Reis gut, alles gut
Münchner Wochenanzeiger und Geflüchtete kaufen ein: Das "Vierte Abendmahl" steht an
Die Jacken haben sie bis ganz nach oben zu- und die Schultern so weit wie möglich hochgezogen: Abdul und Basel warten vor dem Verdi Markt am Münchner Hauptbahnhof. Gestern war Frühlingsanfang, aber dem Wetter wurde der Termin offenbar nicht übermittelt. Es ist bitterkalt und windig. Gut, dass die Mitarbeiter der Münchner Wochenanzeiger pünktlich sind. Gemeinsam mit Abdul und Basel geht es in den Verdi Markt: Der Einkauf für das "Vierte Abendmahl" steht an.
Bereits drei Mal haben die Münchner Wochenanzeiger mit Geflüchteten gekocht – Abendmahl eins bis drei. Jetzt geht die erfolgreiche Veranstaltung in die vierte Runde: Es wird wieder geschnitten und gehackt, gebruzelt und gebraten. Mehr als zehn Köche bereiten Spezialitäten aus ihrer Heimat zu. Im Anschluss servieren die Geflüchteten ihre Gerichte Gästen aus Politik und Wirtschaft, Verbänden und Helferinitiativen – ein Essen, das Gemeinschaft schafft und Brücken baut. Auch für das "Vierte Abendmahl" dürfen die Münchner Wochenanzeiger und ihre Köche wieder kostenlos Lernküche und Speisesaal der Kermess Hotelfachschule nutzen.
Spezialitäten aus der Heimat
Die bisherigen Veranstaltungen hatten unterschiedliche Schwerpunkte: Das "Erste" und "Zweite Abendmahl" brachte junge Geflüchtete, die bereits in der Heimat Erfahrungen in Küchen und Hotels gesammelt hatten, die eine abgeschlossene Ausbildung oder ein entsprechendes Studium vorweisen konnten, mit Münchner Gastronomen und Hoteliers zusammen. Die Münchner Wochenanzeiger stellten den Neuankömmlingen potentielle Arbeitgeber und den Unternehmern motivierte Arbeitswillige vor: Eine Idee aus der einige Praktikumsangebote und Arbeitsverträge hervorgegangen sind.
Das "Dritte Abendmahl" hatte ein neues Thema: Köche waren unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die im Münchner Waisenhaus lebten, als Ehrengäste kamen zahlreiche Senioren aus dem Alten- und Servicezentrum Neuhausen. Die Münchner Wochenanzeiger zeigten: Junge und Alte können viel voneinander lernen – wenn wir generationenübergreifend einander ein bisschen näher rücken, dann stellt sich schnell heraus: Zusammen ist man weniger allein.
Unterschiedliche Schwerpunkte
Das "Vierte Abendmahl" ist eine Kooperation mit "ArrivalAid". Die Initiative bildet Einheimische zu Anhörungs- und Integrationsbegleitern aus: Sie unterstützen Neuankömmlinge bei Behördengängen, dem Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder Alltagsproblemen – Wohnungssuche, Deutschkursen und Ähnlichem. Die Münchner Wochenanzeiger und "ArrivalAid" wollen die Ehrenamtlichen und ihre Schützlinge feiern – das gemeinsame Engagement und die Hilfe füreinander. Gut, dass unter den Geflüchteten, die "ArrivalAid" betreut, viele sind, die gerne und versiert kochen. Zum Beispiel Abdul und Basel: Für sich und ihre Mitköche wollen sie im Verdi Markt all die speziellen Zutaten kaufen, die es für ein besonderes und traditionelles Essen braucht.
Kräuter, Fleisch und Rosenwasser
Einfacher gesagt, als getan. Im Markt ist es voll und die Breite der Gänge ist nicht ganz mit dem Platzangebot bei Edeka oder Rewe zu vergleichen: Es ist super eng, die Menschen drängeln sich dicht an dicht vor den Regalen. Sprachgemisch aus arabisch und deutsch, afrikanischen Dialekten oder türkisch wabert durch den Laden. Abdul kommt aus Afghanistan. Er steuert erst einmal auf die Reissäcke im hinteren Teil des Ladens zu. In Afghanistan ist Reis nicht gleich Reis. Man könnte die Auswahl der richtigen Körner als Wissenschaft bezeichnen, ohne zu übertreiben. Wie sich schnell herausstellt, steht die Reisfrage auch in Basels Heimat Syrien oben auf der Agenda. Die beiden Köche lassen Reis durch die Hände rieseln, philosophieren über Dicke und Länge der Körner, offenbar spielt sogar die Farbe eine Rolle – der deutsche Münchner Wochenanzeiger Mitarbeiter staunt über den Ernst der Lage, dachte er doch bisher, Reis ist Reis ist Reis. Nun ja, man lernt nie aus. Schließlich fällt eine Entscheidung: Bis zu dieser hat es nur knapp 30 Minuten gedauert; ging ja zackig.
Mit zwei Zehn-Kilo-Säcken Reis führt der Weg weiter zur Fleischtheke. Hähnchen und Rind, Lamm und Hackfleisch wandern in den Einkaufswagen. Basel braucht noch Rosenwasser für das Dessert, ein paar Kräutertütchen werden ausgewählt und frisches Obst und Gemüse geprüft. Die Mitarbeiter der Münchner Wochenanzeiger beschränken sich aufs Einpacken und Verstauen der Lebensmittel. Kurze Frage zum Ende: Wurde an alles gedacht, auch für die anderen Köche? Gibt es genug Fleisch und Reis? Natürlich, Abdul und Basel nicken zufrieden. Gemeinsam geht es wieder vor die Tür. Alle prallen kurz zurück, als die Kälte in die Glieder fährt. Abdul und Basel ziehen resigniert ihre Reisverschlüsse wieder zu. Wie schön, dass es morgen zwischen riesigen Kochtöpfen und heißen Pfannen niemanden frieren wird.
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