse unterschiedlich groß und warum haben sie verschieden viele Mitglieder?
Ingeborg Staudenmeyer: Das hängt von der Größe und der Einwohnerzahl des jeweiligen Stadtteils ab. Den größte BA hat Ramersdorf-Perlach mit 45 BA-Mitgliedern und über 116.000 Bürgern. Dann folgt Neuhausen-Nymphenburg mit 41 Mitgliedern für 99.000 Bürgern. Der Kleinste ist der BA Altstadt-Lehel. Der hat nur 15 Mitglieder bei 21.000 Bürgern.
Entscheiden und die Meinung sagen
Welche Aufgaben übernimmt ein BA?
Ingeborg Staudenmeyer: Die Bezirksausschüsse haben Entscheidungsrechte und Anhörungsrechte.
Entscheiden können sie nur Dinge, die ihr Stadtviertel lokal betreffen und für die kein großer Aufwand nötig ist. Das sind zum Beispiel Angelegenheiten wie das Aufstellen einer Bank oder das Ausweisen einer Kurzparkzone. Diese Entscheidungsrechte haben sich mittlerweile vermehrt. Die Stadträte geben damit eigene Zuständigkeiten an die BAs ab.
Bei welchen Angelegenheiten die BAs ein Recht haben, angehört zu werden, legt der Stadtrat fest. BAs müssen zum Beispiel bei Bauvorhaben angehört werden. Dann können sie ihre Meinung dazu sagen - etwa ob ein Gebäude zu massiv oder eine Fassade zu einfallslos ist. Ob die Stadtverwaltung der Meinung des BA dann auch folgt, ist etwas anderes ...
"Einfach ansprechen"
Wie kann man sich an "seinen" BA wenden?
Ingeborg Staudenmeyer: Jeder Bürger kann zu der öffentlichen Sitzung seines BAs - die ist einmal monatlich - kommen. Er kann seinen BA aber auch über die Geschäftsstelle telefonisch erreichen, einen Brief oder eine Mail schreiben. Und man kann jedes BA-Mitglied ansprechen, wenn man es auf der Straße sieht. So einfach ist es und so sollte es auch sein.
"Lösung auf dem 'kleinen Dienstweg' finden"
Was kann ein BA, was der Stadtrat nicht kann? Wo steht ein BA zwischen Bürgern, Verwaltung und Stadtrat?
Ingeborg Staudenmeyer: Der BA ist generell nur für die Bürger vor Ort, im Stadtteil da. Er vermittelt bei Schwierigkeiten und versucht, Lösungen mit der Stadtverwaltung zu finden. Nicht jede Angelegenheit muss immer gleich an den Stadtrat gehen. Wir im BA sehen, dass wir problematische Dinge an die Stadtverwaltung weitergeben, um für den Bürger eine Lösung auf dem "kleinen Dienstweg" zu finden.
"Dann hat er oft Erfolg"
Ober sticht Unter: Wenn der Stadtrat den Anträgen und Forderungen eines BAs nicht entsprechen muss, wozu brauchen wir die BAs dann überhaupt?
Ingeborg Staudenmeyer: Wir brauchen sie, um die Sorgen der Bürger vor Ort aufzunehmen und ihre Wünsche durchzusetzen. Das ist die Hauptsache. Ich war ja lange Vorsitzende eines Bezirksausschusses: Da braucht man Ausdauer und Durchsetzungsvermögen, dann knickt eine Verwaltung auch mal ein. Leider hat das ein bisschen abgenommen. Wenn ein BA selbstbewusst auftritt und versucht, Lösungen zu finden, dann hat er oft Erfolg. Manchmal stößt er aber auch gegen eine Wand, wo gar nichts geht. Betteln sollte ein BA nicht müssen, das wäre nicht richtig.
"Parteiprogramme sind uns egal"
Bei welchen Themen sind BAs erfolgreich? Wo beißen sie sich die Zähne aus?
Ingeborg Staudenmeyer: Die Bezirksausschüsse arbeiten nicht nach Parteiprogrammen. Die sind uns egal, die haben im BA nichts verloren. Wo ein Hund sein Gschäfterl macht, da brauche ich kein Parteiprogramm, um das wegzubringen. Überall, wo er selbst entscheiden kann, braucht ein BA Ausdauer und Mia-san-mia-Selbstbewusstsein. Wenn ein BA zerstritten ist, ist das schlecht.
"Man ist nicht abhängig"
Die Mitglieder im BA sind ehrenamtliche, "normale" Bürger. Sie sind keine "Berufspolitiker". Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?
Ingeborg Staudenmeyer: Ein Vorteil - weil man nicht abhängig ist. Ehrenamtliche übernehmen diese Aufgabe aus freien Stücken. Ein BA kann daher freier entscheiden, es gibt keinen Fraktionszwang.
"Man muss auch 'Nein' sagen können"
Was würde fehlen, wenn es die BAs nicht gäbe?
Ingeborg Staudenmeyer: Nichts würde fehlen, weil der Bürger ja dann nicht wüsste, dass es so etwas wie die BAs überhaupt gibt und was ohne sie passiert.
Man muss als BA-Mitglied schon arbeiten, damit die Leute einen als Anlaufstelle annehmen. Die Menschen brauchen ja nicht viel: Da geht es um den Lkw, der dauernd vor dem Haus parkt; um eine Ampel, die zu schnell umschaltet; um ein Licht, das nicht geht. Das sind alles keine Angelegenheiten für den Stadtrat, aber der BA kann sich um diese vielen kleinen Dinge kümmern.
Für mich ist das Allerwichtigste die Bürgernähe: Man muss den Bürger verstehen, aber man muss ihm auch sagen, was nicht geht. Man muss in der Politik auch "Nein" sagen können - und es eben begründen können!
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