"Nicht selten verspielen Betroffene ihr gesamtes Vermögen"
Die Landesstelle Glücksspielsucht hilft Spielenden und ihren Familien
Glücksspielsucht hat mitunter desaströse Auswirkungen auf die Betroffenen - und auf ihr gesamtes Umfeld. „Nicht selten kommt es vor, dass Betroffene ihr gesamtes Vermögen verspielen, durchschnittlich über 25.000 Euro Schulden anhäufen und damit riskieren, ihre Familie, Freunde und ihren Arbeitsplatz – im wahrsten Sinne des Wortes – aufs Spiel zu setzen und zu verlieren“, erklärt Konrad Landgraf. Er ist Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht (LSG) und hat selbst jahrelang als Suchtberater gearbeitet.
22 spezialisierte Stellen beraten
In Bayern gibt es zwischen 37.000 und 119.000 Betroffene, also pathologisch und problematisch Spielende. Wer dem Impuls zum Glücksspiel oder Wetten nicht mehr widerstehen kann, gilt als spielsüchtig. Ob man selbst dazu gehört, kann man im Selbsttest unter www.verspiel-nicht-dein-leben.de anonym herausfinden.
Die Landesstelle Glücksspielsucht ist für diese Menschen mit ihren Angeboten da. Sie wurde vor zehn Jahren gegründet ist die zentrale Schnittstelle in Bayern für diese Problematik. Mit mittlerweile 22 auf Glücksspielsucht spezialisierten Fachstellen, die über ganz Bayern verteilt sind, haben die Berater der LSG bereits mehr als 13.000 Betroffenen und über 3.000 Angehörigen von Menschen mit einer glücksspielbezogenen Problematik in ihrer schwierigen Situation geholfen. "Wurde das Thema Glücksspielsucht in Bayern vor zehn Jahren noch eher stiefmütterlich behandelt, konnten wir es durch unsere Arbeit mehr und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und die Versorgung für Betroffene und Angehörige immer weiter ausbauen", sagt Landgraf. Die LSG konnte seit 2008 die Versorgung von Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen Schritt für Schritt verbessern.
Kostenlose App zum eigenen Verhalten
Die LSG hat für Spieler die kostenfreie App PlayOff entwickelt. Nutzer von Glücksspielen können damit ihr Spielen entweder komplett beenden oder versuchen, kontrolliert und in einem persönlich festgelegten Ausmaß weiterzuspielen. Diese App basiert auf verhaltenstherapeutischen Methoden und bietet zahlreiche Features wie eine Tagebuchfunktion, einen Wochenplan und eine Auswertung des eigenen Spielverhaltens an, die bei der Bewältigung von Glücksspielproblemen helfen können.
Downloadlink für die App unter www.verspiel-nicht-dein-leben.de/playoff.
Wo gibt es Hilfe bei Glücksspielsucht?
Hilfe für Angehörige unter www.verspiel-nicht-mein-leben.de.
Hilfe für Glücksspieler unter www.verspiel-nicht-dein-leben.de.
Die beiden Internetseiten der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern bieten umfangreiche Informationen. Man findet dort Infos in 14 Sprachen und alle wichtigen Hilfeangebote, etwa eine Online-Beratung in deutscher und türkischer Sprache oder eine türkischsprachige Telefonberatung. Außerdem gibt es dort die Adressen von Beratungsstellen, an die sich Menschen mit Glücksspielproblemen und deren Angehörige wenden können.
Mehr Infos der Landesstelle unter www.lsgbayern.de.
"Es sollte nicht zum Familiengeheimnis gemacht werden"
Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, beantwortet die wichtigsten Fragen für betroffenen Familien.
"Das können Anzeichen sein"
Woran können Angehörige erkennen, dass ein Familienmitglied in ein Suchtverhalten abgleitet?
Konrad Landgraf: Grundsätzlich ist eine Spielproblematik schwerer zu erkennen als eine stoffgebundene Abhängigkeit, da es in der Regel keine körperlichen Auffälligkeiten gibt. Anzeichen können sein:
- Nicht nachvollziehbare, vermehrte finanzielle Schwierigkeiten oder Schuldenaufnahme.
- Weniger Zeit, unerklärte Abwesenheit von der Arbeit oder von zu Hause.
- Ausreden und Lügen.
- Unruhe, Nervosität und Schlafprobleme.
- Reizbarkeit und starke Stimmungsschwankungen.
- Zunehmende Unzuverlässigkeit und gedankliche Abwesenheit.
"Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt"
Ist es sinnvoll, das Problem in der Familie zu besprechen, oder ist Hilfe von außen zielführender?
Konrad Landgraf: Die Problematik sollte auf jeden Fall angesprochen werden und nicht zum Familiengeheimnis gemacht werden. Sind Kinder im Haushalt, so sollte dies kindgerecht erfolgen. Bei Spielsucht ist es ähnlich wie bei anderen Suchterkrankungen oder psychischen Problemen. Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt, können es sich aber nicht erklären. Diese Ungewissheit ist in der Regel schlimmer als das Wissen um die Problematik.
Wichtig für die Angehörigen ist es, den Betroffenen kein Geld zu leihen und das eigene Einkommen / Vermögen „zu schützen“.
Unabhängig davon ist es auf jeden Fall zu empfehlen, professionelle Hilfe zu suchen. Angehörige können, wie die Betroffenen selbst, kostenfreie Beratung in Suchtberatungsstellen in Anspruch nehmen.
"Mit Stärken und Schwächen offen umgehen"
Was können Eltern tun, um ihre Kinder vor Suchtverhalten zu bewahren?
Konrad Landgraf: Folgende Verhaltensweisen können hilfreich sein:
- Den Kindern Anerkennung und Bestätigung vermitteln.
- Den Kindern ermöglichen, eigene Erfahrungen zu sammeln (ganz allgemein und nicht bezogen auf Suchtmittel, diese können aber natürlich auch Bestandteil sein) und Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder haben.
- Trotzdem Grenzen und Regeln setzen.
- Vorbild sein, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und dabei mit eigenen Stärken und Schwächen offen umgehen.
- Speziell in Bezug auf Glücksspiele: Über Glücksspiele sprechen und Kinder über Gefahren und Risiken aufklären. Sollten Eltern selbst Glücksspiele spielen, dann die Kinder nicht mit zum Glücksspielen nehmen und nicht in ihrem Beisein spielen.
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