Mehr Wildbienenarten im Botanischen Garten
Klimaerwärmung scheint kein Grund fürs Bienensterben zu sein
Mindestens 106 Wildbienenarten kommen im Botanischen Garten München vor – auf diese Zahl hat sich das Vorkommen in den letzten Jahren durch die Zuwanderung von 15 wärmeliebenden Arten erhöht. Wie die SNSB – Botanische Staatssammlung München und der Botanische Garten in Nymphenburg mitteilen, sei es eine weit verbreitete Fehleinschätzung, dass am derzeit festgestellten drastischen Insektenrückgang auch die Klimaerwärmung mit schuld sein könnte.
"Es ist jedoch schon lange bekannt und nachgewiesen, dass diese eher zu einer Vermehrung der Insektenanzahl führen würde, denn wärmeliebende Insekten sind in mediterraneren Klimaten, und natürlich den Tropen, schon immer zahlreicher als in mehr nördlichen Breiten. Dabei ist es oft nicht einfach, die direkten Auswirkungen von Klimaerwärmung auf die Artenzusammensetzung einer bestimmten Insektengruppe (zum Beispiel der Wildbienen) in einem Lebensraum zu erforschen, denn das Klima wirkt sich nicht nur mit Temperatur, sondern auch über den damit verbundenen Wasserhaushalt auf den Lebensraum direkt aus, vor allem auf die Nahrungspflanzen der Insekten, die zum Beispiel mit Dürre zu kämpfen haben", heißt es in der Pressemitteilung.
Botanische Gärten stellen daher so etwas wie künstliche, "optimierte" aber langzeitig stabile Lebensräume für blütenbesuchende Insekten dar, denn dort blühen jedes Jahr die gleichen Pflanzenarten – auch bei längerer Trockenheit, denn es wird künstlich bewässert. Lediglich die Temperatur ändert sich auch für die Pflanzen und Insekten dort mit der Klimaerwärmung. Der Artenreichtum des Botanischen Gartens München an heimischen Wildpflanzen wie auch Zier- und Nutzpflanzen, seine geschützte Lage und die Nichtanwendung von chemischem Pflanzenschutz sind seit seiner Eröffnung im Jahr 1914 unverändert geblieben.
Dokumentationen
Eine erste Inventarisierung der Wildbienenfauna des Botanischen Garten München fand in den Jahren 1997 bis 1999 statt. Nun wurden fast 20 Jahre später die dort vorkommenden Wildbienenarten erneut dokumentiert. Doktorandin Michaela Hofmann von der LMU München hat zusammen mit Dr. Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM) von 2015 bis 2017 jeweils von Frühjahr bis Herbst auf regelmäßigen Kontrollgängen durch den Botanischen Garten alle gefundenen Bienen dokumentiert. Bei größeren Arten war das teilweise schon anhand von guten Makrofotos möglich, bei vielen kleinen und schwierig zu bestimmenden Wildbienenarten war eine genaue Bestimmung nur durch DNA-Abgleich mit dem Barcoding-Projekt Fauna Bavarica der Zoologischen Staatssammlung (SNSB-ZSM) möglich. Nun wurden die Ergebnisse dieser Wildbienen-Erfassung zusammen mit der LMU-Wissenschaftlerin und Leiterin des Botanischen Gartens, Prof. Susanne Renner, in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht.
Die Ergebnisse sind überraschend deutlich: Wurden 1997 bis 1999 noch 79 Wildbienenarten im Botanischen Garten nachgewiesen, konnten 20 Jahre später 106 Arten gefunden werden. Im gesamten Stadtgebiet München sind seit 1990 192 Bienenarten von Insektenkundlern gefunden worden, das heißt 55 Prozent aller Münchner Bienenarten kommen auch im Botanischen Garten mit seinem reichhaltigen Angebot an Nahrung und Nistplätzen vor.
Zwischen 1997 und 2017 hat sich die durchschnittliche Temperatur während der Vegetationszeit in München um 0.5 °C erhöht, während die Winter immer kürzer wurden. Unter den zwischen 2015 und 2017 neu im Botanischen Garten ,angekommenen' Bienen sind entsprechend mehrere Arten, die bis vor ca. 20 Jahren nur von den Wärmeinseln Deutschlands bekannt waren. Dazu gehören zum Beispiel die große und auffällige Blauschwarze Holzbiene (Xylocopa violacea), die Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae), die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Natternkopf-Mauerbiene (Hoplitis adunca). Keinerlei Zusammenhang konnte dagegen gefunden werden zwischen Verschwinden oder Neufund und dem Rote-Liste-Status oder den Nahrungspräferenzen der Arten (ob sie z.B. auf bestimmte Blüten spezialisiert sind oder nicht) – lediglich die Wärmepräferenzen der Bienenarten waren signifikant für ihr Vorkommen.
Mehr zu den Wildbienen des Botanischen Gartens München erfährt man unter http://www.botmuc.de/de/bienen/. Dort gibt es auch Informationen zum Wildbienen-Markierungsprojekt (mehr dazu auch unter http://www.snsb.mwn.de/index.php/de/aktuelles/507-muenchen-sucht-nummerierte-wildbienen), das auch im Frühjahr 2018 im Botanischen Garten München wieder durchgeführt wird.
Originalveröffentlichung:
M. M. Hofmann, A. Fleischmann, S. S. Renner (2018) Changes in the bee fauna of a German botanical garden between 1997 and 2017, attributable to climate warming, not other parameters. Oecologia, online article: https://doi.org/10.1007/s00442-018-4110-x
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH