"Nicht unendlich belastbar!"
VdK fordert echte Entlastung für pflegende Angehörige
Wer Angehörige pflegt, spürt in dieser schweren Zeit oft vor allem eines: Druck. "Ärzte, Kliniken, Kranken- und Pflegekassen sowie der Arbeitgeber drängen, machen Vorgaben - aber Hilfen finden die Angehörigen kaum", schilderte Ulrike Mascher (sie ist die Landesvorsitzende des Sozialverbandes VdK) die Situation vieler Familien. Deswegen müsse Bayern endlich mit der Einrichtung der versprochenen Pflegestützpunkte vorankommen, damit Familien eine Anlaufstelle haben, wo sie gebündelt Informationen und konkrete Hilfe finden. Seit zehn Jahren bestehe ein Rechtsanspruch auf solch wohnortnahe Beratung; die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer habe einst 60 Stützpunkte in Bayern angekündigt - nur neun gebe es wirklich.
Nur auf dem Papier vorhanden
Auch bei den Entlastungsleistungen funktioniere das System nicht, beklagte Mascher: Wer zuhaus gepflegt wird, kann für 125 Euro im Monat Hilfe bei hauswirtschaftlichen Dingen (wie Wäsche aufhängen oder Fenster putzen) in Anspruch nehmen - eigentlich. Allerdings gibt es dafür kaum Anbieter. Die Entlastung läuft ins Leere. Einige solcher Ansprüche, so der Vdk, haben die pflegende Angehörigen nur auf dem Papier. Obwohl z.B. der Bedarf an Kurzzeitpflegeplätzen stieg, sind die Kapazitäten zurückgegangen. Wer übergangsweise einen solchen Pflegeplatz braucht (z.B. nach einem Klinikaufenthalt oder wegen des Ausfalls der pflegenden Angehörigen), dessen Chancen auf Kurzzeitpflege stehen "bei Null", so Mascher: "Jeder macht, so gut er kann, aber es ist nichts aufeianander abgestimmt."
Der VdK fordert daher eine verbindliche Quote von Kurzzeitpflegeplätzen in allen Pflegeeinrichtungen. Nur so könne die häusliche Pflege dauerhaft gesichert werden. Mascher warnte eindringlich: "Ansonsten kollabiert das System der häuslichen Pflege. Angehörige sind nicht unendlich belastbar!"
Die Einführung eines Pflichtdienstes für junge Leute in der Pflege lehnt der VdK ab. Das sei keine vernünftige Lösung. "Pflegebedürftige haben ein Recht auf professionelle Versorgung durch Fachkräfte und nicht durch zwangsverpflichtete und laienhafte junge Leute", so Mascher.
Gesetzliche Rente für alle
"Die Rente ist ein Thema für alle Generationen", unterstrich VdK-Präsidentin Verena Bentele. Es sei zu spät, sich erst mit 67 Jahren darüber Gedanken zu machen. "Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig bewusst jungen Menschen der an sich simple Zusammenhang 'gute Arbeit - gute Rente' ist", meinte sie. Das deutsche Rentensystem soll nach Meinung des VdK daher "insgesamt neu gedacht werden". Für Bentele ist das österreichischem Vorbild einer Erwerbstätigenversicherung für alle Arbeitnehmergruppen, Beamten, Selbstständigen, Abgeordneten, Vorstandsvorsitzenden und Manager nachahmenswert. "Wir wollen alle am gesetzlichen Rentenversicherungssystem beteiligen", fasste sie zusammen. Ziel des VdK ist es, die gesetzliche Rente zu stärken und nicht weiter auszuhöhlen. Eine gemeinsame Rentenkasse helfe offenkundig auch gegen Altersarmut. Seit Einführung der Erwerbstätigenversicherung sei die Altersarmutsgefährdungsquote in Österreich jedenfalls deutlich gesunken, während sie in Deutschland deutlich gestiegen ist.
"Amazon und Google endlich besteuern"
Finanzierbar sei eine Rente, die das Gespenst der Altersarmut vertreibe, durch mehr Steuerfinanzierung: Der VdK fordert daher eine vernünftige Umverteilung u.a. durch eine Vermögensteuer, die Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer und eine neue Digitalsteuer, die auch Unternehmen wie Amazon und Google endlich angemessen besteuert. "Auch diese Unternehmen müssen sich am Sozialstaat und seiner Finanzierung beteiligen", forderte Bentele.
Großdemo gegen Altersarmut
„Es ist Zeit für eine soziale Bewegung“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele bei der Jahrespressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern heute in München. Deshalb ruft der VdK am Samstag, 28. März 2020, zur Großdemonstration „Soziales Klima retten!“ in München auf. „Das wird die größte Rentendemonstration aller Zeiten – für alle Generationen“, betonte Bentele. Treffpunkt ist um 12 Uhr an der Theresienwiese, von dort geht es durch die Innenstadt zur großen Schlusskundgebung um 14 Uhr auf dem Odeonsplatz mit Verena Bentele als Hauptrednerin. „Wir wollen das soziale Klima retten. Denn das gesellschaftliche Miteinander gerät wegen der halbherzigen Sozialpolitik der Bundesregierung immer stärker ins Wanken“, so die VdK-Präsidentin.
Auf die Straße geht der VdK am 28. März 2020 vor allem gegen Altersarmut. Denn die ist längst in Bayern angekommen. Die niedrigen Grundsicherungszahlen zeigen nicht das wahre Ausmaß. Laut einer DIW-Studie stellen 60 Prozent aller Berechtigten keinen Antrag auf Grundsicherung im Alter: „Hochaltrige Senioren und verwitwete Frauen verzichten am häufigsten. Also diejenigen, die es am nötigsten hätten. Diese Menschen frieren und hungern lieber, als aufs Amt zu gehen. Das ist erschütternd“, sagte Bentele.
Die Kampagne #Rentefüralle hält die VdK-Präsidentin trotz der auf den Weg gebrachten Grundrente so wichtig wie zuvor. „Wer etwas gegen Altersarmut tun will, muss an mehreren Hebeln ansetzen“, erklärte sie. Am wichtigsten ist der Arbeitsmarkt. Der ist in Bayern von einem großen Niedriglohnbereich und viel prekärer Beschäftigung geprägt. Der VdK fordert deshalb einen Mindestlohn von 12,80 Euro, um eine Rente wenigstens über Grundsicherung erwirtschaften zu können.
"Für die kleinen Leute"
Der VdK Bayern kann auf das erfolgreichste Jahr seiner Verbandsgeschichte zurückblicken. Zum Ende des Jahres zählt er etwa 722.500 Mitglieder. In diesem Jahr wurden in Bayern rund 60.000 neue Mitglieder aufgenommen. Dieser Zuwachs ist einmalig in der deutschen Verbändelandschaft. VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder erklärt sich diesen Erfolg mit „der großen Nachfrage nach einer kraftvollen unabhängigen Bürgerbewegung für die kleinen Leute“ und „mit der Strahlkraft und Popularität der neuen Präsidentin des VdK Deutschland, Verena Bentele“. Immer mehr Menschen honorieren den sozialpolitischen Einsatz des VdK vor allem im Kampf gegen Altersarmut. Zudem schätzen die Mitglieder die große sozialrechtliche Kompetenz des VdK Bayern. 74 Millionen Euro an Nachzahlungen konnte der VdK im Jahr 2019 für seine Mitglieder bei Rentenversicherung, Krankenkassen und Sozialbehörden erstreiten. 20 Prozent aller Klageverfahren vor den Sozialgerichten im Freistaat werden vom VdK Bayern vertreten.
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