Rauswurf mit allen Mitteln?
"Haus mit der roten Fahne" kämpft weiter
"Sauerei", "ein Skandal", "mafiöse Methoden", "Ihr werdet doch erpresst": Quer durch die Parteien zeigten sich die Mitglieder des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8) empört über das, was ihnen Julian Mühlbauer an Neuigkeiten zum Thema "Haus mit der roten Fahne" berichtete. Eigentlich hätte der Verlag "Das Freie Buch" als Mieter zum Jahresende 2016 aus dem städtischen Gebäude Tulbeckstraße 4f ausziehen müssen – gemäß Stadtratsbeschluss vom September 2015.
Gegen diesen Plan wandte sich eine Petition mit über 2.000 Unterstützern, ein einstimmiger BA-Antrag vom September 2016 sowie ein Stadtratsantrag der Linken- und Grünen-Fraktionen vom Oktober 2016. Dennoch, berichtete der Verlagsangestellte Mühlbauer, habe der Stadtrat am 14. Dezember 2016 in nichtöffentlicher Sitzung die städtische Wohnungsgesellschaft GWG beauftragt, auf dem Grundstück Wohnungen zu bauen. Der Verlag bekam kurz vor Weihnachten das Angebot, bis zum 31. Dezember 2017 bleiben zu dürfen, sofern er innerhalb von zwei Tagen (!) eine "notarielle Unterwerfungserklärung" unterzeichne, in der er auf alle weiteren Ansprüche verzichtet. Am Tag danach flatterte eine Mietnachforderung in Höhe von 48.000 Euro ins Haus. "Diese Mietschulden gibt es nicht, diese Zusatzmiete wurde niemals gefordert", betonte Mühlbauer. "Wir glauben, dass hier nur Munition für eine Räumungsklage gesammelt wird."
Demokratieverständnis
Das Schlimmste sei, berichtete Mühlbauer, dass sie keinen Ansprechpartner finden konnten: Die GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München und die Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung mbH (MGS) hätten sich gegenseitig für zuständig erklärt, genauso hätten städtische Referate an das jeweils andere verwiesen. "Wir bitten den Bezirksausschuss, sich dagegen zu verwahren, mit welchem Geschäftsgebaren und Demokratieverständnis hier gehandelt wird", sagte Mühlbauer.
Stadtratsmitglied Gerhard Mayer (SPD) erklärte, dass der Besitz zum ersten Januar von der MGS auf die GWG übergegangen sei. "Was mich ratlos zurücklässt, ist die Weigerung zur Kommunikation der GWG", meinte er. Willy Mundigl, Chef der SPD-Fraktion im Bezirksausschuss, ärgerte sich nicht nur über die "Sauerei, wie mit euch umgegangen wird", sondern forderte auch, dass der Bezirksausschuss "zeitnah und vollumfänglich" informiert werden soll. Sein CSU-Kollege Thomas Hofstätter ärgerte sich über die Missachtung des BA-Beschlusses vom September und des Stadtratsantrags. "Das sind doch mafiöse Methoden, so geht's nicht. Die Stadt kann es doch nicht wie Immobilienhaie machen und mit einer Zwei-Tages-Frist agieren."
"Runder Tisch" gefordert
Einstimmig hat der Bezirksausschuss vier Punkte beschlossen: Er bekräftigt seinen Beschluss vom September zum Erhalt des Hauses und zur Nutzung durch die bisherigen Mieter. Der BA verlangt die zeitnahe und vollumfängliche Information zum Sachstand und kritisiert die mangelnde Transparenz und den "unwesentlichen Informationsgehalt" der Zwischennachricht vom 23. Dezember. Drittens fordert der BA die sofortige Behandlung des Stadtratsantrags der Linken- und Grünen-Fraktion, bevor weiterführende Maßnahmen eingeleitet werden. Dieser Antrag fordert den Verkauf an den bisherigen Mieter oder alternativ ein langfristig geschütztes Mietverhältnis zur Fortführung der bisherigen Nutzung. Und viertens regt der Bezirksausschuss eine gemeinsame öffentliche Veranstaltung mit allen Beteiligten an: dem Mieter, der GWG und dem Planungsreferat. Diese Forderungen schickte BA-Vorsitzende Sibylle Stöhr nicht nur dem Planungsreferat, sondern auch GWG-Geschäftsführer Christian Amlong.
Denkmal der Arbeiterbewegung
Derweil läuft der Betrieb im "Haus mit der roten Fahne" weiter. Es beherbergt seit Anfang der 1970er Jahre die Druckerei des Verlags "Das freie Buch" sowie verschiedene Organisationen der Arbeiterbewegung. Es ist das Zentrum des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD und Sitz des August-Kühn-Vereins. "Das Haus ist auch ein Denkmal der Münchner Arbeiterbewegung, eine soziale Begegnungsstätte, ein Ort kultureller Veranstaltungen, der Literatur und der Volksbildung", heißt es in der 2.000mal unterzeichneten Petition. Die Bibliothek ist für jedermann zugänglich.
Das Gebäude ist renovierungsbedürftig – "so lange das Damoklesschwert über uns schwebt, sind wir als Mieter natürlich auch nicht bereit, viel Geld zu investieren", erklärt Julian Mühlbauer. Dabei wollte sein Chef, Verleger Stephan Eggerdinger, das Haus ja schon vor vielen Jahren von der städtischen MGS kaufen und sanieren, "für die Stadt die günstigste Lösung", ist Mühlbauer überzeugt. 2011 verhinderte den Verkauf der Antrag zweier CSU-Stadtratsmitglieder, "nach dem Motto: kein städtisches Eigentum an die Kommunisten verkaufen", bringt es der Verlagsangestellte auf den Punkt.
Den städtischen Plan, hier Sozialwohnungen zu errichten, hält er für schwierig bis unmöglich. Bei den Abständen, die nach den aktuellen Brandschutzvorschriften einzuhalten seien, hätten sowieso gerade einmal zwei Wohnungen Platz.
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