"Nicht die Augen verschließen, sondern Lösungen finden"
16. Kamingespräch des MLLV benennt Herausforderungen
Gemeinsam Bildung gestalten möchten (von links) Stadtschulrätin Beatrix Zurek, leitender Schulamtsdirektor Anton Zenz, die bildungspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen, Dr. Simone Strohmayr (SPD), Anna Toman (Bündnis 90 / Die Grünen), Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU), Matthias Fischbach (FDP), Eva Gottstein (Freie Wähler) und der MLLV mit Dr. Michael Hoderlein-Rein, Waltraud Lucic und Barbara Mang (Mitte) und Kultusminister Prof. Michael Piazolo. (Foto: MLLV)
Der seit November amtierende bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo, und die bildungspolitischen Sprecher der CSU, der Freien Wähler, des Bündnis 90 / Die Grünen, der SPD und der FDP sowie Stadträte diskutierten beim 16. Kamingesprächs des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbands (MLLV), wie eine bessere Gestaltung der Bildung möglich ist.
Der leitende Schulamtsdirektor Anton Zenz stellte fest, dass die Zeiten, in denen nur ein Protagonist die Bildung alleine vermittle, vorbei sind. Als Beispiel nannte er, dass seit mehr als 20 Jahren Sozialpädagogen die Bildung an Schulen mitgestalten. „Aktuell sind alle 44 Mittelschulen mit Schulsozialarbeit ausgestattet. Von den 136 Grundschulen sind mit dieser wertvollen Unterstützung nur 47 Schulen ausgestattet. Da ist noch Luft nach oben“, meint Anton Zenz.
Müncvhens Stadtschulrätin Beatrix Zurek stellte klar, dass Bildung für die Landeshauptstadt München immer in einem großen Fokus stand. Zurek freut sich auf neue Standorte und die weitere Entwicklung im Kooperativen Ganztag. Vor allem für die Eltern sei das ein großer Gewinn. Alle Akteure müssen über den Tellerrand hinaussehen, sich vernetzen und Erfahrungen austauschen, um Chancen- und Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Jedes Kind soll aufgrund seiner Individualität seinen eigenen Weg gehen können.
Pädagogik vor Digitalisierung
Bildungsminister Michael Piazolo nannte Punkte, für die dringender Handlungsbedarf besteht. Zuallererst sei dies der personelle Bedarf, was die Lehrerversorgung betrifft. Die Mobile Reserve soll bei kurzfristigen Ausfällen helfen – und wurde mit 50 neu geschaffenen Stellen aufgestockt. Mit Blick auf die großen Herausforderungen einer stark anwachsenden Schülerzahl, die bis zum Jahr 2025 um 60.000 steigen wird, verwies der Minister auf Maßnahmen zur Lehrergewinnung wie beispielsweise die 700 zusätzlichen Studienplätze für das Lehramt an den Grundschulen.
Auch die Beschulung der Flüchtlingskinder sei zentrales Thema. Ebenso seien Mint und die Digitalisierung große Aufgaben, die engagiert angegangen werden müssen. Dabei erteilte Piazolo der geforderten Änderung des Grundgesetzes eine Absage. Diese wäre nötig, damit Bayern die 778 Millionen Euro vom Bund abrufen könnte für die Digitalisierung.
Der Minister zeigte seine Wertschätzung für die Arbeit der Lehrkräfte und äußerte Besorgnis vor deren Überlastung. Die Lehrergesundheit besser zu schützen, mache er sich zur Aufgabe. Grundsätzlich habe die Pädagogik Vorrang vor der Digitalisierung: „Lieber ein guter Unterricht mit Tafel und Kreide als ein schlechter mit Whiteboard". Die Mittelschule sieht er heute schon aufgewertet, wozu ein Pflichtfach Informatik weiter beitragen könnte. Piazolo bedankte sich bei den Lehrkräften und betonte, dass alle Schularten gleichwertig nebeneinander stehen.
Es fehlen Pädagogen
Für MLLV-Vorsitzende Waltraud Lucic ist München die "Stadt der Paradoxien". So wachse zum Beispiel die Bevölkerungszahl in München stark an, Lehrkräfte dagegen ziehe es von München weg. In München lebet eine große Anzahl reicher Menschen, aber München liege auch mit einem Anteil von 11,8 Prozent von Kindern, die Hartz IV beziehen, weit über dem bayerischen Schnitt.
Sie mahnte, nicht die Augen zu verschließen, sondern Lösungen zu finden und die bereits umgesetzten Lösungsansätze weiter zu entwickeln.
Die Schülerzahl wachse schneller als die Schulgebäude, sagte Lucic. Ressourcenersparnis durch Umsprengelung dürfe nicht die Lösung sein, vor allem wenn dadurch bildungsferne von bildungsnahen Familien getrennt werden, da die Gefahr der Ghettobildung gegeben ist. Es dürfe auch nicht sein, dass Förderschulkinder immer diejenigen sind, die in ein anderes Gebäude ziehen müssen, wenn die Schulen wachsen.
2025 werde das neunjährige Gymnasium wieder vollständig umgesetzt sein und sehr viele Gymnasiallehrkräfte werden zurückgehen an ihre besser bezahlte Schulart. Zeitgleich greife dann das Recht der Eltern auf Ganztagsbetreuung. "Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie man mehr Lehrkräfte nach München bekommen und dann auch halten können", so Lucic.
Schulleitungen sind am Limit
Der MLLV begrüßt die Zusammenarbeit von Stadt und Staat bei der Entwicklung des Modells der kooperativen Ganztagsschule. Das Modell wird mit einem Kooperationspartner und der Schulleitung partnerschaftlich umgesetzt. Schulleitungen sollen so entlastet werden. Das müsse gelingen, denn sie arbeiten an der Grenze ihrer Möglichkeiten. Gute Schulen brauchen gute Schulleitungen: Man brauche bei der Besetzung von Schulleitungsstellen wieder eine Bestenauswahl, Menschen mit modernen, kreativen und wertschätzenden Führungsqualitäten. Ständige Unterbesetzung und Überlastung sind keine Anreizsysteme für Bewerbungen.
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