Sag mir, was du isst...
Großer Einkauf für das "Zweite Abendmahl"
Draußen stapeln sich in blauen Gemüsekisten Paprika, Kartoffeln und Auberginen neben Maniok, Okraschoten und Kochbananen. Drinnen sind die Regale bis unter hohe Decken gefüllt mit Reis, Kichererbsen, Brot und Gewürzen. In unergründlichen Gefriertruhen liegen unterschiedlichste Fische, an der Fleischtheke zerlegt der Metzger eine riesige Keule. Im letzten Gang stapeln sich Reissäcke, zwei Kilo, fünf Kilo – zehn Kilo für die größten der Großfamilien. Die Kunden sprechen arabisch oder deutsch, der Chef natürlich beides. Im Ariana Markt am Münchner Hauptbahnhof ist auf den ersten Blick zu erkennen, wie gelungene Völkerverständigung aussieht: Ein bisschen chaotisch vielleicht, mitunter nur mit Händen und Füßen zu erklären, hin und wieder unfreiwillig komisch, aber immer aufgeschlossen, immer freundlich.
Könner in der Küche
Bei den größten Reissäcken im Ariana Markt steht Malik, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. "Dieser ist gut, das ist der richtige Reis", erklärt der Geflüchtete aus Afghanistan. Dem einen oder anderen seiner Begleiter entkommt ein leiser Seufzer der Erleichterung. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Münchner Wochenanzeiger und Sabine Fincks von der Initiative "Ein Teller Heimat" hat Malik sich aufgemacht, den perfekten Reis zu finden.
Er wird ihn am folgenden Tag brauchen: Unter dem Motto "Das zweite Abendmahl" organisieren die Münchner Wochenanzeiger wieder ein Kochevent mit Geflüchteten. Nach erfolgreicher Premiere im Juli wird abermals geschnitten, gebraten und gerührt. Im Anschluss sind Gäste aus Politik und Gastronomie, Vertreter von Vereinen oder ehrenamtlichen Initiativen eingeladen, es sich schmecken zu lassen. Die Geflüchteten bereiten traditionelle Gerichte aus ihrer Heimat zu, alle haben Erfahrung in der Gastronomie, ausgebildete Köche oder Hotelmanager sind dabei. Wieder stellt die Kermess Schule für den Abend kostenlos die toll ausgestattete Lernküche und den großen Speisesaal zur Verfügung. Frau Fincks und ihr Team von "Ein Teller Heimat" helfen mit Know-How, Erfahrung und Engagement bei der Organisation – bereits seit knapp einem Jahr kocht die Gruppe regelmäßig mit Geflüchteten aus unterschiedlichen Nationen.
Austausch und Begegnung
"Das zweite Abendmahl" soll Austausch und Begegnung bringen: Münchner kommen mit ihren neuen Nachbarn ins Gespräch, diese können dabei einen entscheidenden Teil ihrer Kultur vorstellen und sich ganz nebenbei potenziellen Arbeitgebern als Könner in der Küche präsentieren. Vielleicht, das ist das ausgemachte Ziel des Abendmahls, ergibt sich für den ein oder anderen hinterher ein Praktikum.
Malik wird Qabili Palau zubereiten, ein typisch afghanisches Reisgericht. Damit alles perfekt schmeckt, kommt es entscheidend auf den Reis an. Entscheidender als sich der Einkaufstrupp das ausgemalt hat. Reis ist offenbar nicht gleich Reis und Malik ein geduldiger Mann: In verschiedenen Läden wiegt er die Körner in den Händen, inspiziert sie sorgfältig, lässt sie durch die Finger rieseln, überlegt kurz und schüttelt dann vehement den Kopf. Bis jetzt, bis zu diesem Reis, dem richtigen – endlich.
Chance auf Anhieb genutzt
Auch Christopher muss ein bisschen grinsen, der junge Mann aus Gambia hat zur Reisproblematik eher pragmatische Ansichten. Christopher ist quasi in Vertretung zum Einkauf gekommen. Einer seiner besten Freunde, Omar, war bereits beim ersten Abendmahl dabei und natürlich hat er auch für das zweite Kochen gerne zugesagt. Doch: Omar ist einer der Jungs, die ihre Chance auf Anhieb nutzen konnten, noch im Juli hat er einen Job in der Gastronomie bekommen, inzwischen ist er vormittags zur Berufsorientierung und -vorbereitung in der Schule, nachmittags arbeitet er im Restaurant. Für den Kochtag hat er sich extra freigenommen, zur Einkaufstour aber hätte er es nicht geschafft. Gut, dass Christopher einspringen konnte. Morgen kochen die beiden Jungs dann gemeinsam. Einige andere Köche, die am Samstag ihre Nationalgerichte aus Syrien, Pakistan oder Mali zubereiten werden, waren zum Einkauf ebenfalls verhindert: Sprachkurse oder Praktika gehen natürlich vor.
Malik und Christopher haben aber auch für ihre fleißigen Kochkameraden ein Auge auf den Einkauf, schließlich sind die Beiden zufrieden mit den Zutaten: Reis, Fisch, afrikanische Chilis und allerlei andere bunte Gemüse werden in Tüten verstaut. Noch kurz abstimmen, wann es am nächsten Tag losgeht, dann gehen die Einkäufer ihrer Wege – sie müssen schließlich ausgeruht sein für morgen, für das große Kochen.
Lesen Sie mehr! In unserem nächsten Samstagsblatt, das am 22. Oktober erscheint, erfahren Sie in einem detaillierten und reich bebilderten Bericht wie "Das zweite Abendmahl" verlaufen ist, welche Gerichte sonst noch auf dem Speiseplan standen und inwieweit sich die Erwartungen erfüllt haben. Verraten können wir schon einmal: Was lange währt, wird endlich gut. So einen leckeren Reis haben wir noch nie gegessen!
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