Radlerspuren werden entfernt
Dem Test folgen Planungen für dauerhafte Verbesserungen
In fünf Straßenzügen hatten Radfahrer in den vergangenen Monaten mehr Platz als sonst: Für sie wurden "Pop-Up-Bike-Lanes" bzw. "Radverkehrsanlagen" eingerichtet. Beide mehr oder weniger fantasiereichen Begriffe meinen schlicht: Radlerspur. Eine zuvor für alle offene Spur wurde für Zweiräder reserviert. Im April hatte der Stadtrat diese Maßnahme - ausdrücklich aufgrund der Corona-Pandemie - beschlossen und sie zugleich bis Ende Oktober befristet.
Damals im April war München im ersten Lockdown. Mehr Menschen stiegen aufs Rad: Eine Zunahme von ca. 20 % wurde an den Dauerzählstellen registriert, obwohl kein Schülerverkehr, Ausbildungsverkehr und normaler Berufsverkehr stattfand.
Die testweise eingerichteten Radlerspuren haben laut städt. Planungsreferat zu keinen größeren Veränderungen für den Autoverkehr geführt. Auch die Polizei zog ein positives Fazit. Eine verbotene Nutzung der "Pop-up-Bike-Lanes" durch Pkw oder Lkw sei mit Ausnahme des Lieferverkehrs kaum zu beobachten gewesen. Allerdings wurden die "Lanes" immer wieder von Fahrern motorisierter Zweiräder für das Rechts-Überholen von Kfz genutzt.
Vor dem Auslaufen des Tests hat sich der Stadtrat am Mittwoch mit den "Lanes" beschäftigt. Unter anderem war der Vorschlag gemacht worden, die Corona-Maßnahme in dauerhafte Radwege umzuwandeln. Bei den Strecken, so die Initiatoren, handle es sich um mehrspurige Hauptstraßen, die häufig mit überhöhter Geschwindigkeit befahren werden und entweder über gar keine oder viel zu schmale Radwege verfügen. Eigene Radlerspuren seien für mehr Sicherheit nötig.
Jetzt wird geplant
Der Stadtrat hat (mit den Stimmen u.a. von CSU, SPD, FDP gegen Grüne, ödp, Freie Wähler, Linke) jetzt aber entschieden, das "Experiment" Radlspuren - wie schon im April beschlossen - zu beenden. Die gelben Markierungen werden entfernt. Für Radler soll es künftig dennoch besser werden: Für die beide "Lane"-Streckenabschnitte in der Rosenheimer Straße ist der Bau von Radwegen bereits bereits beschlossen.
Weitere Maßnahmen zu den anderen Test-Strecken sollen in den nächsten Monaten geplant und dem Stadtrat und der Öffentlichkeit spätestens im April 2021 vorgelegt werden. Sollte der Stadtrat dann dauerhafte Umgestaltungen zugunsten der Radler beschließen, könnten bis zu deren Umsetzung die "Lanes" als Übergangslösung wiederkehren - dann aber schon in Weiß statt in befristetem Gelb.
BUND hält Abbau für "absurd"
Der BUND Naturschutz hat den Beschluss scharf kritisiert. Gerade in der jetzigen Situation sei es wichtig, Fuß- und Radverkehr mehr Platz zu geben. „Auf Rad- und Gehwegen ist es an vielen Stellen unmöglich, den derzeit erforderlichen Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten. Pop-Up-Radwege können einen Beitrag leisten, diese Situation zumindest stellenweise zu entschärfen. Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen und einem drohenden zweiten Lockdown ist es absurd, dass die Stadt München die Radwege ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt abbauen will", so Martin Geilhufe (BUND). Die Pop-Up-Radwege sollten in reguläre Radwege umgewandelt werden.
Grüne sehen "Rückschlag"
Stadträtin Gudrun Lux (Grüne) wertete die Entscheidung des Stadtrats als "Rückschlag" für die Mobilitätswende. "Wer sich in München ernsthaft für die Neuverteilung des Straßenraums einsetzt, kann die Entscheidung nur bedauern", so Lux. "Sie weist in die völlig falsche Richtung, denn dem Radverkehr, der sich an den Pop-Up-Bikelanes deutlich erhöht hat, wird nun ein Stück neu gewonnener Sicherheit wieder genommen. Dies wird an einigen Stellen zu echten Risiken führen – zum Beispiel an dem viel zu schmalen Radweg in der Zweibrückenstraße." Es sei aber aus ökologischen Gründen unvermeidlich, die Dominanz des Autoverkehrs zurückzudrängen.
SPD will breite Akzeptanz der Bürger
„Die Pop-up-Radwege waren von Anfang an als Test gedacht", sagte SPD-Stadtrat Roland Hefter. "Es war geplant, dass sie Ende Oktober auslaufen. Und jetzt ist eben Ende Oktober." Es sei eine Sache der Glaubwürdigkeit, den Versuch nun erst einmal auswerten und mit den Erkenntnissen nächstes Jahr für alle Verkehrsteilnehmer, vor allem für die Radler, noch einmal zu verbessern.
Für die SPD-Fraktion ist der Beschluss ein Schritt zur Umverteilung des öffentlichen Raumes weg vom Auto hin zur umweltfreundlichen Fortbewegung. Aus Sicht der SPD ist eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung nötig, damit dieses Zukunftsprojekt gelingen kann. Dazu gehören nachvollziehbare Entscheidungen, die nur auf Grundlage von gesicherten und vollständigen Daten getroffen werden können. Verkehrliche Maßnahmen müssen auf Gefahrenstellen überprüft, mögliche Konflikte mit dem öffentlichen Nahverkehr entschärft sowie alle Betroffenen – Anwohnerschaft, Gewerbetreibende und örtliche Bezirksausschüsse – einbezogen werden.
CSU will gerechte Wende
Ähnlich sieht es die CSU. Der Beschluss sei "kein Beschluss gegen Radwege, sondern für eine sinnvolle und nachhaltige Verkehrsplanung", so Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl. Die Verkehrswende sei zu wichtig, um sie aus ideologischer Gesinnung heraus einseitig und überstürzt zu gestalten. "Eine nachhaltige und gerechte Verkehrswende kann nur mit dem ÖPNV gelingen, der durch die Pop-Up-Bike-Lanes stellenweise ausgebremst wird", so Pretzl. Die Interessen der Bürger und Geschäftsleute vor Ort seien wichtig, sie müssen an der Planung beteiligt werden. "Wir brauchen eine sinnvolle Aufteilung des Straßenraums für alle Verkehrsteilnehmer. Das schließt die Förderung des Radverkehrs ein – aber eben nicht um jeden Preis", so Pretzl.
Das waren die Teststrecken
Die "temporären Radverkehrsanlagen" waren von April bis Oktober hier zu eingerichtet:
• Rosenheimer Straße zwischen Orleansstraße und Rosenheimer Platz
• Rosenheimer Straße zwischen Lilienstraße und Am Lilienberg
• Zweibrückenstraße zwischen Erhardt- und Thierschstraße
• Elisenstraße zwischen Dachauer Straße und Lenbachplatz
• Theresienstraße zwischen Türken- und Schleißheimer Straße
• Gabelsbergerstraße zwischen Arcis- und Türkenstraße .
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