Prof. Dr. Michael Piazolo, Freie Wähler
- geboren am 22. Oktober 1959
- Professor für europäische Studien an der Hochschule München
- 2008 in den Münchner Stadtrat gewählt
- gehört dem Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur und dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landtages an
- setzt sich vorallem für die Förderung des Bürgerwillens und bessere Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten ein
"Ich möchte den Menschen die Politik wieder näherbringen: Mir ist dabei wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger – gerade im lokalen Umfeld – spüren, wie stark Politik ihren Alltag prägt. Das heißt für mich, Bürgeranliegen und Probleme direkt in meiner politischen Arbeit aufzugreifen und die Nähe zwischen Bürgern und Politik zu pflegen.
Besonders am Herzen liegt mir unser Bildungssystem. Denn nur mit der bestmöglichen Bildung und Ausbildung kann jeder Einzelne und unsere Gesellschaft als Ganzes künftig bestehen. Als Mitglied in den Ausschüssen Hochschule, Forschung und Kultur sowie Bundes- und Europaangelegenheiten, aber auch im Arbeitskreis Bildung und Hochschule kann ich meine langjährigen praktischen Erfahrungen als Hochschullehrer und Politikwissenschaftler einbringen."
Der Werbe-Spiegel, der Sendlinger Anzeiger und das SamstagsBlatt haben eine Politiker-Reihe, genannt „Aug' in Aug' mit der Politik“, ins Lebens gerufen, bei der sich Entscheidungsträger mit einem kurzen Statement zu einem bestimmten Thema äußern können.
Besitzen Sie einen Organspendeausweis?
"Schon seit längerem wollte ich mir einen Organspendeausweis zulegen, kam aber aus eigener Nachlässigkeit bisher nicht dazu und werde dies nachholen: Organspenden retten schließlich Leben."
Soll das Sitzenbleiben in Bayern abgeschafft werden?
„Ich bin gegen eine völlige Abschaffung des Sitzenbleibens. Die Zahl der Pflichtwiederholer sollte allerdings möglichst gering gehalten werden. Daher fordern wir Freie Wähler eine stärkere Förderung unserer Kinder. Dazu gehören kleinere Klassen und mehr Lehr- und Betreuungspersonal, um mehr Zeit für das einzelne Kind und seine individuellen Bedürfnisse aufbringen zu können.“
Welche Veränderungen streben Sie auf dem Münchner Mietmarkt an?
„Generell muss in München dringend mehr Wohnraum geschaffen werden. Die derzeitige Lage fordert daneben ein ganzes Bündel an weiteren Maßnahmen, u.a. die Aufnahme von Bestandsmieten in den Mietspiegel und die verstärkte Förderung des Genossenschaftsmodells. Zudem sollte die Stadt über die ursprünglich gemeinnützigen städtischen Wohnungsgesellschaften weiterhin kostengünstigen Wohnraum für die eigenen Bürger anbieten und damit mäßigend auf die Entwicklung der Mietpreise wirken. Wichtig ist ein Bestandsschutz für bestehenden günstigen Wohnraum sowie ein verstärktes und ausgewogenes Engagement im sozialen Wohnungsbau in allen
Stadtteilen samt einer attraktiven, staatlichen Wohnungsbauförderung.“
Gewalt gegen Frauen: Sollte der Staat mehr Geld in Präventionsmaßnahmen investieren?
„Generell kann nur das Zusammenspiel verschiedener Akteure sexuelle Gewalt verhindern. Körperliche Selbstbestimmung und ein gesundes Selbstbewusstsein der Frauen sind der wichtigste Schutz gegen sexuelle Gewalt. Basis ist jedoch eine aufmerksame Gesellschaft, in der jedem Menschen Respekt und Wertschätzung entgegengebracht werden muss, unabhängig vom Geschlecht. Diese zentralen Werte müssen frühzeitig in den Familien gelebt werden. Darüber hinaus sind staatliche Präventionsprogramme, Informations- und Aufklärungskampagnen und die personelle Stärkung der Polizei wichtige Bestandteile im Kampf gegen sexuelle Gewalt.“
Was erwarten Sie von Papst Franziskus?
„Die Wahl eines Papstes aus Lateinamerika und der Name Franziskus sprechen für einen dezenten Wandel. Allerdings warne ich vor überzogenen Erwartungen. Persönlich hoffe ich, dass Franziskus die Laien in der Kirche mehr einbindet und diesen mehr Mitspracherechte einräumt. Zudem hoffe ich, dass die Kirche und die Kurie transparenter werden und sich in Hinblick auf die Fragen, Probleme und Aufgaben unserer Zeit mehr öffnen und weitere Brücken in der Ökumene und zu anderen Religionen gebaut werden.“
Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen?
"Ein generelles Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen lehne ich ab, jedoch kann es bestimmte sensible Standorte geben, an denen ein befristetes Alkoholverbot notwendig sein kann. Gegen Ruhestörer und alkoholisierte Gewalttäter muss grundsätzlich konsequent vorgegangen werden, um die berechtigten Interessen der Anwohner sicherzustellen. Dies darf allerdings nicht zu einer Gängelung von Personen führen, die nach getaner Arbeit ein gemütliches Feierabendbier unter freiem Himmel zu sich nehmen wollen."
Soll die Wasserversorgung in Deutschland privatisiert werden?
„Ich bin strikt gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung in Deutschland! Wasser ist ein lebensnotwendiger Rohstoff, der nicht dem Spiel der Märkte überlassen werden darf. Eine Privatisierung würde nach allen Erfahrungen zu höheren Preisen bei meist sinkender Versorgungsqualität führen. Dies lehne ich entschieden ab! Die FREIEN WÄHLER stehen daher für eine kommunal gesicherte Wasserversorgung. Dies muss auch so bleiben.“
Sexuelle Belästigung in Chaträumen: Sind Sie der Meinung, dass zum Schutz der Heranwachsenden seitens des Staates alles Menschenmögliche getan wird, um im Internet korrigierend und beschützend einzuwirken?
„Sexuelle Belästigung von Minderjährigen, auch in Chaträumen, ist eine schwerwiegende Straftat, die konsequent verfolgt und geahndet werden muss. Eine vollständige Sicherheit im Internet kann jedoch nicht hergestellt werden. Entscheidend sind daher die Eltern, die ihre Kinder im Internet begleiten und über Gefahren besonders in Chaträumen aufklären müssen. Aufgabe des Staates dabei wäre, Chatbetreiber zu verpflichten, einen umfassenden Schutz Minderjähriger sicherzustellen.“
Ist der Entertainer Stefan Raab ein angemessener Moderator für das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück?
„Aus meiner Sicht steht bei den TV-Duellen eher die Frage im Vordergrund, welche Kompetenzen diese beiden Kanzlerkandidaten haben. Dies herauszuarbeiten ist auch eine Aufgabe der Moderatoren, egal welchen Hintergrund sie haben. Zudem bleibt abzuwarten, ob auf die Fragen der Moderatoren auch angemessene Antworten gegeben werden, die es den Bürgern erlauben, Rückschlüsse auf die Wählbarkeit der beiden großen Parteien zu ziehen.“
Haben Sie mit Ihren Eltern, Großeltern oder Verwandten über die NS-Zeit und den 2. Weltkrieg gesprochen?
„In meiner Familie wurde über die NS-Zeit und die Kriegsjahre gesprochen. Für mich war dabei immer interessant, möglichst viele Erzählungen und persönliche Eindrücke zu sammeln, um das mir Geschilderte einordnen zu können. Erschreckend war für mich immer, zu erfahren, wie schnell sich ein politisches System und auch eine Gesellschaft ändern können. Daraus habe ich für mich die Lehre gezogen, alles dafür zu tun, unsere wertvolle Demokratie zu bewahren und mitzugestalten.“
Soll die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen ausgeweitet werden?
„Bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze stellt sich für mich immer die Frage der Verhältnismäßigkeit. Aus meiner Sicht kann eine zeitlich begrenzte Videoüberwachung an bekannten Brennpunkten im öffentlichen Raum durchaus sinnvoll sein. Dabei sollte es aber nicht nur darum gehen, Straftaten im Nachhinein aufzuklären, sondern diese zu verhindern. Die Videoüberwachung macht daher nur dann Sinn, wenn auch ausreichend Personal zur Verfügung steht. Eine flächendeckende und dauerhafte Videoüberwachung lehne ich ab.“
Welches Buch würden Sie anderen weiterempfehlen?
„Aktuell lese ich "Wolkenatlas" von David Mitchell. Im Buch werden sechs Menschen aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und unterschiedlichen Gesellschaftsschichten spannend und eindrucksvoll beschrieben. Die einzelnen Lebenswege können sich zeitlich unmöglich kreuzen, werden aber trotzdem auf mystische Weise miteinander verwoben. Faszinierend ist, wie der Autor es schafft, sich auf die verschiedenen Epochen sprachlich einzustellen und meine Einschlafzeit immer wieder nach hinten zu verschieben.“
Würden Sie die Riester-Rente empfehlen?
„Ich bin kein Finanzberater und kann daher auch keine Empfehlungen aussprechen. Der Schritt zu einem guten Riester-Vertrag ist leider kompliziert und hängt in höchstem Maße von der Qualität der Beratung ab. Bei der Transparenz und Flexibilität der Verträge müssen die Anbieter unbedingt nachbessern und anstelle der eigenen Provision das Wohl des Kunden in den Vordergrund stellen. Ist die Beratung gut und ehrlich und das Riester-Produkt auf den Verbraucher zugeschnitten, dann ist die Riester-Rente mit den staatlichen Zulagen eine gute Möglichkeit für die nötige zusätzliche Absicherung im Alter.“
Stadtteil-Check: Was möchten Sie in Ihrem Stimmkreis am dringendsten verändern?
"Mir fällt spontan einiges zum Thema Mieten/Wohnen, zu fehlenden KiTa-Plätzen und zum Verkehr ein. Der Wohnungsnot und den steigenden Mieten muss ein ganzes Bündel an Maßnahmen entgegengesetzt werden, denn hier brennt es in München. Ähnliches gilt für die Versorgung einiger Stadtteile mit KiTa-Plätzen. Stichwort Verkehr: Mein Stimmkreis München-Giesing umfasst die südlichen Abschnitte des Mittleren Rings. Die hohe Lärm- und Abgasbelastung gehört leider zum Alltag der Ring-Anwohner in der Tegernseer Landstraße und der Chiemgaustraße (ebenso am Innsbrucker Ring und in der Landshuter Allee). Daher setze ich mich schon lange für weitere Tunnels am Mittleren Ring ein.“
Sprachreformen in der Uni Leipzig: Ist die Einführung ausschließlich weiblicher Titel sinnvoll?
"Ich denke, man sollte diese sprachliche Minireform in Leipzig nicht zu hoch bewerten. Fakt ist: Der erweiterte Senat der Universität Leipzig hat die feminine Personenbezeichnung als Standard in seine Grundordnung aufgenommen. Männer dürfen jedoch weiterhin auch in Leipzig ihre Titel und Funktionen in maskuliner Form führen. Für mich ist wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft tatsächlich eine Gleichberechtigung von Mann und Frau leben und nicht zwischen Extremen schwanken. Die goldene Mitte zu finden, ist auch hier das Mittel der Wahl. Daher sehe ich diese bislang außergewöhnliche Variante aus Leipzig eher als Denkanstoß denn als Muster für neue Sprachnormen.“
Sind Sie zufrieden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in München?
„Jein. Die Liste der Mängel lässt sich ja leider fast beliebig erweitern. Daraus resultiert dann die fehlende Zuverlässigkeit der Hauptverkehrsmittel U- und S-Bahn in den Stoßzeiten. Der ÖPNV scheint den Anforderungen des täglichen Berufsverkehrs nicht mehr ausreichend gewachsen zu sein. Neben den hohen Preisen ist das die Schattenseite des erfolgreichen ÖPNV in München. Daher muss u. a. dringend in die Modernisierung des Fuhrparks und des Netzes investiert und auch die Instandhaltung deutlich verbessert werden. Wir Freie Wähler wollen sowohl den ÖPNV für die neuen Anforderungen und die steigenden Fahrgastzahlen rüsten als auch den Individualverkehr in München auf zukunftsfähige Füße stellen."
Sind Sie zufrieden mit dem deutschen Schulsystem?
„Jedes Bundesland verfolgt eine eigene Bildungspolitik, daher kann man nur bedingt von „dem“ deutschen Schulsystem sprechen. Gerade das bayerische Schulsystem offenbart leider immer noch zu wenig Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Wir wollen dies mit einer ideologiefreien Bildungspolitik, die gemeinsam mit den Beteiligten entwickelt werden soll, ändern. Wir bräuchten z.B. unbedingt kleinere Klassen, besser ausgebildete Lehrer, eine bessere individuelle Förderung durch zusätzliches pädagogisches Personal, den Ausbau der Ganztagsschule, die Umsetzung der Inklusion, eine verbesserte Durchlässigkeit und eine enge Zusammenarbeit der Schulformen sowie eine eigenverantwortliche Schulentwicklungsplanung in den Landkreisen und Städten.“
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