"Nirgendwo herrscht mehr eine stabile Situation"
Stv. SkF-Geschäftsführerin Elke Prumbach über den alarmierenden Personalmangel in Krippen, die innere Haltung von Erzieherinnen und das Verschieben von Kolleginnen
Kürzlich hat der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) seine dritte Krippe in München eröffnet. Neben den älteren Einrichtungen in Thalkirchen mit 58 Plätzen und in Pasing mit 30 Plätzen hat die neue Krippe "Klitzeklein" in Sendling Platz für 48 Kinder. Doch es fehlen dafür die notwendigen Erzieherinnen: Angesichts der prekären Versorgungssituation konnte die neue Krippe nur mit einer Erzieherin und 12 betreuten Kindern starten.
Mit der stellvertretenden Geschäftsführerin des SkF München, Elke Prumbach, sprach Silke Häns über den Erziehernotstand.
"Möglichst schnell eröffnen"
Wie viele Erzieher fehlen Ihnen, damit Sie alle 48 Plätze ihrer neuen Krippe in Sendling besetzen könnten?
Elke Prumbach: In der neuen Krippe haben wir derzeit nur eine Erzieherin, die gleichzeitig die Leiterin der Krippe ist. Zusätzlich haben wir mehrere Kinderpflegerinnen eingestellt. Wir stellen also jetzt schon gute Pflegerinnen ein, in der Hoffnung, bald auch die nötigen Erzieherinnen zu finden und dann so schnell wie möglich die restlichen Gruppen eröffnen zu können.
Wir haben auch Mitarbeiterinnen aus anderen Bereichen, also Quereinsteigerinnen. Eine Erziehungswissenschaftlerin zum Beispiel, die wir in Absprache mit dem Referat für Bildung und Sport einstellen konnten. Diese arbeiten zunächst als Kinderpflegerinnen und können, nachdem sie ein Jahr bei uns gearbeitet und wir sie entsprechend geschult haben, als Erzieherin weitermachen und eine eigene Gruppe eröffnen.
"Wir suchen in beiden Krippen"
Haben Sie in den Krippen in Pasing und Thalkirchen genügend Erzieherinnen?
Elke Prumbach: Nein, wir suchen in beiden Krippen noch eine Erzieherin. In Thalkirchen kam hinzu, dass die Leitung schwanger wurde. Hier haben wir vielleicht auch schon eine Nachfolgerin gefunden, die aber frühestens zum 1. September anfangen kann. Es ist ein Verschieben von Kolleginnen: In einer anderen Einrichtung fehlt diese Erzieherin dann. Auch in Pasing ist eine Erzieherinnenstelle nicht besetzt, was im Moment dadurch ausgeglichen wird, dass die Leitung aushilft.
Die Krippe in Thalkirchen ist eine sehr große Einrichtung, hier haben wir schon immer Springerinnen eingestellt, um einen besseren pädagogischen Schlüssel zu haben. Das würden wir natürlich gerne aufrecht erhalten, weil immer mal wieder jemand krank wird oder im Urlaub ist und unsere Öffnungszeiten auch sehr ausgedehnt sind. Die Krippe in den Ferien komplett zu schließen ist nicht möglich, das hilft den Eltern ja nicht. Das heißt, wir versuchen die Schließtage so gering wie möglich zu halten. Dafür braucht man natürlich einen größeren Stamm an Erzieherinnen.
"Gruppen nicht ganz besetzt"
Können in diesen zwei Krippen alle Plätze belegt werden, obwohl hier jeweils eine Erzieherin fehlt?
Elke Prumbach: Wir haben uns die Situation vor Ort angeschaut und sind zu dem Entschluss gekommen, die Gruppen nicht ganz zu besetzen. Die Reduzierung bleibt aber gering, vielleicht vier Kinder, die wir weniger aufnehmen.
In anderen Einrichtungen, wo wir ebenfalls noch Erzieherinnen suchen – im Mutter-Kind-Haus und anderen heilpädagogischen Einrichtungen – wirkt sich der Erziehermangel nicht so direkt aus, weil wir den Schlüssel hier anders ausgleichen können, zum Beispiel durch das Einstellen einer Sozialpädagogin, die dann aber natürlich teurer ist.
Der Erziehermangel beeinflusst zwar das Konzept, das wir langfristig so nicht aufrecht erhalten können, aber es ist nicht so, dass wir unsere Arbeit nicht mehr weitermachen können.
"Wir schreiben bundesweit aus"
Werben Sie auch Erzieherinnen aus dem Ausland an?
Elke Prumbach: Das tun ja sehr viele, aus Griechenland oder Spanien, wo die Ausbildung offensichtlich auch sehr gut ist. Man investiert hier als Träger jedoch sehr viel nebenbei, in die Wohnungssuche zum Beispiel, was in München nicht einfach ist. Hier hat es die Stadt schon bedeutend leichter. Wenn man jemanden holt, muss man viel dazu tun, dass sich derjenige integrieren kann, sich hier wohl fühlt. Und viele, die kommen, gehen auch wieder zurück. Allerdings haben wir bundesweit ausgeschrieben, im Moment auch im Großraum Dresden. Die neue Leiterin in Sendling kommt zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen und hat einen Umzug hier her gewagt.
"Erzieher investieren viel"
Wie könnte die Ausbildung für Erzieher attraktiver gestaltet werden? Die Ausbildung dauert ja doch ganze fünf Jahre.
Elke Prumbach: Erzieherinnen machen wirklich eine sehr lange und umfangreiche Ausbildung. Ich denke, sie haben auch einen sehr qualifizierten Job. Erzieherinnen investieren sehr viel, dafür, dass sie dann im Anschluss eine Tätigkeit ausüben, die eine nicht ganz so hohe Anerkennung in unserer Gesellschaft hat. Das ist immer noch ein grundsätzliches Problem bei typischen Frauenberufen und beim Großteil von sozialen Berufen. Das ist sehr problematisch.
Ich bin dennoch eine Verfechterin einer hohen Qualität in der Ausbildung. Wir haben jetzt schon Möglichkeiten für Quereinsteiger, Frauen, die selber Kinder haben und ein bestimmtes Alter erreicht haben. Die haben die Möglichkeit, auch in kürzerer Zeit die Ausbildung zu machen. Das unterstützen wir, indem wir Fortbildungen für Mitarbeiter mitfinanzieren, damit diese uns später auch als Erzieherinnen zur Verfügung stehen können.
Aber ich denke schon, dass diese fünf Jahre ein relativ langer Zeitraum sind. Hier finden sich auch viele praktische Anteile, wo man womöglich schneller sagen könnte: Ab hier sind Erzieherinnen fertig ausgebildet, Berufserfahrung sammelt dann jeder im Laufe seiner Tätigkeiten. Das muss nicht zwingend im Rahmen der Ausbildung sein. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Ausbildung in vier Jahren durchaus eine sinnvolle Sache wäre.
"Quereinsteiger einstellen"
Bilden Sie auch selbst aus?
Elke Prumbach: Wir sind ja keine klassische Ausbildungsstätte. Dennoch unterstützen wir die Ausbildung insofern, dass wir Praktika für die Mitarbeiter anbieten, die ihr Anerkennungsjahr bei uns machen möchten. Und wir bilden auch insofern aus, dass wir wie gesagt Quereinsteigerinnen einstellen, die zunächst die Anerkennung als Kinderpflegerin haben und dann durch Fortbildungen die Ausbildung als Erzieherin anerkannt bekommen. Wir versuchen hier Geld in die Hand zu nehmen, um die Mitarbeiterinnen entsprechend fortzubilden.
Wird sich langfristig etwas an den Verdienstaussichten von Erzieherinnen ändern?
Elke Prumbach: Ich glaube, die aktuelle Situation stärkt die Erzieherinnen: Sie werden gebraucht und alle reißen sich um sie. Wir haben einen Tarif, an den wir uns zu halten haben. Bestimmte Förderungen würden wir gefährden, würden wir das nicht tun. Aber die Erzieherinnen werden deutlich offensiver und ich denke, das ist auch richtig so.
"Für alle ein Gewinn"
Wie könnte man mehr Männer dazu bewegen, den Beruf des Erziehers zu ergreifen?
Elke Prumbach: Wir würden sehr gerne Männer einstellen und auch von Eltern hören wir immer wieder, dass die das gut fänden, wenn die Gruppen nicht nur von Frauen geführt werden. Wir haben auch viele alleinerziehende Frauen, die ihre Kinder, weil sie berufstätig sind, in Krippen unterbringen müssen. Diese Kinder sind fast ausschließlich von Frauen umgeben. Aber für alle wäre es ein Gewinn, wenn sich mehr Männer in diesem Beruf engagieren würden.
"Möglichkeiten bieten"
Welche Besonderheiten bietet der SkF seinen Mitarbeitern?
Elke Prumbach: Wir sind ja ein Tendenzbetrieb mit dem manchmal etwas angestaubt wirkenden Namen "Sozialdienst katholischer Frauen“. Ich glaube aber, das ist es auch, was viele Mitarbeiterinnen zu uns bringt: Die Möglichkeit, in einem ethischen Rahmen die Arbeit machen zu können. Wir bieten Möglichkeiten, sich mit der Rolle und der inneren Haltung auseinanderzusetzen, und ich glaube, gerade in der Arbeit mit Kindern ist es etwas, das vielen Erzieherinnen gefällt und das auch mehr und mehr wieder von jüngeren Frauen angefragt wird.
Ansonsten versuchen wir natürlich, die Mitarbeiterinnen durch ein gutes Arbeitsklima für uns zu gewinnen, zum Beispiel durch schöne Räume. Auch das trägt dazu bei, dass man gerne an so einen Ort geht. Der Neubau in Sendling, das denkmalgeschützte Gebäude in Thalkirchen, mitten in der Natur, wo man mit den Kindern viel rausgehen kann und wo sich die Mitarbeiterinnen auch aufgrund der Rahmenbedingungen wohl fühlen. Ich habe auch den Eindruck, dass unsere Mitarbeiterinnen hoch engagiert sind und es eine hohe Identifikation mit dem SkF als Arbeitgeber gibt und mit der Einrichtung als solchen. Hier habe ich das Gefühl, dass wir was ganz Gutes bieten können.
"Sehr flache Hierarchie"
Welche Aufstiegschancen haben Erzieherinnen beim SkF?
Elke Prumbach: In unserem Verein herrscht eine sehr flache Hierarchie, auf die wir sehr stolz sind. Wir sind kein schwerfälliger Betrieb und können schnell auf bestimmte Dinge reagieren. In Anbetracht der Anzahl der Einrichtungen, die wir haben, ist hier natürlich die Möglichkeit, eine Leitungsstelle zu bekommen, nicht unendlich weit.
Aber man kann sich in die Breite entwickeln: Wenn eine Erzieherin ein paar Jahre in einer Krippe gearbeitet hat, kann sie auch in ein Mutter-Kind-Haus oder eine heilpädagogische Einrichtung wechseln, wo sie dann nicht mehr mit den ganz Kleinen zusammenarbeitet, sondern mit Jugendlichen. So hat man nochmal ein ganz anderes Feld an Möglichkeiten. Auch so kann man sich weiterentwickeln.
"Politik hätte es sehen müssen"
War es bei Krippenbau noch nicht abzusehen, dass Ihnen die Erzieherinnen am Ende fehlen werden?
Elke Prumbach: Nein, wir haben das ehrlich gesagt nicht so kommen sehen. Allerdings denke ich, die Politik hätte es kommen sehen müssen. Hier gibt es ja Zahlen und Entwicklungen. Das war aber für uns damals, als wir die Entscheidung getroffen haben, eine neue Krippe zu bauen, so nicht absehbar. Wir sind auch kein Träger, der hauptsächlich Kindertagesstätten führen will und eine Krippe nach der anderen eröffnen möchte. Wir haben die Krippe deshalb eröffnet, weil wir den Bedarf durch den Kontakt zu den Eltern, zum Beispiel über unsere Mutter-Kind-Häuser gesehen haben. Wir haben in Sendling eine Kombination von unterschiedlichen Einrichtungen, ein Mutter-Kind-Haus und die Krippe, und nur in dem Zusammenhang eröffnen wir Krippen. Wir hatten auch Angebote, hier mehr zu machen, aber das wollten wir nicht.
Zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidung gefallen ist, hatten wir eine gute und stabile Versorgungssituation in unseren zwei anderen Krippen, so dass wir einen Mangel hier nicht kommen sahen. Wir haben geschaut, ob die Bedarfe der Eltern vorhanden sind. Die Ursache für das Problem, dass sich nun in alle Einrichtungen ausweitet, ist einfach der viel zu schnelle Ausbau.
"Alle müssen kämpfen"
Der Erziehermangel, den Sie nun in der neu gebauten Krippe spüren, zieht sich also mittlerweile auch in bisher gut funktionierende, bestehende Einrichtungen hinein?
Elke Prumbach: Es war ja so, dass unsere Krippen gut belegt waren, Personal war ausreichend vorhanden. Wir haben mit langjährigen Mitarbeiterinnen eine stabile Situation in unseren Teams. Dennoch verlassen uns immer wieder mal Mitarbeiterinnen aus Altersgründen oder ganz kurzfristig, weil sie schwanger werden. Und diese Stellen nun neu zu besetzen, wird immer schwieriger.
Der Ausbau hat also dazu geführt, und das kritisiere ich eigentlich am meisten, dass nirgendwo mehr eine stabile Situation herrscht. Das Problem geht bis in die bereits bestehenden Einrichtungen hinein. Hier müssen alle kämpfen.
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