"Schön haben Sie es hier“
Das Haus Agnes bietet wohnungslosen Frauen eine sichere Unterkunft
Sorgfältig hat Renate Ippoliti ihre Stofftiere im Zimmer aufgestellt. Voller Stolz zeigt sie Petra Reiter ihren Rückzugsort. Hier ist sie sicher und wohl behütet. „Schön haben Sie es hier“, bekräftigt Reiter die Dame im roten Wollpulli. Sie ist die Schirmherrin des Münchner Netzwerks Wohnungslosenhilfe und informiert sich am liebsten mit eigenen Augen über die Situation der Bewohnerinnen. Im Haus Agnes, eine der Anlaufstellen für wohnungslose und schutzsuchende Frauen, wohnen in sechs Stockwerken insgesamt 48 Frauen. In gepflegten Einzelzimmern mit gemeinschaftlicher Küche und Bad, haben die Bewohnerinnen ein halbes Jahr Wohndauer. „Verlängerungen sind möglich, wenn keine bezahlbare Wohnung zu finden ist“, erklärt Cornelia Zangl, die Leiterin der Einrichtung. Im Allgemeinen brauche es viel Geduld, weil die Frauen von Vermietern und Ämtern immer wieder abgelehnt werden, ergänzt sie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Frauenhäusern sind im Haus Agnes keine Kinder untergebracht.
120 Anfragen im Quartal
Aus den verschiedensten Gründen kommen die Frauen in die Einrichtungen des SKF (Sozialdienst katholischer Frauen e.V.). Neunzig Prozent von ihnen haben Gewalt erfahren und haben ein großes Schutzbedürfnis. Im öffentlichen Leben verstecken sie oft Ihre Not, meist aus Angst oder Scham. Im Straßenbild der Großstadt sind sie daher kaum sichtbar und doch brauchen sie meist den größten Schutz. Deshalb suchen die Betroffenen Frauen Rat und Hilfe bei Anlaufstellen wie dem SKF. „Täglich rufen Frauen für unsere Übergangsunterkünfte an. In drei Monaten nehmen wir circa 120 Anfragen entgegen“, sagt Zangl. Überfüllt oder überfordert seien sie trotzdem nicht. Es fände sich immer eine Lösung für einen Unterschlupf.
"Großes Kompliment an die Pädagogen“
Die sechs Sozialpädagoginnen betreuen rund um die Uhr die Bewohnerinnen, sprechen über Ängste und Sorgen und unterstützen sie bei Behördengängen und Anträgen. Bei sprachlichen Schwächen kommen Dolmetscher in Einsatz. „Männer sind hier nicht erlaubt“, betont Simone Ortner. Die Bereichsleiterin für die Wohnungslosenhilfe beim SkF München gibt zu, dass die Arbeit manchmal auch für die Angestellten kniffelig sein kann – gerade, wenn es um Anträge geht. Wöchentlich besuchen die Frauen im Haus Agnes ihre Sozialpädagogen. Bei dringenden Anliegen oder Krisensituationen kann es auch einmal vorkommen, dass kurzfristige Sitzungen stattfinden. „Ein großes Kompliment an die Pädagogen“, schwärmt Sabine Ketzer. Sie wohnt selbst im Haus Agnes und ist begeistert von den Leistungen der Berater. „Manchmal ist es so schön, dass ich fertig bin mit den Nerven – natürlich im positiven Sinne!“ erzählt sie euphorisch und wendet sich dabei immer wieder an Petra Reiter. An Weihnachten sei sie gerade zu „geplättet“ gewesen von den aufmerksamen Gesten der Mitarbeiterinnen.
Gelegenheiten zum Austausch
Auch das gemeinsame Frühstück, das zwei Mal im Monat stattfindet, sei eine wunderbare Gelegenheit des Austauschs unter den Bewohnerinnen. Der fein gedeckte Tisch mit Tulpengestecken, reichlich Gebäck und Kaffee ist das Werk der angestellten Hauswirtschaftsleiterin im Haus. Der Frühstücksraum liegt unmittelbar an dem geräumigen Innenhof der Einrichtung. Ortner freut sich: „Im Sommer können wir hier wunderbar grillen und Feste veranstalten."
"Frauen in großer persönlicher Not schnell helfen"
Sümeyye Ugur begleitete Petra Reiter beim Rundgang durch das Haus Agnes und sprach mit ihr über die Bedeutung dieser Einrichtung.
"Sie brauchen einen Rückzugsraum"
Warum sind Einrichtungen wie das Haus Agnes so wichtig?
Petra Reiter: Grundsätzlich sind alle Einrichtungen, die obdachlosen Menschen eine Bleibe bieten, wichtig. Das besondere am Haus Agnes ist, dass es ausschließlich für Frauen in München übergangsweise eine Wohnmöglichkeit schafft. Viele der Frauen, die dort ankommen, haben Demütigung oder Gewalt erleben müssen und brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern einen echten Rückzugs- und Schutzraum. Außerdem wird für dieses sog. Übergangswohnen eine sozialpädagogische Betreuung angeboten.
"Ausbau wäre wünschenswert"
Gibt es in München genügend solcher Einrichtungen?
Petra Reiter: Es gibt noch einige andere solcher Einrichtungen, allerdings ist der Bedarf nach meiner Einschätzung deutlich höher als das vorhandene Angebot. Ein Ausbau dieser Möglichkeiten wäre daher sehr wünschenswert.
"Hilfe wird sehr geschätzt"
In welchen Bereichen benötigen die Frauen besondere Unterstützung?
Petra Reiter: Frauen haben, gerade wenn sie wohnungslos sind oder wenn sie Opfer häuslicher Gewalt wurden, besonders hohe Hemmschwellen, auf ihre missliche Lage hinzuweisen. Daher ist es besonders wichtig, dass neben der Unterkunft auch eine persönliche Beratung und psychologische Hilfe sogar rund um die Uhr angeboten wird. Diese wird von den Frauen nach meiner Kenntnis auch sehr geschätzt und entsprechend in Anspruch genommen.
"Ich bin ausgesprochen dankbar"
Wie bewerten Sie die Arbeit des SkF-Teams?
Petra Reiter: Als Schirmherrin des Netzwerks Wohnungslosenhilfe bin ich ausgesprochen dankbar für die Unterstützung durch das SkF-Team. Mir ist es sehr wichtig, dass insbesondere Frauen, die in großer persönlicher Not sind, schnell und unbürokratisch geholfen wird. In einer Stadt wie München sollte es möglich sein, in Zusammenarbeit zwischen den städtischen Einrichtungen und Initiativen oder Netzwerken wie dem Netzwerk Wohnungslosenhilfe ein breites Netz an Unterstützung zu bieten. Dafür arbeite ich, zusammen mit vielen anderen Ehrenamtlichen, sehr gerne auch in Zukunft.
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